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Jean-Pierre Ponnelle (* 19. Februar 1932 in Paris; † 11. August 1988 in München) war einer der bedeutendsten Regisseure des Musiktheaters (Opernregisseur) und ein innovativer Bühnen- und Kostümbildner.

Jean-Pierre Ponnelle, 1980
Jean-Pierre Ponnelle, 1980

Leben


Ponnelle wuchs in einer musischen Familie auf. Sein Großvater, ein Weinhändler und Musikkritiker, war mit dem Komponisten Richard Strauss befreundet. Aufmerksam förderten Ponnelles Eltern seine künstlerischen Kenntnisse und Fähigkeiten. Acht Jahre lang erhielt er den in großbürgerlichen Kreisen üblichen Klavierunterricht. Die Mutter, Mia Ponnelle, geb. Reiter, eine Sängerin aus einer ungarisch-tschechischen Theaterfamilie, und der Vater, Pierre Ponnelle, Weinhändler und Journalist, besaßen ein Weingut in Beaune (Burgund).[1] Ab 1942 unterstützte Ponnelle père die Résistance, später okkupierte die deutsche Armee ihren Wohnsitz. Die französische Militärregierung beauftragte 1945 u. a. Pierre Ponnelle als Offizier für kulturelle Angelegenheiten mit dem Aufbau eines neuen Rundfunksenders, dem Südwestfunk.

Bis 1948 verbrachte Jean-Pierre Ponnelle seine letzten Schuljahre im französischen Gymnasium in der Cité von Baden-Oos. Der Umgang und Austausch mit bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten, die bei den Ponnelles ein und aus gingen, verstärkten noch einmal diesen Wunsch nach kreativer Betätigung bei Ponnelle fils. Unter den Freunden des Hauses befanden sich Persönlichkeiten wie Heinrich Strobel, der einflussreiche Hauptabteilungsleiter für Musik beim SWF, der Baden-Baden und Donaueschingen zu Zentren der zeitgenössischen Musik machte; Hans Rosbaud, der Chefdirigent des Rundfunkorchesters, bei dem Ponnelle fils Musikunterricht erhielt; Pierre Boulez, Avantgardekomponist und zeitweiliger Nachfolger von Rosbaud, seit 1958 in Baden-Baden wohnend; Hannes Tannert, der Intendant des Baden-Badener Theaters, der Jean-Pierre Ponnelle zu vielen Engagements zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Margit Saad einlud, darunter „Les Caprices de Marianne“, womit man 1963 auf den Berliner Festwochen auftreten durfte; aber auch Hans Werner Henze, den Ponnelle auf den Donaueschinger Musiktagen kennenlernte. Henze debütierte 1950 mit seinem Ballettstück „Jack Pudding“ in Wiesbaden und für das Bühnenbild und die Kostüme beauftragte er seinen Freund Jean-Pierre. Beide gingen sie nach Paris, Ponnelle studierte an der Sorbonne Kunstgeschichte und Philosophie sowie Malerei bei Fernand Léger; später arbeiteten sie noch mehrmals gemeinsam zu Henzes Stücken, darunter Ponnelles Durchbruch mit der Oper Boulevard Solitude (1952).

Im März 1959 wurde Ponnelle zum Militärdienst in Frankreich eingezogen. Da er pazifistisch eingestellt war, verzichtete er auf eine Nutzung der privilegierten Offizierslaufbahn, die ihm als Abiturient offengestanden wäre. Es wurde ein zweieinhalbjähriges Martyrium in der marokkanisch-algerischen Wüste, unterbrochen von zwei Malaufträgen: ein Fresko in der Turnhalle der Kaserne von Rabat; sodann ein Kreuzabnahme-Triptychon für die katholische Militärkapelle „Notre-Dame de la Paix“ in Baden-Oos auf Veranlassung von General Paul Vanuxem, stellvertretender Generalkommandeur der französischen Truppen in Deutschland, davor Professor für Philosophie. Es gilt als sein bedeutendstes Gemälde, misst 265 × 657 cm und ist seit 1968 in der Militärkapelle von Évreux (Normandie); die Besitzer der Firma Schmincke (Düsseldorf), mit denen die Ponnelles befreundet waren, stellten ihm umsonst die Ölfarben. Ein ganzes glückliches Jahr durfte er dadurch mit seiner Familie in Baden-Baden verbringen. So fuhr man mehrmals nach Colmar, um den Isenheimer Altar von Matthias Grünewald zu besichtigen und genoss die elsässische Küche. Dann musste er wieder zurück in die Wüste und in den Algerienkrieg. Von dieser feindseligen Umwelt aufs Äußerste bedrängt, reifte sein Entschluss, sich nicht länger auf die Herstellung von Bühnenbild und Kostümen zu beschränken, sondern ein ganzes Werk als Regisseur zu durchdringen und zu beherrschen. In die oberrheinische Region wurde er wieder 1965 von seinem Freund Germain Muller, Elsass' bedeutendstem Kabarettisten und damaligem Kulturbeauftragten der Stadt Straßburg, zu einer Opernproduktion eingeladen. Dieser Inszenierung von Brittens Sommernachtstraum sollten noch elf weitere aufsehenerregende Engagements in Straßburg folgen.


Künstlerische Laufbahn


Catherine Malfitano, Traviata, 1980.
Catherine Malfitano, Traviata, 1980.

Ponnelle beschränkte sich in den 50er Jahren noch auf den Entwurf von Bühnenbildern und Kostümen für Oper, Schauspiel und Ballett; er blieb also stets im Hintergrund, hinter den Kulissen. Das wollte er nach seiner traumatischen Kriegszeit in Algerien ändern. Zunächst erweiterte er seinen Aktionsradius auf die Theaterregie. Sein Mentor, der Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses Karl Heinz Stroux, förderte und betraute ihn 1961 mit Albert Camus' Caligula. Zwei Jahre später folgte die erste Opernregie mit Richard Wagners Oper „Tristan und Isolde“.

1968 feierte er mit Gioachino Rossinis Der Barbier von Sevilla mit Dirigent Claudio Abbado bei den Salzburger Festspielen den internationalen Durchbruch. 20 Jahre in Folge arbeitete er nun für diese Festspiele, wovon besonders seine Mozartzyklen hervorzuheben sind: Così fan tutte (1969, Dirigent Seiji Ozawa), Le nozze di Figaro (1972, Dirigent Herbert von Karajan) (wurde auch in Wien gezeigt), Don Giovanni (1977, Dirigent Karl Böhm), La clemenza di Tito (1976, Dirigent James Levine), Die Zauberflöte (1978, Dirigent James Levine) und Idomeneo (1983, Dirigent James Levine). Außerdem inszenierte Jean Pierre Ponnelle in Salzburg Les contes d’Hoffmann (1980, Dirigent James Levine), und Moses und Aron (1987, Dirigent James Levine) und schuf die Ausstattung zu Il Sant’Alessio (1977).

Ende der 70er Jahre erarbeitete er zusammen mit Nikolaus Harnoncourt den Claudio-Monteverdi-Zyklus am Opernhaus Zürich. Wichtige Arbeiten Ponnelles entstanden auch an der Mailänder Teatro alla Scala – etwa 1973 La Cenerentola – sowie an der Wiener Staatsoper – 1971 Manon, 1985 Cavalleria rusticana / Pagliacci und 1987 L’italiana in Algeri (wurde auch in München gezeigt)

Für Salzburg entwickelte er eine spezielle Fassung der Zauberflöte, die sogenannte Kinder-Zauberflöte: Dabei wurde nicht nur die Handlung der Mozart-Oper erklärt und dargestellt – Conferencier war Papageno –, sondern auch die Theaterarbeit erläutert, indem Ponnelle selbst auf der Bühne der Felsenreitschule als Regisseur auftrat. Als Schauspielregisseur war er auch später gelegentlich aktiv, etwa am Akademietheater in Wien mit Man spielt nicht mit der Liebe von Alfred de Musset (1973; u. a. mit Paul Hörbiger).


Arbeitsweise


Ponnelle arbeitete in seinem Künstlerleben für 303 Inszenierungen und brauchte dafür nur 36 Bühnenjahre, was durchschnittlich 8 ½ Stücken pro Jahr entspricht. Ponnelle setzte sich für jede Inszenierung eine Probenfrist von zumeist 4 Wochen, die er fast immer einhielt. Als vermutlich erster Regisseur des Musiktheaters inszenierte er mehrere Stücke gleichzeitig in verschiedenen Städten. Ponnelle las die Noten grundsätzlich aus der Orchesterpartitur, nur ausnahmsweise aus dem leichteren Klavierauszug.

Sein Inszenierungsstil war getragen von einer zuweilen ironischen, aber letztlich mitfühlsamen Menschlichkeit für seine Bühnenfiguren. Ponnelle verwahrte sich energisch gegen jegliche, vordergründige Aktualisierung. Das Werk sollte für sich allein sprechen, für ihn hatte es genug Aussagekraft. Er konnte sich fließend in vier Sprachen mit seinen Bühnenkollegen verständigen und nötigenfalls auch Libretti neu in die Sprache des Aufführungslandes übertragen.

Der Preis seiner Theaterbesessenheit und der Raubbau an seiner Gesundheit war ein viel zu früher Tod mit 56 Jahren. Bereits 1982 und 1988 zwang ihn seine angeschlagene Gesundheit zu längeren Klinikaufenthalten. Mit der physischen Erschöpfung ging auch ein kreativer Stillstand einher in Form von zunehmenden Wiederholungen. Seine Kenntnisse und Routine sicherten aber immer ein überdurchschnittliches Maß an handwerklicher Qualität.

Im Sommer 1988 fiel er bei Proben in Tel Aviv in den ungesicherten Orchestergraben. Von den Folgen des Sturzes erholte er sich nur scheinbar; er arbeitete weiter und starb wenige Wochen später in einem Münchner Krankenhaus an Herzversagen am 11. August 1988.

Ponnelle war verheiratet mit der Schauspielerin Margit Saad-Ponnelle (* 1929), hatte mit ihr einen gemeinsamen Sohn, den Dirigenten und Komponisten Pierre-Dominique Ponnelle (* 1957). Sein zweiter Sohn Jean-Philippe wurde 1985 geboren. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris. Der Grabstein wurde von dem Bildhauer Ulrich Rückriem gestaltet. Das Grab befindet sich in der 49. division, 2-ème section, 1/45e ligne, numéro 33/50, concession Nr. 262.


Die Opernverfilmungen: Ponnelles Vermächtnis


Was der Nachwelt von Ponnelles Werk vor allem erhalten bleibt, das sind seine Opernfilme, die er seit Anfang der 70er Jahre als Regisseur und Bühnenbildner machte, dabei großzügig unterstützt vom Medienmagnaten Leo Kirch. Andere Opernfilme erweisen Ponnelle bis heute ihre Reverenz. Besonders bekannt geworden sind die Verfilmungen der szenischen Werke Claudio Monteverdis, seiner Inszenierungen von Wolfgang Amadeus Mozarts Opern bei den Salzburger Festspielen und der Carmina Burana von Carl Orff, ausgezeichnet mit dem Regiepreis des Prix Italia.


Opernverfilmungen



Sekundärliteratur





Zitate



Quellen


  1. Familie Ponnelle
  2. Manuel Brug: „Keine Schaulust mehr, nirgends“, Die Welt, 1. März 2002
  3. Inhaltsangabe von The opera theatre of Jean-Pierre Ponnelle
  4. Wagner-Forum (Memento vom 1. August 2003 im Internet Archive), 27. Februar 2001
Personendaten
NAME Ponnelle, Jean-Pierre
KURZBESCHREIBUNG französischer Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner
GEBURTSDATUM 19. Februar 1932
GEBURTSORT Paris
STERBEDATUM 11. August 1988
STERBEORT München

На других языках


- [de] Jean-Pierre Ponnelle

[fr] Jean-Pierre Ponnelle

Jean-Pierre Ponnelle est un metteur en scène, décorateur et costumier d’opéra français né le 19 février 1932 à Paris et décédé le 11 août 1988 à Munich.

[ru] Поннель, Жан-Пьер

Жан-Пьер Понне́ль (фр. Jean-Pierre Ponnelle; 19 февраля 1932, Париж — 11 августа 1988, Мюнхен) — французский оперный режиссёр, постановщик и сценограф.



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