Hou Hsiao-Hsien (chinesisch侯孝賢/侯孝贤, PinyinHóu Xiàoxián, JyutpingHau4 Haau3jin4, Pe̍h-ōe-jīHâu Hàu-hiân; * 8. April 1947 in Meixian, Republik China) ist ein taiwanischer Filmregisseur, Drehbuchautor, Filmschauspieler und Filmproduzent. Weitere Namen, unter denen er bekannt ist, sind Xiao Xian Hou, Xiao-Xian Hou und Hou Hao Yin.
Hou Hsiao-Hsien (2015)
Er war sechsmal für die Goldene Palme nominiert. Neben einem Goldenen Löwen und zwei FIPRESCI-Preisen durfte er 2005 den Akira Kurosawa Award[1] in Empfang nehmen. Hou Hsiao-Hsien erhielt 2007 den Ehrenleoparden des Filmfestivals von Locarno für sein Lebenswerk. Bei den 68. Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2015 erhielt Hou Hsiao-Hsien den Preis für die beste Regie für das Kampfkunst-Epos The Assassin.
Leben und Werk
Gemeinsam mit Edward Yang gehört er zu den führenden Vertretern der so genannten taiwanischen Nouvelle Vague.
Er wurde in Meixian in der südchinesischen Stadt Meizhou in Guangdong geboren, vor der Machtübernahme durch die Kommunistische Partei unter der Führung von Mao. 1948 wanderte seine Familie mit ihm nach Taiwan aus. Er gehört der Volksgruppe der Hakka an. Hou studierte an der National Taiwan Academy of the Arts. Nach seinem Schulabschluss im Jahre 1965 ging er drei Jahre zur Armee. Seine häufigen Kinobesuche weckten in ihm den Wunsch selbst Filme zu drehen.
Er wuchs mit Filmen aus Hollywood und Hongkong auf und lernte erst später Ozus Werk kennen.[2]
Seine ersten Filme entstammten populären Genres und entstanden noch innerhalb der kommerziellen taiwanischen Filmindustrie. Mit seinem Beitrag zu dem Episodenfilm The Sandwich Man wandte er sich persönlicheren Stoffen zu. Damit ging eine Suche nach einem dezidiert taiwanischen Stil einher.[3] Die folgenden Filme behandelten hauptsächlich das Landleben und waren bereits auf zahlreichen kleineren Festivals auf der ganzen Welt zu sehen. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit Eine Stadt der Traurigkeit, der auf dem Filmfestival Venedig im Jahr 1989 den Goldenen Löwen gewann. Dieses Werk war der erste Teil einer Trilogie, die sich mit der taiwanischen Geschichte beschäftigt – die weiteren Filme dieser Reihe sind Der Meister des Puppenspiels und Good Men, Good Women. Im weiteren Verlauf seiner Karriere setzte sich Hou vermehrt mit der urbanen Gegenwart Taiwans auseinander, in Filmen wie Goodbye South, Goodbye oder Millennium Mambo. Außerdem produzierte er in den letzten Jahren erstmals zwei Filme außerhalb Taiwans. Kōhi Jikō (Café Lumière) entstand 2003 in Japan als Tribut an den Regisseur Yasujiro Ozu. 2007 folgte die französische Produktion Le Voyage du ballon rouge mit Juliette Binoche in der Hauptrolle.
Häufige Kooperationspartner sind Mark Lee Ping-Bin (李屏賓) an der Kamera, Chu Tien-Wen (朱天文) als Autorin und Li Tianlu (李天祿) als Darsteller. Als Fürsprecher hervorgetan haben sich vor allem Village Voice und die Film Society of Lincoln Center mit einer Retrospektive 1999.[4] Das Babylon in Berlin-Mitte brachte seine handlungsarmen, dabei doch elliptisch schwierigen Werke und ihn persönlich nach Deutschland, von wo er wegen der Trauerfeier für Edward Yang vorzeitig abreiste.[5] Die Cahiers du cinéma kennen ihn auch einprägsam als „HHH“.[6] Dennoch sind viele Filme im deutschsprachigen Raum derzeit nicht erhältlich, geschweige denn im Fernsehen zu sehen.[7]Eine Stadt der Traurigkeit rührte an einem Tabuthema, dem Zwischenfall vom 28. Februar, aus einem Land, wo „nationale Identität ein permanentes Fragezeichen ist“ (Kent Jones[8]).
Neben der Abkehr von der Hollywooddramaturgie oder überhaupt jeder Dramaturgie[9] werden seine Stärken insbesondere in der Mise-en-scène und der Cadrage[10] bei langen Takes erkannt. Die späten Filme buhlen nicht um das Verständnis des Zuschauers und liefern kaum Orientierung, dafür Stoff fürs Denken.[11][12][13][14] Bei einem nach keiner Dimension eingegrenzten Objektraum, einer offenen Form[15][16] der Welt zwischen Auftritten und Abgängen und filmsprachlich leeren Zeichen wirken seine Szenen oft wie aus der Realität herausgeschnitten.[17] Mit dem durchgängig in Gelbtöne getauchten, labyrinthischen Flowers of Shanghai ohne Schnitte und Eine Stadt der Traurigkeit ohne Nahaufnahmen neigt er in seinem Œuvre selbstbeschränkend dem Minimalismus zu. Three Times fällt durch auch werkübergreifende motivische Konstruktion auf. In intimen Innenräumen und oft zu Klavierbegleitung ist in den jüngeren Filmen mehr Farbigkeit[18] auszumachen. Das Lexikon des Internationalen Films spricht vom „strengen Stil“, Kent Jones vom Ästhetizismus,[8] J. Hoberman von einer „Neugeburt des Kinos selbst“.[19]
„Doch gibt es hier ausgesprochen artifizielle Fahrten, mit denen der szenische Raum in diskrete Einheiten gegliedert wird – Kamerabewegungen also, in denen die konventionelle Begleitung der Bewegung der Figur keine Rolle spielt. […] Die Neukadrierung des Bildes durch die Bewegungen der Kamera stellen Entdeckungsfahrten im Raum dar […] Daneben gibt es nun strenge Achsensprünge […] es gibt keine Szenenauflösungen wie im westlichen Kino“
– Rainer Rother: Lexikon des Internationalen Films
Fergus Daly schlug 2001 vier prosaische Formeln vor, die seine Ästhetik umreißen könnten:[11][20]
Das historische Gedächtnis ist unpersönlich.
Meine Erfahrungen gehören nicht mir.
Der Kern der Aufnahme treibt immerfort aus dem Bereich.
Wir sind Anhäufungen von Zeichen und Affekten, die Form vom Licht bekommen.
„Kohi Jikou war […] ein Bilderbogen von ausgesuchter Genauigkeit: statische Einstellungen, von extremer Nüchternheit. Das Leben, nichts anderes steht im Zentrum von Hous beiläufigem Erzählen. […] ‚Im Kino schlafen, heißt, dem Film vertrauen.‘ hat mal einer treffend gesagt.“
„Hou Hsiao-Hsien ist ein gutes Beispiel für jemanden, der sich quasi seine eigene Filmsprache erfunden hat. […] Im Wesentlichen hat er aufgehört, manipulativ zu sein. Er ist beobachtend geworden. Er gibt dem Publikum alle Informationen, die es benötigt, aber sehr minimal. Er hat weggenommen und weggenommen und wieder weggenommen, bis zu dem Punkt, dass gerade noch genug daran ist, die wesentlichen Punkte zu kommunizieren.“
1997 – HHH – Un Portrait de Hou Hsiao-Hsien (Regie: Olivier Assayas)
Auszeichnungen (Auswahl)
2020: Lebenswerk-Preis der Los Angeles Film Critics Association
Literatur
Rainer Rother:Variationen im strengen Stil – Hou Hsiao-hsien. In: Katholisches Institut für Medieninformation [KIM] und Katholische Filmkommission für Deutschland (Hrsg.): Lexikon des Internationalen Films. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-86150-455-3 (Red. Horst Peter Koll, Stefan Lux und Hans Messias unter Mitarb. von Jörg Gerle, Josef Lederle und Ralf Schenk, begr. von Klaus Brüne).
David Bordwell:Figures Traced in Light. University of California Press, Berkeley 2005, ISBN 0-520-24197-5.
Jean-Michel Frodon (Hrsg.):Hou Hsiao-Hsien. Cahiers du Cinema Livres, Paris 1999, ISBN 2-86642-249-X.
James Udden: No Man an Island: The Cinema of Hou Hsiao-Hsien, Hongkong University Press 2009, ISBN 962-209-074-5
Hou Hsiao: Flowers of shanghai. In: Fox Lorber Films (Hrsg.). Winstar Cinema, New York 1998, ISBN 0-7942-0105-9.
Hou Hsiao: Stadt der Traurigkeit. In: Fox Lorber Films (Hrsg.). Winstar TV & Video, New York 1993, ISBN 0-7942-0091-5.
Richard I. Suchenski (Hrsg.): Hou Hsiao-hsien, FilmmuseumSynemaPublikationen Band 23, Wien: SYNEMA - Gesellschaft für Film und Medien, 2014, ISBN 978-3-901644-58-0
18th Tokyo International Film Festival.(Nicht mehr online verfügbar.)In:tiff-jp.net.Tokyo International Film Festival,archiviertvomOriginalam6.Oktober 2008;abgerufen am 16.Oktober 2008(englisch).
Rother, S. F 17.
Archibald, s. Weblinks: „Hou Hsiao-Hsien is a very good example of someone who kind of invented his own film language […] Basically he stopped being manipulative. He became observational. He provided the audience with everything they needed, all the information they needed, but very minimally. He would cut back, cut back, cut back, until he thought he had the minimum necessary to communicate the essential points“.
Kent, siehe Weblinks: „Hou may require a bit of brainwork from the viewer“.
zur offenen Form vgl. James Monaco: Film verstehen, S. 188 f.
vgl. Robin Wood:City of Sadness.In:Film Reference.Abgerufen am 10.November 2020(englisch):„giving a constant sense of lives continuing beyond the image“
vgl. Jeffrey M. Anderson:Flight of the Red Balloon (2008).In:Combustible Celluloid.Abgerufen am 10.November 2020(englisch):„Like most of Hou’s work, the individual scenes play out like slices of life“
Rother, S. F 18.
Ng, siehe Weblinks.
Fergus Daly:On Four Prosaic Formulas Which Might Summarize Hou's Poetics.(Nicht mehr online verfügbar.)In:Senses of Cinema.2001,archiviertvomOriginalam5.Dezember 2008;abgerufen am 10.November 2020(englisch):„1. Historical memory is impersonal. 2. My experiences don't belong to me. 3. The shot's centre of focus is forever drifting out-of-field. 4. We are clusters of signs and affects given form by light“
Anmerkung: Bei diesem Artikel wird der Familienname vor den Vornamen der Person gesetzt. Das ist die übliche Reihenfolge im Chinesischen. Hou ist hier somit der Familienname, Hsiao-hsien ist der Vorname.
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