Klaus Gietinger (* 28. Februar 1955 in Lindenberg im Allgäu) ist ein deutscher Buchautor, Drehbuchautor, Filmregisseur und Sozialwissenschaftler.
Klaus Gietinger (2009)
Leben
Gietinger absolvierte ein Studium der Sozialwissenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen mit dem Abschluss Diplom-Sozialwirt.
Nach Abitur und Zivildienst überzeugte er seine Freunde Leo Hiemer, Georg Veit und Fritz Günthner, bei Splatterversionen von Kinoklassikern mitzuwirken (so ‚Tarzan sieht rot‘ und ‚Der Meineidbauer‘, der 1977 beim Fest der jungen Filmer in Werl den ersten Preis gewann). Schließlich schlossen sich die Vier zur Westallgäuer Filmproduktion (WAF) zusammen.
Ein langer Spielfilm über den Allgäuer Bauernkrieg entstand (Lond it luck <lasst nicht locker>, 1979), der auf einer Tour durchs Allgäu Tausende von Zuschauern in Mehrzweckhallen und Hinterzimmer lockte, aber auch zu heftigen Diskussionen über die Nachwirkungen auf heutige Zustände führte.
Es folgten zwei radikale Kleine Fernsehspiele für das ZDF (Land der Räuber und Gendarmen, 1982 und Schwestern, 1983, zusammen mit Susanne Lob).
1984 entstand zusammen mit Leo Hiemer sein bekanntester Film Daheim sterben die Leut’, der, obwohl in westallgäuerischem Dialekt gedreht, mit Untertiteln versehen in der gesamten Republik ein Erfolg wurde und in seiner Heimatregion als „Kultfilm“ gilt. Nach 30 Jahren (2015) und kompletter Digitalisierung fand eine sehr erfolgreiche Wiederaufführung statt.
Er führte bei mehreren Folgen der Fernsehreihe Tatort Regie, für die er, wie auch für diverse andere Filme, das Drehbuch selbst verfasste.
Gietinger hat als Eisenbahnfan seit langem kein Auto mehr und nimmt seine Termine meist per Bahn wahr. Die Sanierungspläne und Stilllegungen der Deutschen Bahn betrachtet er auch in seinem Film Heinrich der Säger kritisch.
Klaus Gietinger bei der Gedenkveranstaltung für ermordete Volksmarine-Soldaten in der Französischen Straße 32 (Berlin) am 11. März 2019
Er recherchierte zu den Hintergründen der Ermordung von Rosa Luxemburg. Seine These ist dabei, dass dieser politische Mord, wie auch der an Karl Liebknecht, mit Billigung des Oberbefehlshabers Gustav Noske (SPD) erfolgte. Gietinger stützt sich dabei auf Aussagen von Waldemar Pabst. In weiteren politischen Texten arbeitete er das Thema des Aufstands und der Niederschlagung des Kronstädter Matrosenaufstands durch die russischen Bolschewiki auf. Sein Buch Totalschaden. Das Autohasserbuch führte zu diversen Auftritten in Talkshows. Sein Buch 99 Crashes erzählt vom Unfalltod berühmter Persönlichkeiten und ist eine Absage an diverse Verschwörungstheorien.
2008–2012 verfasste er mit dem Drehbuchautor und Regisseur Bernd Fischerauer zehn historische Fernsehspiele für BR-alpha, produziert von der Tellux-Film München. Außerdem führt Gietinger seit zehn Jahren auch Regie bei zahlreichen Folgen der Kinderserie Löwenzahn (ZDF). 2016 war die TV-Premiere seines langen Dokumentarfilms über Hitlers Mein Kampf (mit Douglas Wolfsperger, Produktion Tellux/ARD-Alpha).
Infolge seines 2017 ausgestrahlten Films Wie starb Benno Ohnesorg äußerte der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt im TAZ-Interview, dass die darin aufgeführten Beweise darauf schließen lassen, dass die Erschießung von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 Mord war.[1]
Anlässlich des 100. Jahrestages der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 2019 hat er sein Buch Eine Leiche im Landwehrkanal – Die Ermordung der Rosa Luxemburg überarbeitet und hält dazu im gesamten Bundesgebiet Vorträge.[2]
Gietinger schrieb auch in den Tageszeitungen Der Westallgäuer, Frankfurter Rundschau, junge Welt, Neues Deutschland, sowie für Lunapark21, Welt am Sonntag und Die Zeit.
Filmografie
Regie
1979: Lond it luck (Allgäuer Mundart, übersetzt: „Lasst nicht locker“)
1982: Land der Räuber und Gendarmen (auch Drehbuch)
1982: Schwestern (ZDF-Fernsehspiel)
1984: Daheim sterben die Leut’ (in Westallgäuer Mundart) (auch Drehbuch)
2016: Mein Kampf – Programm eines Massenmörders (langer Dokumentarfilm, TV, ARD-alpha/BR)
2017: Wie starb Benno Ohnesorg? - Der 2. Juni 1967, Dokumentarfilm, zus. mit Margot Overath und Uwe Soukup, RBB.[3]
2018: Lenchen Demuth und Karl Marx, Dokudrama über die berühmteste Haushälterin der Welt, SR.
Drehbuch
1992: Probefahrt ins Paradies
2001: Heirate mir!
2009: Hitler vor Gericht
2010: Der Staat ist für den Menschen da
2010: Gewaltfrieden I und II
2011: Konterrevolution – Der Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920
2011: Die Machtergreifung
2011: Der Weg zur Macht
2011: Europas letzter Sommer
2012: Die Reichsgründung
2012: Die nervöse Großmacht
2016: Revoluzzer
2016: Mein Kampf
2017: Wie starb Benno Ohnesorg
2018: Lenchen Demuth und Karl Marx
Publikationen (Auswahl)
Sachbücher
Eine Leiche im Landwehrkanal – Die Ermordung der Rosa L. Decaton Verlag, Mainz 1993. Erweiterte und überarbeitete Neuauflage unter dem Titel Eine Leiche im Landwehrkanal – Die Ermordung der Rosa Luxemburg. Nautilus, Hamburg 2009, ISBN 978-3-89401-593-0.
Inselkrimi Bahnhof Lindau: Vom Aufbruch zum Abbruch. 150 Jahre Ludwig Süd-Nord-Bahn. (mit Winfried Wolf u.a.), 2004
Der Konterrevolutionär. Waldemar Pabst - eine deutsche Karriere. 2009, ISBN 978-3-89401-592-3. Rezension hier:[4]
Totalschaden. Das Autohasserbuch. 2010, ISBN 978-3-938060-47-6.
99 Crashes - Prominente Unfallopfer. 2014, ISBN 978-3-86489-073-4
Die Kommune von Kronstadt. 2011, ISBN 978-3-00-033811-3
Chapeau – Das Westallgäu behütet die Welt. Die Geschichte der Hutproduktion in Lindenberg und Umgebung. Mit Georg Grübel und Manfred Röhrl, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2015, ISBN 978-3-89870-875-3.
mit Winfried Wolf: Der Seelentröster. Wie Christopher Clark die Deutschen von der Schuld am Ersten Weltkrieg befreit. Schmetterling, Stuttgart 2017, ISBN 3-89657-476-0.
November 1918 − der verpasste Frühling des 20. Jahrhunderts. Vorwort Karl Heinz Roth, Nautilus, Hamburg 2018 ISBN 978-3-96054-075-5.
Klaus Gietinger:Blaue Jungs mit roten Fahnen. Die Volksmarinedivision 1918/19. Unrast Verlag, Münster 2019, ISBN 978-3-89771-263-8.
Vollbremsung - Warum das Auto keine Zukunft hat und wir trotzdem weiterkommen. Westend, Frankfurt/Main 2019, ISBN 978-3864892806.
Plutonia Plarre:Gedenken an Benno Ohnesorg in Berlin: „Ich erwäge eine Entschuldigung“. In: Die Tageszeitung: taz. 1.Juni 2017, ISSN0931-9085 (taz.de[abgerufen am 1.Juli 2022]).
Sie hat das Leben einer freien Frau geführt. (Ausführliches Gespräch mit Claus-Jürgen Göpfert über Rosa Luxemburg). In: Frankfurter Rundschau vom 4. März 2021, S. 18–19
Jens Becker: Rezension zu Klaus Gietinger: Der Konterrevolutionär. Waldemar Pabst - eine deutsche Karriere. Hamburg 2009, in: H-Soz-Kult, 11. August 2009.
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