Walter Sedlmayr (* 6. Januar 1926 in München; † 14. Juli 1990 ebenda) war ein deutscher Volksschauspieler, Fernsehregisseur und Autor.
Leben
Jugend
Der Sohn des Tabakhändlers Richard Sedlmayr und der Hausfrau Maria Rott wechselte aufgrund schlechter Noten mehrmals die Schule, bevor er 1945 am Schwabinger Gisela-Gymnasium ein Notabitur machte.
Schauspielerei und Rundfunk
Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg spielte Sedlmayr an mehreren Münchner Theatern. Den Münchner Kammerspielen blieb er über 25Jahre lang treu, obwohl er nie eine Hauptrolle spielen durfte. In den 1940er- und 1950er-Jahren spielte Sedlmayr in zahlreichen Heimatfilmen mit, hauptsächlich in kleinen Nebenrollen neben Stars wie Heinz Rühmann, Liselotte Pulver und O. W. Fischer.
1971 wurde die kurz zuvor aus der Schlosskapelle Blutenburg gestohlene Blutenburger Madonna in Walter Sedlmayrs Haus in Feldmoching gefunden. Der inzwischen zu einem der „Hausschauspieler“ von Regisseur Rainer Werner Fassbinder aufgestiegene Sedlmayr wurde wegen des Verdachts auf Diebstahl und Hehlerei in Untersuchungshaft genommen. Nach fünf Tagen wurde der Haftbefehl gegen Sedlmayr durch das Landgericht München I aufgehoben; der Fall wurde jedoch nie geklärt.[1] Der Vorfall machte ihn schlagartig bekannt und verhalf ihm zu größeren Rollen, darunter die auf ihn zugeschneiderte Hauptrolle in dem Syberberg-Film Th. Hierneis oder: wie man ehem. Hofkoch wird, die ihm auch den künstlerischen Durchbruch bescherte.
In der Folgezeit spielte Walter Sedlmayr in zahlreichen Fernsehserien, darunter Münchner Geschichten, Der Herr Kottnik und Der Millionenbauer. Der Erfolg der Serie Polizeiinspektion 1 1977 bis 1988 mit Uschi Glas und Elmar Wepper trug sehr zur Popularität und Bekanntheit von Sedlmayr bei. Ab 1982 trat Sedlmayr alljährlich bei der traditionellen Starkbierprobe auf dem Nockherberg auf und las beim Derbleck’n den Politikern die Leviten. Nebenbei drehte er auch anspruchsvolle Reise-Dokumentationen und war als Werbeträger für die Paulaner-Brauerei, Nescafé und TUC-Kräcker tätig.
Seit den 1980er-Jahren arbeitete er auch beim Bayerischen Rundfunk und hatte unter anderem auf Bayern 1 die wöchentliche Radiosendung Beehren Sie uns bald wieder. Zudem spielte er in der Hörfunk-Reihe Er und Sie zusammen mit Ruth Kappelsberger. 1990 moderierte er eine wöchentliche Sendung beim privaten Klassiksender Radio Belcanto.
Geschäftliches
Durch Film- und Werbeeinnahmen, Erbschaften, An- und Verkauf von Antiquitäten und Kunstgegenständen sowie Immobilienhandel war Sedlmayr zu einem mehrfachen Millionär geworden.[2] Er eröffnete im Februar 1989 die Gastwirtschaft Beim Sedlmayr (vormals Fischerwirt) an der Westenriederstraße 14 in München, nahe dem Viktualienmarkt, deren Leitung er seinem Ziehsohn Wolfgang Werlé anvertraute. Mit diesem kam es im Mai 1990 zu einem schweren Zerwürfnis, weil Sedlmayr ihm vorwarf, ihn geschäftlich betrogen zu haben.[3]
Ermordung
Grab der Familie Sedlmayr
Am 15. Juli 1990 wurde Sedlmayr von seinem Privatsekretär tot im Schlafzimmer seiner Wohnung in der Elisabethstraße5 in München-Schwabing aufgefunden. Der Schauspieler war mit mehreren Messerstichen an Hals und Nieren verletzt und dann mit einem Hammer erschlagen worden.
Durch die Ermittlungen erfuhr die Öffentlichkeit erstmals vom Privatleben des Volksschauspielers. Sedlmayr stand zeitlebens im Spannungsfeld zwischen seinem bürgerlichen, konservativen Image als „Vorzeige-Bayer“ und seiner von ihm verheimlichten Homosexualität. Er hatte stets versucht, seine sexuellen Präferenzen zu verbergen, auch vor seinen Eltern.[4]
Die Ermittlungen der Polizei, die auch V-Männer einsetzte, konzentrierten sich zunächst auf die Stricherszene. Schon bald stellte sich jedoch heraus, dass die Auffindesituation am Tatort massiv gestellt gewesen war, weshalb auch der Leiter der Münchner Mordkommission Josef Wilfling angebliche Neigungen Sedlmayrs zu sadomasochistischen Sexualpraktiken bestritt.[5][6] Zwischenzeitlich geriet der Privatsekretär durch ein dilettantisch gefälschtes Testament in Verdacht und wurde später wegen Urkundenfälschung verurteilt.[3]
Am 21. Mai 1991 wurden Sedlmayrs ehemaliger Ziehsohn Wolfgang Werlé und dessen Halbbruder Manfred Lauber festgenommen und 1993 in einem Indizienprozess zu lebenslanger Haft verurteilt, wobei bei Werlé die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde. Die Verlobte eines der Täter hatte einem V-Mann gestanden, dass die Tatwaffe aus ihrem Haushalt stamme, dies aber später widerrufen. Der Haupttäter wurde durch ein ebenfalls widerrufenes Geständnis vor Mithäftlingen belastet.[3] Die Halbbrüder bestritten auch weiter die Tat, Versuche eines Wiederaufnahmeverfahrens scheiterten jedoch mehrmals, zuletzt 2005, als die Verteidiger sich auf die Aussagen einer Putzfrau und auf die an einem Türrahmen gefundenen Fingerabdrücke eines vorbestraften Mannes beriefen, der sich in Sedlmayrs Wohnung aufgehalten hatte und nach dem Mord nach Spanien geflüchtet war.
Werlé wurde im August 2007,[7] Lauber im Januar 2008 auf Bewährung entlassen.[8] Da bei Werlé die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde, wäre eine Bewährung nach 15 Jahren nicht möglich gewesen, aber bereits nach 16 Jahren wurde sie aufgrund einer positiven Sozialprognose gewährt.[9] Beide versuchten mit zahlreichen Unterlassungsverfügungen gegen Onlinearchive die Löschung ihrer Namen zu erreichen. Eine solche Löschung wurde vorübergehend auch in der deutschsprachigen Wikipedia vorgenommen. Im November 2009 legte der Bundesgerichtshof die Klage eines der Täter auf Nichtnennung seines Namens im Internet-Angebot eines österreichischen Medienunternehmens dem Europäischen Gerichtshof vor, um unter anderem die Zuständigkeit deutscher Gerichte zu klären.[10][11]
Der Bundesgerichtshof entschied am 15. Dezember 2009, dass die Verurteilten keinen Anspruch auf Entfernung ihrer Namen aus Internetarchiven haben, dies würde eine unzulässige Einschränkung der Meinungs- und Medienfreiheit bedeuten.[12] Der Versuch, auch der amerikanischen Wikimedia Foundation die Nennung der Namen auf der englischsprachigen Seite von Wikipedia zu verbieten, zeigte dort nie Wirkung, sondern bewog amerikanische Zeitungen wie die New York Times sogar, die Namen unter Verweis auf die im ersten Zusatzartikel der US-Verfassung garantierte Redefreiheit zu nennen.[5][13] Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte die Sichtweise des Bundesgerichtshofes im Juni 2018,[14] wonach die Medien die Aufgabe hätten, sich an der Meinungsbildung zu beteiligen, indem sie der Öffentlichkeit die in ihren Archiven verwahrten Informationen zur Verfügung stellten. Dies überwiege gegenüber dem Recht verurteilter Straftäter auf Vergessen.[15]
Beerdigung
Die Trauerfeier fand in der Aussegnungshalle des Münchner Nordfriedhofs statt. Nach der Einäscherung wurde seine Urne auf dem Bogenhausener Friedhof in München beigesetzt.[16][17]
Darstellung im Film
2001 wurde Sedlmayrs Geschichte in der Fernsehproduktion Wambo von Jo Baier mit Jürgen Tarrach in der Hauptrolle verfilmt.
In der ARD-Reihe Die großen Kriminalfälle (Staffel 1, Folge 6) wurde der Fall Sedlmayr nachgestellt.
In der ZDF-Doku Aufgeklärt - Spektakuläre Kriminalfälle(Falsche Fährten: Der Fall Walter Sedlmayr) wird die Mordermittlung durch die Psychologin Katinka Keckeis und den ehemaligen Profiler Axel Petermann neu aufgerollt.[18]
Filmographie
Kino
1949: Die drei Dorfheiligen
1951: Heidelberger Romanze
1952: Jede Frau kann zaubern
1952: Zwei Menschen
1952: Der Weibertausch
1952: Der Herrgottschnitzer von Ammergau
1953: Ehestreik
1953: Die Mühle im Schwarzwäldertal
1954: Die kleine Stadt will schlafen gehn
1954: Rosen-Resli
1955: Ich weiß, wofür ich lebe
1955: Der Frontgockel
1955: Königswalzer
1955: Drei Mädels vom Rhein
1956: Hilfe – sie liebt mich!
1957: Der Jäger von Fall
1957: Heiraten verboten
1958: Der Pauker
1959: Der Schäfer vom Trutzberg
1959: Dorothea Angermann
1959: Menschen im Netz
1959: Buddenbrooks
1965: Die fromme Helene
1970: Das Glöcklein unterm Himmelbett
1970: Mathias Kneißl
1972: Händler der vier Jahreszeiten
1972: Die Moral der Ruth Halbfass
1972: Strohfeuer
1972: Th. Hierneis oder: wie man ehem. Hofkoch wird
1974: Der gestohlene Himmel (alternativer Titel Wetterleuchten über dem Zillertal)
1974: Das Andechser Gefühl
1975: Faustrecht der Freiheit
1975: Das Amulett des Todes
1975: Lina Braake
1977: Die Jugendstreiche des Knaben Karl
Fernsehen
Fernsehfilme
1956: Der Vogelhändler
1958: Die Mustergattin (nur Regie)
1960: Ein gewisses Röcheln (Regie & Autor)
1960: Nichts neues bei Herrn Müller (Regie & Autor)
1961: Der jüngste Tag
1961: Der Sonntagsausflug (nur Regie)
1962: Der Marquis von Keith
1962: Einen Jux will er sich machen
1962: Diamantenwirbel
1963: Nach Mitternacht im Studio (nur Regie)
1963: Das ist die Höhe
1963: Millionär für 3 Tage (nur Regie)
1964: Bei Tag und Nacht
1965: Die Raubritter von München (nur Regie)
1965: Radetzkymarsch
1966: Italienische Nacht
1966: Magdalena
1969: Frei bis zum nächsten Mal
1969: Der Rückfall
1970: Baal
1970: Niklashauser Fart
1971: Rio das Mortes
1971: Pioniere in Ingolstadt
1972: Bremer Freiheit
1972: Das feuerrote Spielmobil - Märchenbox: "Doktor Allwissend"
1973: Welt am Draht
1973: Steig ein und stirb
1973: Die Schießübung, Politkomödie, ausgestrahlt am 8. Januar 1975 um 22:05 vom ZDF, Spieldauer 95 Minuten. Regie Norbert Kückelmann, Kamera Jürgen Jürges, Darsteller neben Sedlmayr u.a. noch Wilfried Klaus und Maximilian Raab[19][20][21][22]
1974: Die Reform
1974: Die Kurpfuscherin
1975: Ein deutsches Attentat
1976: Hände gut alles gut
1976: Der verkaufte Großvater
1977: Zeit der Bewährung
1979: Anton Sittinger
1981: Mein Freund, der Scheich
1984: Rambo Zambo
Fernsehserien
Am Sonntag gehört Vati uns
1964: Die Axt im Haus (nur Regie)
1964: Die Geburtstagsüberraschung (nur Regie)
1964: Wir sind nicht zu Hause (nur Regie)
Das Kriminalmuseum
1964: Das Kriminalmuseum – Der stumme Kronzeuge
1964: Das Kriminalmuseum – Gesucht: Reisebegleiter
1950: D'Noaderin is da von Therese Bauer-Peissenberg. Rolle: Knecht. Regie: Hans Stadler. Produktion: Bayerischer Rundfunk
1968: Joel Brand von Heinar Kipphardt. Rolle: Sedlaczek. Regie: Walter Ohm. Produktion: BR/SWF.
1970: Bruder der Braut von Ernst Bruun Olsen. Rolle: Pfarrer. Regie: Martin Sperr. Produktion: Bayerischer Rundfunk.
1972: Keiner ist böse und keiner ist gut von Rainer Werner Fassbinder. Rolle: Großvater. Regie: Rainer Werner Fassbinder. Produktion: Bayerischer Rundfunk.
1974: Agathe von Franz Hiesel. Rolle: Herr Schlick. Regie: Heinz-Günter Stamm. Produktion: BR/SFB.
1975: Die Geschichten vom Fräulein Pollinger von Ödön von Horváth. Rolle: Anton Maria Lachner. Regie: Ulrich Heising. Produktion: BR/SFB.
1979: Adele Spitzeder von Martin Sperr. Rolle: Wastl, der Wirt. Regie: Wolf Euba. Produktion: Bayerischer Rundfunk.
1979: I gib mi in deine Händ von Herbert Regele. Rolle: Pharisäer. Regie: Wilfried Feldhütter. Produktion: Bayerischer Rundfunk.
Auszeichnungen
1973: Bundesfilmpreis für Theodor Hierneis oder: Wie man ehem. Hofkoch wird
1973: Adolf-Grimme-Preis für das interessanteste Experiment für Theodor Hierneis oder: Wie man ehem. Hofkoch wird (zusammen mit Hans-Jürgen Syberberg)
1978: Ludwig-Thoma-Medaille der Stadt München
1983: Bayerischer Poetentaler
1984: Bundesverdienstkreuz am Bande
2000: Nach ihm wurde der Walter-Sedlmayr-Platz in Feldmoching benannt.
Veröffentlichungen
Walter Sedlmayr: Alles nicht so wichtig. (mit Illustrationen von Josef Oberberger) Rosenheimer Verlagshaus, Rosenheim 1984, ISBN 3-475-52414-7.
Hannes Burger: Walter Sedlmayrs Salvator-Reden. Süddeutscher Verlag, München 1988, ISBN 3-7991-6405-7.
Literatur
Petra Cichos: Mordakte Walter Sedlmayr. Detaillierte Buch-Dokumentation der originalen Ermittlungsakten aus dem Staatsarchiv München, Cichos Press, München 2018, ISBN 978-3-9818678-4-8.
Hermann J. Huber: Langen Müller’s Schauspielerlexikon der Gegenwart. Deutschland. Österreich. Schweiz. Albert Langen • Georg Müller Verlag GmbH, München • Wien 1986, ISBN 3-7844-2058-3, S.863.
Sybille Krafft: Bayerische Volksschauspieler. 12 persönliche Porträts von Sybille Krafft. Allitera Verlag, München 2013, ISBN 978-3-86906-535-9.
Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 7: R – T. Robert Ryan – Lily Tomlin. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S.238.
Walter Sedlmayr, Internationales Biographisches Archiv 39/1990 vom 17. September 1990, im Munzinger-Archiv, abgerufen am 14. November 2013(Artikelanfang frei abrufbar)
Gisela Friedrichsen:„Bescheißt du mich eigentlich?“ In: Der Spiegel. Nr.49, 1992 (online–30.November 1992).
Diese Woche im Fernsehen. In: Der Spiegel. Nr.1, 1975, S.95 (online–6.Januar 1975).
Maria Sedlmayr in der Datenbank von Find a Grave (englisch)Vorlage:Findagrave/Wartung/Verschiedene Kenner im Quelltext und in WikidataVorlage:Findagrave/Wartung/Wirkungslose Verwendung von Parameter 2 und Walter Sedlmayr in der Datenbank von Find a Grave. Abgerufen am 29.Mai 2021 (englisch).
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