Erwin Geschonneck (* 27. Dezember 1906 in Bartenstein, Kreis Friedland, Ostpreußen; † 12. März 2008 in Berlin) war ein deutscher Schauspieler. Seine größten Erfolge erlebte er in der DDR, wo er als einer der gefragtesten und profiliertesten Darsteller galt.
Erwin Geschonneck (1954)
Leben
Kindheit und Jugend
Geschonneck war Sohn des Flickschusters und Nachtwächters Otto Geschonneck und seiner Ehefrau Gertrud. 1908 übersiedelte die Familie nach Berlin in die Ackerstraße in der Rosenthaler Vorstadt. Geschonneck verdiente nach dem Schulabschluss seinen Lebensunterhalt als Gelegenheitsarbeiter, Bürobote und Hausdiener. 1920 schloss sich Geschonneck der Arbeitersportbewegung Fichte an und wurde Leiter des Arbeiter-Athletenbundes. 1929 trat er der KPD bei und spielte in kommunistischen Laienspiel-, Agitprop- und Kabarettgruppen; außerdem nahm er Sprechunterricht und trat im „Roten Kabinett“ auf. 1931 hatte er in Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? seine erste kleine Filmrolle, weiter trat er als Komparse bei Erwin Piscator an der „Jungen Volksbühne“ auf.
Verfolgung und Internierung ab 1933
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten emigrierte Geschonneck 1933 über Polen und die Tschechoslowakei in die Sowjetunion. Dort schloss er sich verschiedenen jüdischen Theatergruppen an und stand unter anderem auch Modell für die Fotomontagen des Grafikers John Heartfield. Im Jahr 1938 musste er auf Geheiß des NKWD die Sowjetunion wieder verlassen. Am 31. März 1939 wurde Geschonneck in Prag verhaftet und an die Gestapo ausgeliefert. Danach folgte die Internierung in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Dachau und Neuengamme. Im KZ Dachau beteiligte er sich an der Organisation des Widerstandes, wozu auch der Ausbau kultureller Aktivitäten wie etwa Theateraufführungen gehörte. Am 3. Mai 1945 überlebte Geschonnek den Untergang des in der Lübecker Bucht von britischen Flugzeugen versenkten KZ-Schiffes Cap Arcona, auf das er bei der Evakuierung des KZ Neuengamme mit 4000 Häftlingen verlegt worden war.
Künstlerisches und politisches Wirken ab 1945
Szenenbild aus der Uraufführung 1949 von Herr Puntila und sein Knecht Matti im Deutschen Theater Berlin: Gisela Trowe und Erwin Geschonneck
Von 1946 bis 1948 arbeitete Geschonneck an den Hamburger Kammerspielen u.a. mit Helmut Käutner sowie Ida Ehre und spielte in verschiedenen Filmproduktionen, so u.a. 1947 im Episodenfilm „In jenen Tagen“. 1949 holten ihn Bertolt Brecht und Helene Weigel an das Berliner Ensemble. Dort spielte er mit allen namhaften Regisseuren große Rollen wie den Matti in Herr Puntila und sein Knecht Matti von Brecht, den Dorfrichter Adam in Kleists Der zerbrochne Krug und den Don Juan in Molières gleichnamigem Stück. Zugleich begann mit der Verfilmung von „Der Biberpelz“ eine erfolgreiche Karriere bei der DEFA und dem DFF, in deren Verlauf er mit vielen wichtigen Regisseuren der DDR arbeitete (s. Filmografie). So spielte er 1950 den Holländer-Michel in Das kalte Herz, dem ersten DEFA-Farbfilm.
1958 spielte Erwin Geschonneck in Konrad Wolfs kritischem Film Sonnensucher über den Uranbergbau der Wismut AG, der bis 1972 in der DDR verboten war. Der Film Leute mit Flügeln wurde ab 1961 nicht mehr aufgeführt, einige weitere Filme, in denen er mitwirkte, wurden verboten, wie Das Stacheltier – Darf der denn das? bzw. Gerhard Kleins Film Berlin um die Ecke, oder zensiert wie Das Beil von Wandsbek nach Arnold Zweig.
Viele Rollen wurden dem Schauspieler teilweise auf den „Leib geschrieben“, so beispielsweise auch die Hauptfigur des Karl Achilles, der sich in dem 1975 gedrehten Film Bankett für Achilles an seinem letzten Arbeitstag im Chemiekombinat Bitterfeld an 30 Jahre Arbeit zurückerinnert. Nicht zuletzt Erwin Geschonneck war es zu verdanken, dass die meisten dieser Filme überhaupt gedreht oder aufgeführt wurden. Als langjähriger Genosse und Antifaschist – und zudem beliebter Schauspieler – genoss er eine Art Narrenfreiheit. Er nutzte diese Stellung, um immer wieder den Finger auf die Wunden zu legen. Nach außen – mit sechs Nationalpreisen hochdekoriert – unantastbar, blieb Geschonneck oft unbequem und wurde – wie er selbst in seiner Biografie schreibt[1]– aus gutem Grund nie in Parteifunktionen gewählt.
Herausragend war 1963 seine Darstellung des Lagerältesten Walter Krämer in Frank Beyers Romanverfilmung Nackt unter Wölfen, in die seine eigene Erfahrung als KZ-Insasse eingeflossen ist. Im gleichen Jahr spielte er eine seiner populärsten Rollen, den Karbid-Kalle in der am Kriegsende angesiedelten und auf wahren Begebenheiten basierenden Komödie Karbid und Sauerampfer. Schließlich besetzt Beyer ihn 1974 als Friseur Kowalski in der Verfilmung des Jurek Becker Romans Jakob der Lügner: Die Handlung spielt Ende 1944 in einem polnischen jüdischen Ghetto und schildert das Leben des Juden Jakob Heym in den letzten Wochen vor der Räumung des Ghettos. Dieser Film wurde als einziger DEFA-Film für den Oscar nominiert.
Ab 1990
1993 holte ihn Heiner Müller für Duell Traktor Fatzer letztmals an das Berliner Ensemble zurück,[2] 1995 stand er für den Fernsehfilm Matulla und Busch ein letztes Mal vor der Kamera.
In einer Kritikerumfrage wurde Geschonneck 1992 zum besten Schauspieler der ehemaligen DDR gewählt. 1993 erhielt Geschonneck den deutschen Filmpreis für sein Gesamtschaffen. Am 28.Dezember 2004 wurde Geschonneck zum Ehrenmitglied der neu gegründeten Deutschen Filmakademie ernannt.
Geschonneck war seit 1929 Mitglied der KPD und wurde 1949 (?) Mitglied der SED. Ab 1967 war er Vizepräsident des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden, ab 1969 ordentliches Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Geschonneck war bis 2007 Mitglied der PDS und nach deren Fusion mit der WASG bis zu seinem Tod in der neu konstituierten Partei Die Linke. Er bekannte sich auch nach dem Ende der DDR noch ausdrücklich zum Kommunismus, für den er sein Leben lang gekämpft hat.
Geschonneck lebte mit seiner vierten Frau Heike bis zu seinem Tode am Alexanderplatz in Berlin. Er hinterließ zwei Söhne, den deutschen Regisseur Matti Geschonneck sowie den Computer-Forensik-Spezialisten und Buchautor Alexander Geschonneck, und eine Tochter aus der Ehe mit der Schauspielerin Doris Weikow, die Journalistin Fina Geschonneck.
Erwin Geschonneck wurde am 3. Mai 2008 in Anwesenheit hunderter Anhänger und Wegbegleiter in nächster Nähe zu den Gräbern von Brecht, Weigel, Dessau, Eisler, Langhoff und Tabori auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt.[3][4]
Sein schriftlicher Nachlass befindet sich im Archiv der Akademie der Künste in Berlin.[5]
1950: Jakob Michael Reinhold Lenz: Der Hofmeister – Regie: Bertolt Brecht (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin)
1950: Bertolt Brecht: Die Mutter (Gutsmetzger) – Regie: Bertolt Brecht (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin)
1951: Gerhart Hauptmann: Der Biberpelz und Roter Hahn (Wehrhahn) – Regie: Egon Monk (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin – Kammerspiele)
1951: Bertolt Brecht: Mutter Courage und ihre Kinder (Feldprediger) – Regie: Erich Engel (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin)
1952: Heinrich von Kleist: Der zerbrochne Krug (Dorfrichter Adam) – Regie: Therese Giehse (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin)
1953: Erwin Strittmatter: Katzgraben (Großbauer) – Regie: Bertolt Brecht (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin)
1953: Bertolt Brecht nach Anna Seghers: Der Prozess der Jeanne d’Arc zu Rouen 1431 (Bischof Cauchon) – Regie: Benno Besson (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin – Kammerspiele)
1953: Bertolt Brecht: Die Gewehre der Frau Carrar (Pedro) – Regie: Egon Monk (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin – Kammerspiele)
1960: Carl Sternheim: Der Kandidat (Russek) – Regie: Fritz Wisten (Volksbühne Berlin)
Hörspiele
1951: Karl-Georg Egel: Einer von unseren Tagen – Regie: Gottfried Herrmann (Berliner Rundfunk)
1951: Friedrich Karl Kaul: Funkhaus Masurenallee (Gladewitz) – Regie: Gottfried Herrmann (Berliner Rundfunk)
1953: Bertolt Brecht: Die Gewehre der Frau Carrar (Pedro) – Regie: Egon Monk (Berliner Rundfunk)
1955: Jan de Hartog: Schiff ohne Hafen (Kapitän Joris Kuiper) – Regie: Lothar Dutombé (Hörspiel – Rundfunk der DDR)
1957: Hans J. Rehfisch: Oberst Chabert (Oberst Chabert) – Regie: Hans Busse (Rundfunk der DDR)
1957: Wolfgang Schreyer: Das Attentat (General Olbricht) – Regie: Lothar Dutombé (Rundfunk der DDR)
1957: Bernhard Seeger: Wo die Nebel weichen (Großbauer) – Regie: Lothar Dutombé (Rundfunk der DDR)
1960: Bernhard Seeger: Paradies im Krähenwinkel – Regie: Helmut Hellstorff (Rundfunk der DDR)
1960: Gerhard Rentzsch: Altweibersommer (Bauer Behrendt) – Regie: Hans Knötzsch (Rundfunk der DDR)
1960: Helmut Sakowski: Verlorenes Land? (Hörtel) – Regie: Werner Grunow (Hörspiel – Rundfunk der DDR)
1963: Joachim Wohlgemuth: Der Schweine-Wilhelm – Regie: Werner Grunow (Rundfunk der DDR)
1963: Manfred Bieler: Nachtwache (Albert Rechenthin) – Regie: Helmut Hellstorff (Rundfunk der DDR)
1963: Klaus Beuchler: Sprung über den Schatten – Regie: Fritz-Ernst Fechner (Rundfunk der DDR)
1963: Gerhard Rentzsch: Die Geschichte eines Mantels – Regie: Edgar Kaufmann (Rundfunk der DDR)
1966: Bernhard Seeger: Hannes Trostberg (Vater Kleinert) – Regie: Theodor Popp (Hörspiel (3 Teile) – Rundfunk der DDR)
1967: Eberhard Fensch: Spätschicht – Regie: Helmut Hellstorff (Hörspiel – Rundfunk der DDR)
1974: Hans-Jürgen Bloch: Nicht nur tausendjährige Eichen (Schicketanz) – Regie: Joachim Staritz (Rundfunk der DDR)
1974: Wolfgang Müller: Die Spur des Helfried Pappelmann (Späth, Bote) – Regie: Wolfgang Schonendorf (Rundfunk der DDR)
1984: Thomas Heise: Schweigendes Dorf (Henry Suska) – Regie: Thomas Heise (Hörspiel – Rundfunk der DDR)
1987: Franz Fühmann: Rumpelstilzchen (Rumpelstilzchen) – Regie: Achim Scholz (Hörspiel – Rundfunk der DDR)
1993: Mario Göpfert: Die Mondblume – Regie: Peter Groeger (DS Kultur)
Auszeichnungen
Geschonneck (Mitte) erhält 1961 den Nationalpreis der DDR
1954 Nationalpreis II. Klasse für sein Gesamtschaffen
1954 Erich-Weinert-Medaille
1954 Artur-Becker-Medaille
1960 Darstellerpreis auf den Internationalen Filmfestspielen in Karlovy Vary, Nationalpreis II. Klasse für Leute mit Flügeln
1961 Nationalpreis I. Klasse im Kollektiv für Gewissen in Aufruhr
1965 Vaterländischer Verdienstorden in Silber
1966 Erich-Weinert-Medaille
1968 Nationalpreis I. Klasse im Kollektiv für Die Fahne von Kriwoj Rog
1969 Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee in Silber
1971 Artur-Becker-Medaille in Gold
1974 Theodor-Körner-Preis
1975 Medaille für Waffenbrüderschaft
1975 Internationale Filmfestspiele Wolgograd: Goldmedaille
1975 Nationalpreis II. Klasse im Kollektiv für Jakob der Lügner
1976 Vaterländischer Verdienstorden in Gold
1977 Goldener Lorbeer des Fernsehens der DDR
1981 Karl-Marx-Orden
1982 Kunstpreis der FDJ im Kollektiv für Der Mann von der Cap Arcona
1985 Kunstpreis des FDGB
1986 Nationalpreis I. Klasse
1987 Ehrendiplom beim Kinderfilmfestival ,,Goldener Spatz´´ in Gera für Ein Wigwam für die Störche
1993 Deutscher Filmpreis für sein Gesamtschaffen
1997 Die Goldene Henne der Superillu für sein Lebenswerk
2004 Ehrenmitglied der neu gegründeten Deutschen Filmakademie[7]
Schriften
Auskünfte und Ansichten. VFF, Berlin 1981 (hrsg. von Hermann Herlinghaus)
Meine unruhigen Jahre. Dietz-Verlag, Berlin 1984 (mit Günter Agde) – Taschenbuchausgabe: Aufbau-Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-7466-0161-4
Interview
Thomas Heise: Widerstand und Anpassung – Überlebensstrategie. Ein Gespräch mit dem Schauspieler Erwin Geschonneck. Ch. Links Verlag, Berlin 2016, Audio-CD, ISBN 978-3-86153-915-5.
Wolfgang Carlé: Erwin Geschonneck. Henschelverlag, Berlin (DDR) 1960
Thomas Heise: Widerstand und Anpassung – Überlebensstrategie. Erinnerungen eines Mannes an das Lager Dachau. Radio-Feature. Prod.: Rundfunk der DDR, 1987. (Gespräch mit Erwin Geschonneck)
Frank Hörnigk: Erwin Geschonneck. Eine deutsche Biografie. Theater der Zeit, Berlin 2006, ISBN 978-3-934344-83-9 (Das Originaltonfeature von Th. Heise liegt dem Buch als CD bei.)
Monika Kaiser:Geschonneck, Erwin. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band1. Ch.Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Ein Star made in DDR. In: Die Welt, 27. Dezember 2006; Würdigung zum 100. Geburtstag
„Einer der bedeutendsten Schauspieler“ – Erwin Geschonneck. Arbeitstagung zum 100. Geburtstag. (= Pankower Vorträge, Heft 93). Hrsg. „Helle Panke“ e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin 2007. 60 Seiten.
Erwin Geschonneck – Porträt, rbb Fernsehen vom 21. Februar 2012 – online
Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Band 3: F – H. John Barry Fitzgerald – Ernst Hofbauer. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S.241 f.
Kay Weniger: ‘Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …’. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8, S.191f.
Geschonneck, Erwin.:Meine unruhigen Jahre: [mit einem kompletten Rollenverzeichnis von 1946–1982]. 1. Auflage. Aufbau-Taschenbuch-Verl, Berlin 1993, ISBN 3-7466-0161-4.
Heiner Müller sargt seine Stücke ein und versteinert Brecht. „Duell Traktor Fatzer“ im Berliner Ensemble. Die Geschichte einer Provokation: Das Todeskapitel. In: Die Zeit. 8.Oktober 1993, ISSN0044-2070 (zeit.de[abgerufen am 31.Dezember 2017]).
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