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Das Fahrrad ist ein deutsches Filmdrama der DEFA von Evelyn Schmidt nach einem Szenarium von Ernst Wenig (der kurz darauf auch den Roman schrieb) aus dem Jahr 1982. Es zählt zu den wichtigsten realistischen DEFA-Filmen der 1980er-Jahre und zu den wenigen Frauenfilmen, die in der DDR entstanden.


Handlung


Die alleinerziehende Susanne, die in einer Fabrik an einer Stanzmaschine arbeitet, lernt in einer Disko den Maschinenbauingenieur Thomas Marlow kennen. Der befindet sich gerade im selben Gebäude bei einer Betriebsfeier zu seinen Ehren, wurde er doch gerade zum Leiter für Technik und Produktion seines Betriebs ernannt. Thomas spendiert Susanne ein Getränk und beide kommen sich näher, doch wird Thomas zurück zu seiner Feier gerufen.

Es wird Winter und Susanne hat finanzielle Sorgen. Sie ist mit der Zahlung für die Kindergartenbetreuung ihrer Tochter Jenny im Rückstand und zahlt regelmäßig für eine Versicherung, die sie am liebsten kündigen würde. Ihre monotone Arbeit an der Maschine deprimiert sie und so schmeißt sie eines Tages alles hin. Sie kündigt. Zufällig trifft sie am Folgetag Thomas wieder und erzählt ihm von ihrer Kündigung. Sie versucht die nächsten Tage, eine neue Stelle zu finden, doch hat sie es als ungelernte Arbeiterin ohne Abitur schwer. Verschiedene Stellen kommen aufgrund von Nachtarbeit und unzureichender Kinderbetreuung für Susanne nicht in Frage. In einer Touristeninformationsstelle scheint sie jedoch eine Chance zu kriegen und soll sich beim Betrieb anmelden. In der Nacht erkrankt Jenny und Susanne hat andere Sorgen. Ihr Geld reicht nicht, ihr Ex-Mann weigert sich, ihr das Kindergeld für den nächsten Monat vorzuschießen, sodass sie sich Geld von ihrem Freund Kalle leihen muss. In der Disko schlägt ihr ihre betrunkene Freundin vor, einfach ihr Fahrrad als gestohlen zu melden und von der Versicherung das Geld zu kassieren. Die betrunkene Susanne wird von einem fremden Mann an der Disko abgepasst und erwacht am nächsten Morgen in dessen Wohnung. Sie hat blaue Flecke an den Armen und rennt entsetzt in ihre Wohnung, wo bereits ihre Tochter mit der über den Gang wohnenden Nachbarin Frau Puschkat auf sie wartet. Weinend bricht Susanne zusammen.

Susanne will ihr Leben ändern. Sie versteckt das Fahrrad, gibt es bei der Versicherung als gestohlen an und erhält 450 Mark ausgezahlt. Sie gönnt sich von dem Geld etwas Luxus, darunter eine Büchse Ananas für 12,50 Mark, und kauft sich neue Kleider für die Arbeit in der Touristenbetreuung, wird dort jedoch abgewiesen. Da sie sich nicht zurückgemeldet hatte, wurde die Stelle bereits an einen anderen Bewerber gegeben. Sie fängt nun in einer Brauerei bei der Flaschenkontrolle an. Thomas hatte ihr zuvor eine Stelle in seinem Betrieb angeboten, was sie ablehnte. Ihre Beziehung wird jedoch enger.

Der Frühling kommt und Susanne unternimmt mit ihrer Tochter einen Ausflug per Rad. Auf der Rückfahrt wird sie von einem Polizisten angehalten, weil sie ihren Lenker mit allerlei Pflanzen behängt hat. Der ABV erkennt sie und ihr Rad wieder und ist erstaunt, dass Susanne den Fund des Rades nicht gemeldet hat, da die Polizei natürlich Ermittlungen gegen den Dieb eingeleitet habe. Susanne gibt vor, es vergessen zu haben. Sie wird zur Polizei vorgeladen, wo man ihr erklärt, dass gegen sie ein Verfahren wegen vorsätzlichen Betrugs eröffnet werden wird. Susanne verschweigt alles vor Thomas, der sie in seinen Betrieb aufnimmt. Hier soll sie in der Brigade um Lotti angelernt werden. Auf Thomas’ Vorschlag hin zieht Susanne mit Jenny in seine Wohnung, bricht jedoch nach einem Alptraum zusammen. Sie gesteht ihm das Verfahren um das Fahrrad und Thomas reagiert gereizt, da seine Stellung im Betrieb nun gefährdet ist, habe er doch Susanne in die Brigade gebracht. Es kommt zu einem ersten Bruch zwischen Susanne und Thomas. Er will ihr jedoch helfen und den Fall vom Gericht an die Konfliktkommission des Betriebes übergeben lassen. Immer öfter kommt es zum Streit mit Thomas, der auch im Betrieb Probleme wegen seiner fortschrittlichen Methoden hat. Als er ihr vorwirft, undankbar zu sein, da er alles für sie getan habe, und sie fragt, was sie je geleistet hat, erwidert sie, dass sie Jenny erzogen habe. Seine Reaktion, dass Jenny später sowieso nur klauen wird, lässt Susanne die Beziehung beenden. Sie zieht aus Thomas’ Wohnung aus und zurück in ihren Altbau. Frau Puschkats Wohnung ist verwaist.

Thomas und Susanne grüßen sich noch im Betrieb, behandeln sich jedoch als Kollegen. Eines Tages sieht Thomas Susanne und Jenny: Susanne lässt das Kindergartenkind Jenny auf ihrem großen Damenrad fahren und ist begeistert, als Jenny das scheinbar Unmögliche schafft.


Produktion


Regisseurin Evelyn Schmidt 2009
Regisseurin Evelyn Schmidt 2009

Das Fahrrad war nach Seitensprung der zweite Film, den Evelyn Schmidt für die DEFA drehte. Er gehört zu den Frauenfilmen der DDR, in denen „das Thema Selbstfindung und Emanzipation der Frau in der Gesellschaft des real existierenden Sozialismus ziemlich unumwunden in Erscheinung tritt“.[1] Zunächst wurde der Film innerhalb des DEFA-Studios für Spielfilme als gelungen angesehen, im Abnahmeprozess jedoch durch die (männlichen) Entscheidungsträger immer stärker abgewertet. Die Hauptdarstellerin Heidemarie Schneider galt den Funktionären als „nicht schön genug, die Selbstbehauptung der etwa dreißigjährigen Susanne [als] zu feministisch angehaucht“.[2]

Der Film erlebte am 22. Juli 1982 im Berliner Colosseum seine Premiere und kam am Folgetag in die Kinos der DDR. Die Kritiker der DDR verrissen den Film fast einhellig, so wurde unter anderem Susannes Einstellung zur alltäglich erscheinenden Arbeit kritisiert. Als schlechter Film[2] durfte er nicht im Ausland, darunter auf Festivals in Wien und London, aufgeführt werden. Er wurde dennoch in die Bundesrepublik exportiert. Am 2. Juli 1985 lief Das Fahrrad in der Reihe Filme von Frauen[3] erstmals im ZDF im bundesdeutschen Fernsehen und wurde am 23. Januar 1990 auf DFF 1 im Fernsehen der DDR gezeigt. Die positive bundesdeutsche Kritik führte auch in der DDR zu einer Neubewertung des Films. Auf dem V. Kongress der Film- und Fernsehschaffenden der DDR 1988 wurde er nun „als eine der konsequentesten Arbeiten des Nachwuchses“ bezeichnet.[4]

Frank-Burkhard Habel nannte den Film rückblickend einen „der wichtigsten realistischen [DEFA]-Filme der achtziger Jahre“.[5] Das Fahrrad gehörte zu den elf DEFA-Spielfilmen, die 2005 im Rahmen der Reihe Rebels with a cause im Museum of Modern Art gezeigt wurden.


Kritik


Die zeitgenössische Kritik der DDR stellte fest, dass Evelyn Schmidts zweiter Film Unzulänglichkeiten besitze, die vor allem auf das Drehbuch zurückzuführen seien. Der Film besitze zum Beispiel „zu wenig Ansatzpunkte zur Verallgemeinerung. Mit der Feststellung: So ist es! will er [der Zuschauer] ja gar nicht entlassen werden. Anstöße zum Weiterdenken sind zu wenig vorhanden“, so Margit Voss in ihrer Kritik. „Es ist darüber nachzudenken, mit welchen Mitteln im Film ‚Widrigkeiten des Lebens‘ ausgedrückt werden: Ein Topf mit kochender Wäsche gerät schon zur Katastrophe, eine Stanze in der Fabrik zur unzumutbaren Fessel. Normale Arbeit also bildet den Anlaß für Verzweiflungsausbrüche der Heldin. Für wie viele Zuschauer wird Alltag auf diese Weise zu unzumutbarer Bürde erklärt“, fragte Voss.[6] Renate Holland-Moritz kritisierte 1982, dass die Hintergründe für Susannes gesellschaftliche Lage im Dunkeln bleiben. Susanne sei „ein auf ungeklärte Weise innerlich zerrissener, kaputter Typ“ und ein „verbogene[s], unreife[s] Geschöpf“. Wie ihr Hintergrund sei auch die Aussage des Films unklar. Für Holland-Moritz war Das Fahrrad „nichts als eine müde Artikulation muffligen Unbehagens an der Gesellschaft.“[7]

Die bundesdeutsche Kritik nannte den Film „ein Plädoyer für scheinbare Randfiguren der Gesellschaft, [der Film] stellt die Qualität menschlicher Beziehungen über reines Leistungsdenken“.[8] Für den film-dienst war Das Fahrrad ein „feinfühliges Frauenporträt, im filmischen Erzählduktus herb und in seiner Sozialkritik an das polnische ‚Kino der moralischen Unruhe‘ erinnernd. Bemerkenswert die von Sympathie getragene Darstellung einer ‚arbeitsunlustigen‘ Außenseiterin und die kompromisslos ungeschönte Schilderung des DDR-Alltags.“[9]


Literatur





Einzelnachweise


  1. Elke Schieber: Anfang vom Ende oder Kontinuität des Argwohns 1980 bis 1989. In: Ralf Schenk (Red.), Filmmuseum Potsdam (Hrsg.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Spielfilme 1946–1992. Henschel, Berlin 1994, S. 267.
  2. Elke Schieber: Anfang vom Ende oder Kontinuität des Argwohns 1980 bis 1989. In: Ralf Schenk (Red.), Filmmuseum Potsdam (Hrsg.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Spielfilme 1946–1992. Henschel, Berlin 1994, S. 270.
  3. Diese Woche im Fernsehen. In: Der Spiegel, Nr. 27, 1985, S. 166.
  4. Zit. nach: Elke Schieber: Anfang vom Ende oder Kontinuität des Argwohns 1980 bis 1989. In: Ralf Schenk (Red.), Filmmuseum Potsdam (Hrsg.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Spielfilme 1946–1992. Henschel, Berlin 1994, S. 269.
  5. Frank-Burkhard Habel: Das große Lexikon der DEFA-Spielfilme. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2000, ISBN 3-89602-349-7, S. 158.
  6. Margit Voss: Ein zweiter Anlauf. In: Film und Fernsehen, Nr. 8, 1982.
  7. Renate Holland-Moritz: Das Fahrrad. In: Renate Holland-Moritz: Die Eule im Kino. Neue Filmkritiken. Eulenspiegel Verlag, Berlin 1994, S. 50.
  8. Heinz Kersten in: Frankfurter Rundschau, 16. November 1982.
  9. Das Fahrrad. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 2. März 2017.



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