Manoel Cândido Pinto de Oliveira (* 11. Dezember 1908 in Porto; † 2. April 2015 ebenda[1]) war ein portugiesischer Filmregisseur und Drehbuchautor. Er galt seit 2001 bis zu seinem Tod als ältester noch aktiver Regisseur der Welt und als der einzige, der schon zur Stummfilmzeit gearbeitet hatte.
Dieser Artikel befasst sich mit dem Regisseur und Drehbuchautor Manoel de Oliveira. Zu anderen Personen siehe Manuel de Oliveira.
Leben
Oliveira wurde 1908 in eine wohlhabende portugiesische Familie in Porto geboren. Da er vor der portugiesischen Rechtschreibreform von 1911 geboren wurde, schrieb er seinen Namen bis zuletzt in seiner alten Schreibweise Manoel (statt der modernen Form Manuel). In jungen Jahren war er aktiver Sportler, u.a. auch Autorennfahrer. Er wollte zunächst Schauspieler werden und er nahm auch einige Filmrollen an. So trat er u.a. 1933 in der ersten ausschließlich portugiesischen Tonfilmproduktion des danach aufblühenden Portugiesischen Films auf, in Cottinelli Telmos Komödie Das Lied von Lissabon, an der Seite von Vasco Santana u.a. Doch der Film Berlin – Die Sinfonie der Großstadt von Walter Ruttmann beeinflusste ihn nachhaltig und regte ihn an, Filmregisseur zu werden. Sein erstes Werk entstand 1931 noch als Stummfilm: Douro, faina fluvial, ein Dokumentarfilm (deutscher Titel: Harte Arbeit am Fluss Douro) über den nordportugiesischen Fluss Douro, der in Oliveiras Heimatstadt mündet.
Seine erste Spielfilm-Regiearbeit Aniki Bóbó (1942) über Kinder des Hafenviertels in Porto war noch vor ViscontisBesessenheit von 1943 der erste Film des Neorealismus, jedoch kommerziell ein Misserfolg. Oliveira wandte sich von nun an der Herstellung von Portwein im familiären Weingut am Douro zu.[2] Oliveira begründete diese Pause damit, dass es während des repressiven Estado-Novo-Regimes in Portugal für ihn sehr schwer gewesen sei, Filme zu drehen.[3] Ende der 1950er Jahre beschäftigte er sich wieder verstärkt mit dem Kino. 1955 kam er für einige Zeit nach Deutschland, um sich mit dem Farbfilm vertraut zu machen. Er schaffte technisches Gerät an und stellte zwei Spielfilme in kompletter Eigenproduktion her, doch wurde ihm eine Aufführung nicht ermöglicht. Nach einem Dokumentarfilm (O Pão, 1959), bei dem er die Traditionen in Curalha, einer Gemeinde im Kreis (Concelho) von Chaves, kennenlernte, entschloss er sich erneut zu einem Spielfilm.[4]O Acto da Primavera (dt. Titel: Der Leidensweg Jesu in Curalha) gewann eine Goldmedaille beim Filmfestival von Siena und war ein Startsignal zu Oliveiras künftiger internationaler Orientierung. Der Film wurde jedoch nur ein Mal in Portugal gezeigt, und wegen einiger Dialoge wurde Oliveira von der Geheimpolizei PIDE vorübergehend inhaftiert.
Bis 1971 drehte er trotz aller Veränderungen im portugiesischen Film keine weitere Filme mehr, auch nicht, nachdem er 1967 auf der vom Filmklub Porto veranstalteten „Studienwoche zum portugiesischen Novo Cinema“ als Aushängeschild der jungen Bewegung anerkannt worden war,[5] und als deren Vorläufer O Acto da Primavera gilt. In einem Alter, in dem andere in Rente gehen, widmete sich Oliveira dann zunehmend mit ganzer Kraft dem Filmemachen. Seither entstanden gut 30Spielfilme, deren bekanntester Am Ufer des Flusses (1994) (Vale Abraão) sein dürfte. Sein Freund Wim Wenders gab de Oliveira 1994 in seinem Film Lisbon Story einen Gastauftritt, bei dem er sich selbst spielt.
„Oliveira war ein genuin europäischer Regisseur, der sich von Feuillade und nicht von Griffith ableitet. Sein Publikum, selbst wenn man das Fernsehen berücksichtigt, ist kein Massenpublikum“, schreibt der Filmhistoriker Thomas Brandlmeier.[6]
Oliveira führte nicht nur Regie, er wirkte auch am Drehbuch mit und betätigte sich bei Schnitt und Kameraführung sowie als Produzent.
Eine letzte Ehrung zu Lebzeiten Manoel de Oliveiras war die Wahl seines Kurzfilms Chafariz das Virtudes als Trailer der Viennale 2014.[7]
Filmografie (Auswahl)
1931: Harte Arbeit am Fluss Douro (Douro, faina fluvial)
Manoel de Oliveira erhielt die Ehrendoktorwürde der Universität der Algarve (2008) und der Universität Trás-os-Montes und Alto Douro (2011).
Siehe auch
Portugiesischer Film
Literatur
Yann Lardeau, Jacques Parsi, Philippe Tancelin: Manoel de Oliveira. Dis Voir, Paris 1996, ISBN 978-2906571044.
Petra Maier-Schoen (Hrsg.): Manoel de Oliveira (Schriftenreihe Münchener Filmzentrum). Münchener Filmzentrum, München 2004, ISSN 1434-4572.
Jorge Leitão Ramos: Dicionário do cinema português 1895–1961. Editorial Caminho, Alfragide 2012, ISBN 978-972-21-2602-1.
Jorge Leitão Ramos: Dicionário do cinema português 1962–1988. Editorial Caminho, Alfragide 1989, ISBN 972-21-0446-2.
Jorge Leitão Ramos: Dicionário do cinema português 1989–2003. Editorial Caminho, Alfragide 2005, ISBN 972-21-1763-7.
Sérgio C. Andrade: Ao correr do tempo – duas décadas com Manoel de Oliveira. Portugália Editora, Lissabon 2008, ISBN 978-972-9487-94-1.
Manoel de Oliveira – 100 anos. Begleitbuch zur 21-DVD-Box zum 100.Geburtstag. ZON Lusomundo, Lissabon 2008.
Thomas Brandlmeier: Manoel de Oliveira und das groteske Melodram. Verbrecher Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-940426-53-6. (Zum Buch auf der Verlagsseite)
Alcides Murtinheira, Igor Metzeltin: Geschichte des portugiesischen Kinos. Praesens Verlag, Wien 2010, ISBN 978-3-7069-0590-9.
Francesco Saverio Nisio: Manoel de Oliveira. Cinema, parola, politica. Recco (Ge), Le Mani, 2010, ISBN 978-88-8012-544-0.
Manuel António Pina: Aniki-Bóbó. Assírio & Alvim/Porto Editora, Porto 2012, ISBN 978-972-37-1659-7.
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