Sebastian Hartmann (* 18. Mai 1968 in Leipzig) ist ein deutscher Theaterregisseur und war von 2008 bis 2013 Intendant des Schauspiels Leipzig mit den Spielstätten Centraltheater, Skala, Spinnwerk und Weißes Haus. Seine Halbschwester ist Julia Hartmann.
Sebastian Hartmann, 2013
Leben
Hartmann arbeitete nach seinem Schauspielstudium an der Theaterhochschule „Hans Otto“ Leipzig (1988–1991, abgeschlossen 1992) zunächst als Theater- und Fernsehschauspieler, unter anderem zwischen 1991 und 1993 am Deutschen Nationaltheater Weimar und 1993–1994 am Carroussel-Theater in Berlin, ehe er selber zu inszenieren begann.[1]
1997 gründete er die freie Schauspielgruppe wehrtheater hartmann, ab 1999 war er zwei Jahre als Hausregisseur an der Volksbühne Berlin tätig, danach inszenierte er hauptsächlich an großen Häusern wie Hamburg und Köln, aber auch im Ausland, z.B. in Wien.[2] Zwischen 2001 und 2005 war Hartmann Hausregisseur am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und arbeitete daneben als freier Regisseur an verschiedenen Theatern im deutschsprachigen Raum.[1]
Aufsehen erregte er 1997 mit der Inszenierung von Sarah Kanes Antikriegsstück Zerbombt, die vom Rechteinhaber verboten wurde, da sie „nicht im Sinne der Autorin inszeniert“ worden sei.[3] 2006 löste seine Frankfurter Inszenierung des Massakerspiels von Ionesco einen Theaterskandal aus, als der Schauspieler Thomas Lawinky im Rahmen der Handlung dem Kritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Gerhard Stadelmaier, den Notizblock aus der Hand entriss und ihn verbal anging („Spiralblockaffäre“).
Im April 2007 wählte der Leipziger Stadtrat Hartmann zum neuen Intendanten des Schauspiels Leipzig. Zur Spielzeit 2008/2009 trat er die Nachfolge von Wolfgang Engel an. 2011 kündigte er an, seinen 2013 auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern.[4] 2014/15 inszenierte er als freier Regisseur mit Staub nach Seán O’Casey und Im Stein von Clemens Meyer zwei heftig diskutierte Stücke am Staatstheater Stuttgart.[5]
Hartmann ist mit der Schauspielerin Cordelia Wege verheiratet, mit der er vier Kinder hat.[6][7] Sie leben in Mecklenburg nahe der Brandenburgischen Grenze.[6][7]
Arbeitstechnik
Hartmann beabsichtigt mit seinen Stücken nach Ansicht des Munzinger, das Publikum zu verstören, indem er seine Stücke „fast völlig neu“ erfinde. Sie sollten „verwirren, wütend machen und helfen, die Thematik auf einer anderen Ebene als zuvor zu betrachten“.[1] Insbesondere in seiner Zeit als freier Regisseur versuchte er laut Christian Rakow in seinen Inszenierungen auch immer wieder, die „Grenze zum Zuschauerraum [zu] überschreiten“.[2]
Es gehe in Hartmanns Inszenierungen nicht darum, „jemanden etwas [zu] erzählen, sondern um ein gemeinsames Reflektieren, das mit der Aufführung nicht endet“, schreibt der Theaterjournalist und Dramaturg Alexander Kohlmann. Mit der Premiere „nimmt das Publikum an der endlosen Probenarbeit teil“.[8]
Hartmanns Inszenierungstechniken sind auch Teil seiner Ablehnung der gegenwärtigen hiesigen Theaterwelt. In einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung befand er, das deutsche Theater kreise seit einer gewissen Zeit nur noch um sich selbst und die Intendanten seien allesamt auf das Berliner Theatertreffen fokussiert, ohne noch zu wissen, weshalb sie dorthin sollten. Hartmann befürwortete stattdessen einen Generationenwechsel innerhalb der Intendanzen.[9]
Inszenierungen (Auswahl)
1997: Der Himmel blutet von Sebastian Hartmann, Theater unterm Dach Berlin
1997: Kalter Plüsch von Sebastian Hartmann, wehrtheater hartmann
1997: Tränen Spotten von Ferdinand Bruckner, wehrtheater hartmann
1997: Blasted – Zerbombt von Sarah Kane, Schaubühne Lindenfels Leipzig
1999: Clockwork Orange von Anthony Burgess, Junges Theater Göttingen
1999: Hinkemann von Ernst Toller, Theaterhaus Jena
1999: Gespenster von Henrik Ibsen, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (Berlin)[10]
2000: Warten auf Godot von Samuel Beckett, Junges Theater Göttingen
2000: Die Zofen von Jean Genet, Junges Theater Göttingen
2000: Stalker von Andrej Tarkovskij, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (Berlin) (Prater)[11]
2000: Traumspiel von August Strindberg, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (Berlin)[12]
2001: Einsame Menschen von Gerhart Hauptmann, Bühnen der Stadt Köln[13] (Schauspiel Köln, Halle Kalk)
2001: Der Drache von Jewgeni Schwarz, Theater Basel (Große Bühne)
2001: Die Räuber von Friedrich Schiller, Deutsches Schauspielhaus Hamburg
2001: Der geteilte Himmel nach Christa Wolf (Uraufführung), Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (Berlin)
2002: Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch, Deutsches Schauspielhaus Hamburg[14]
2002: Pincher Martin von William Golding, Deutsches Schauspielhaus Hamburg (Neues Cinema)
2003: Platonow von Anton Tschechow, Deutsches Schauspielhaus Hamburg[15]
2003: Opfer von Andrej Tarkowskij, Deutsches Schauspielhaus Hamburg[16]
2003: Vor Sonnenaufgang von Gerhart Hauptmann, Burgtheater Wien
2003: Die Glasmenagerie von Tennessee Williams, Deutsches Schauspielhaus Hamburg[17]
2004: Mysterium buffo von Wladimir Majakowski, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (Berlin)[18]
2004: Publikumsbeschimpfung von Peter Handke, Deutsches Schauspielhaus Hamburg (Malersaal); wurde von 2008 bis 2013 auch am Schauspiel Leipzig (Centraltheater) gespielt
2005: Der Steppenwolf von Hermann Hesse (Uraufführung), Burgtheater Wien
2005: Die bitteren Tränen der Petra Kant von Rainer Werner Fassbinder, Burgtheater Wien (Kasino)
2005: Borkmann von Henrik Ibsen, Nationaltheater Oslo
2005: Macbeth von William Shakespeare, Theater Magdeburg
2006: Das große Massakerspiel oder Triumph des Todes von Eugène Ionesco, Schauspiel Frankfurt (Schmidtstraße 12)
2006: Segen der Erde von Knut Hamsun, Nationaltheater Oslo
2007: Romeo und Julia von William Shakespeare, Burgtheater Wien
Matthäuspassion 2008: Szenenfoto der Leipziger Inszenierung (R.Arnold/CT)
2008: Matthäuspassion (Triptychon: Die Abendmahlsgäste von Ingmar Bergman [Teil 1], Brand von Henrik Ibsen in der Übertragung von Christian Morgenstern [Teil 2], Matthäuspassion nach dem Neuen Testament und anderen Werken, darunter Johann Sebastian BachsMatthäus-Passion [Teil 3]), Schauspiel Leipzig (Centraltheater)[19]
2008: Macbeth von William Shakespeare, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)[20]
2009: Schwarztaxi (mit Pernille Skaansar) von Sebastian Hartmann und Pernille Skaansar, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)
2009: Der Prozess nach Franz Kafka, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)[21]
2009: Eines langen Tages Reise in die Nacht von Eugene O’Neill, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)
2009: Arsen und Spitzenhäubchen von Joseph Kesselring in der Übersetzung von Helge Seidel, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)
2009: Der Kirschgarten von Anton Tschechow in der Übersetzung von Werner Buhss, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)
2010: Paris, Texas von Sam Shepard/Wim Wenders, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)
2010: Ibsenmaschine von Sebastian Hartmann, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)
2010: Der Zauberberg nach Thomas Mann, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)
2011: Pension Schöller von Carl Laufs/Wilhelm Jacoby, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)
2011: Fanny und Alexander nach dem Drehbuch von Ingmar Bergman, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)[22]
2011: Nackter Wahnsinn – Was ihr wollt nach William Shakespeare und Sebastian Hartmann, Schauspiel Leipzig (Centraltheater)
2012: Der Trinker nach Hans Fallada, Maxim-Gorki-Theater Berlin
2012: Krieg und Frieden von Leo Tolstoi, Co-Produktion Schauspiel Leipzig (Centraltheater) und Ruhrfestspiele in Recklinghausen[23][24][25]
2012: mein faust nach Johann Wolfgang von Goethe und Sebastian Hartmann, Schauspiel Leipzig (Centraltheater); eingeladen zum 50. Theatertreffen (2013) in Berlin[26][27]
2013: Der große Marsch von Wolfram Lotz, Schauspiel Leipzig (Skala)
2013: Traum nach Fjodor Dostojewski, Schauspiel Leipzig (Leipziger Festspiele, Arena)
2013: Der Schneesturm von Wladimir Sorokin, Schauspiel Leipzig (Leipziger Festspiele, Arena)
2014: Der Löwe im Winter von James Goldman, Deutsches Theater Berlin
2014: Purpurstaub von Sean O'Casey, Ruhrfestspiele Recklinghausen / Schauspiel Stuttgart; wurde später unter dem Titel Staub. Ein Abend von Sebastian Hartmann gezeigt, weil der Verlag die Aufführungsrechte für Stuttgart nicht erteilte[28]
2014: Woyzeck nach Georg Büchner, Deutsches Theater Berlin
2015: Dämonen von Fjodor Dostojewski, Schauspiel Frankfurt
2015: Im Stein nach Clemens Meyer, Schauspiel Stuttgart
2016: Der Revisor nach Nikolai Gogol, Schauspiel Frankfurt
2016: Berlin Alexanderplatz nach Alfred Döblin, Deutsches Theater Berlin[29]
Matthias Heine:Mutter Zombie ist die Schönste unter der Ibsen-Sonne. In: DIE WELT. 19.November 1999 (welt.de[abgerufen am 8.Juni 2022]).
ESTHER SLEVOGT:Wunschmaschine à la Endemol. In: Die Tageszeitung: taz. 30.September 2000, ISSN0931-9085, S.28 (taz.de[abgerufen am 8.Juni 2022]).
Für Sebastian Hartmann ist das Nichts nichts anderes als eine Autowaschanlage. In: Der Tagesspiegel Online. 26.Mai 2000, ISSN1865-2263 (tagesspiegel.de[abgerufen am 8.Juni 2022]).
Werner Theurich:Hamburger Schauspielhaus: Biedermanns Bullyparade. In: Der Spiegel. 18.April 2002, ISSN2195-1349 (spiegel.de[abgerufen am 8.Juni 2022]).
Wo ein Wille ist, ist auch ein Wald. In: Der Tagesspiegel Online. 21.Januar 2003, ISSN1865-2263 (tagesspiegel.de[abgerufen am 8.Juni 2022]).
CAROLINE MANSFELD:Radikalität als Selbstzweck. In: Die Tageszeitung: taz. 15.April 2003, ISSN0931-9085, S.23 (taz.de[abgerufen am 8.Juni 2022]).
Katrin Bettina Müller:„Krieg und Frieden“ in Leipzig: Verschiebungen in der Seele. In: Die Tageszeitung: taz. 24.September 2012, ISSN0931-9085 (taz.de[abgerufen am 8.Juni 2022]).
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