Holy Spider (im Französischen auch Les Nuits de Mashhad) ist ein Thriller von Ali Abbasi, der im Mai 2022 bei den Filmfestspielen in Cannes seine Premiere feierte, wo er im Hauptwettbewerb um die Goldene Palme konkurrierte. Im Juli 2022 kam der Film in die französischen Kinos. Holy Spider spielt in Maschhad, die als heiligste Stadt des Iran gilt. Die hier Nachforschungen anstellende Journalistin Rahimi wird von Sahra Amir Ebrahimi gespielt. Holy Spider wurde von Dänemark als Beitrag für die Oscarverleihung 2023 als bester Internationaler Film eingereicht.
Der 50-jährige Familienvater Saeed Hanaei begibt sich auf eine spirituelle Mission in die heilige iranische Stadt Maschhad, um diese von unmoralischen und korrupten Straßenprostituierten zu „säubern“. Nachdem er mehrere Frauen ermordet hat, indem er sie mit ihren eigenen Hijabs zu Tode strangulierte, verzweifelt der Bauingenieur immer mehr über das mangelnde öffentliche Interesse an seiner göttlichen Mission.
Im Jahr 2001 taucht die von ihrer Zeitung aus Teheran nach Maschhad geschickte Journalistin Rahimi in diese Welt ein, in der der von den Medien als „Spinnenmörder“ bezeichnete Mann sein Unwesen treibt und in der der Killer auf seinem Motorrad durch die Gegend fährt, um sich seine Opfer auszusuchen. Hier gehen verzweifelte Frauen auf den Straßenstrich, um sich und ihre Familien durchzubringen oder ihre Drogenabhängigkeit zu finanzieren. Schnell muss sie feststellen, dass die örtlichen Behörden es nicht eilig haben, den Fall aufzuklären.
Rahimi aber will ihre Suche nach der Wahrheit nicht einfach aufgeben. Als man Saeed verhaften kann, nachdem er in zwei Jahren insgesamt 16 Frauen ermordet hat, und ihn zum Tode verurteilt, wird er von der Öffentlichkeit in einen Helden verwandelt.[1][2]
„Ich komme aus dem Iran. Dort bin ich geboren und aufgewachsen. Ich muss keine Puppenhausversion des Iran machen. Der Ort, den wir betrachten, Mashhad, ist wie viele dieser größeren Metropolen im Nahen Osten. Sie haben sich in unscheinbare Industriestädte verwandelt, halb Favela, halb Betonwüste mit einigen historischen Gebäuden [...]. Sie finden diese Orte in der Türkei, in Jordanien und wahrscheinlich an vielen anderen Orten.“
Maschhad, der Handlungsort des Films, ist die Hauptstadt der iranischen Provinz Razavi-Chorasan und die zweitgrößte Stadt Irans. Sie liegt 850 Kilometer östlich von Teheran auf einer Höhe von rund 985 Metern.
Maschhad ist ein politisches und religiöses Zentrum und wird jährlich von mehr als 20 Millionen Touristen und Pilgern besucht. Die Stadt gilt als eine der sieben heiligen Stätten des schiitischen Islams. Dort befindet sich der heilige Schrein des achten schiitischen Imams Reza, die einzige Grabstätte eines schiitischen Imams auf iranischem Boden.
Regie führte der im Iran geborene und in Schweden lebende Ali Abbasi, der gemeinsam mit Afshin Kamran Bahrami auch das Drehbuch schrieb. Nach Shelley aus dem Jahr 2016 und Border von 2018 handelt es sich bei Holy Spider um Abbasis dritte Regiearbeit bei einem Spielfilm. Er orientierte sich an einem wahren Fall von Serienmorden in den Jahren 2000 und 2001, über den der Filmemacher und Menschenrechtsaktivist Maziar Bahari unter anderem in einem Film berichtet hatte, als der Bauingenieur Saeed Hanaei 16 Prostituierte in Mashhad ermordete. Hanaej verteidigte sich nach seiner Festnahme, er habe heilige Arbeit verrichtet und die Stadt vor moralischem Verfall bewahren wollen. Er wurde aber dennoch zum Tode verurteilt und hingerichtet.[4] Die Medien bezeichneten damals seine Taten als „Spinnenmorde“, weil der Mörder seine Opfer stets unter einem Vorwand nach Hause gelockt hatte, wenn seine Frau und seine Kinder gerade abwesend waren.[5] Als Hauptanliegen des Films beschreibt Abbasi nicht das Verbrechen an sich, sondern allgemein den Blick auf die Schattenseiten des Iran zu werfen.[3]
In Holy Spider führt Abbasi eine Journalistin namens Rahimi als Hauptfigur ein.[5] Die Rolle wurde mit der 1981 in Teheran geborenen, iranischen Schauspielerin Sahra Amir Ebrahimi besetzt. Sie wurde besonders durch die Rolle von Sara in dem animierten Filmdrama Teheran Tabu von Ali Soozandeh bekannt und war hiernach in Hossein Pourseifis Filmdrama Morgen sind wir frei in einer Hauptrolle zu sehen. Mehdi Bajestani, für den es die erste Hauptrolle seiner Karriere ist, spielt den Serienmörder Saeed Hanaei, an dessen Fersen sie sich heftet. Weiter sind im Film Mesbah Taleb in der Rolle von Ali, Firouz Agheli in der Rolle von Haji und Sara Fazilat in der Rolle von Zinab zu sehen.
Der Film erhielt Produktionsförderungen von der Filmförderungsanstalt in Höhe von 240.000 Euro[6], vom Medienboard Berlin-Brandenburg von 250.000 Euro[7], von Eurimages von 410.000 Euro[8], von der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein in Höhe von 90.000 Euro[9] und vom Deutschen Filmförderfonds in Höhe von rund 174.000 Euro.
Nachdem Abbasi den Film eigentlich in der Türkei drehen wollte[10], die türkischen Behörden jedoch die Genehmigung verweigerten[11], drehte er den Film in Jordanien.[12] Als Kameramann fungierte Nadim Carlsen. Der Arbeitstitel war The Long Night. Das Szenenbild entwarf die Schwedin Lina Nordqvist.[3]
Die Premiere erfolgte am 22. Mai 2022 bei den Filmfestspielen in Cannes.[13] Dort sicherte sich Utopia die Rechte für Nordamerika und der Streamingdienst MUBI für eine Reihe weiterer Länder.[14][15] Im Juni 2022 wurde der Film beim Sydney Film Festival gezeigt.[16] Der Kinostart in Frankreich erfolgte am 13. Juli 2022.[17] Im Juli 2022 wurde er beim Neuchâtel International Fantastic Film Festival und Ende des Monats beim New Horizons International Film Festival gezeigt.[18][19] Im August 2022 wurde er beim norwegischen Filmfestival in Haugesund gezeigt.[20] Im September 2022 wurde der Film beim Telluride Film Festival[21] und beim Toronto International Film Festival vorgestellt.[22] Ebenfalls im September 2022 erfolgten Vorstellungen bei der Filmkunstmesse Leipzig.[23][24] Ende des Monats wurde der erste Trailer vorgestellt.[25] Ende September, Anfang Oktober 2022 wird Holy Spider beim Filmfest Hamburg gezeigt[26] und hiernach beim London Film Festival.[27] Im Oktober 2022 wird er beim Film Fest Gent und beim Busan International Film Festival vorgestellt.[28][29] In den deutschen Kinos soll Holy Spider er am 12. Januar 2023 starten.[30]
Von den bei Rotten Tomatoes aufgeführten Kritiken sind 83 Prozent positiv bei einer durchschnittlichen Bewertung mit 7,6 von 10 möglichen Punkten.[31] Auf Metacritic erhielt der Film einen Metascore von 76 von 100 möglichen Punkten.[32]
Michael Meyns schreibt in seiner Funktion als Filmkorrespondent der Gilde deutscher Filmkunsttheater, Holy Spider mute in der ersten Hälfte wie ein sehr amerikanischer Serienkillerfilm an, und es wirke fast reißerisch, wie Ali Abbasi Aspekte der iranischen Gesellschaft zeigt, die das einheimische Kino ansonsten nicht zeigen kann. In der zweiten Hälfte, wenn immer deutlicher wird, wie sehr weite Teile der Gesellschaft den Prostituierten-Mörder Saeed jedoch unterstützen, seine Taten gutheißen, bestätige Abassi jedoch genau das Bild, das im Westen meist vorherrscht wenn vom Iran die Rede ist: „Eine tief religiöse Gesellschaft wird gezeigt, ein Land, in dem der Klerus herrscht und mit seiner erzkonservativen Interpretation des Korans die Freiheit besonders von Frauen beschränkt.“ Von der moralischen Ambivalenz, wie sie etwa in den Filmen Asghar Farhadis thematisiert werden, sei in Holy Spider wenig zu spüren, so Meyns. Sein Film sei Anklage durch und durch, wuchtig inszeniert, mit ungewöhnlichen Einblicken in die iranische Gesellschaft, aber auch ohne Zwischentöne.[33]
Holy Spider wurde von Dänemark als Beitrag für die Oscarverleihung 2023 in der Kategorie Bester Internationaler Film eingereicht.[34] Der Film befindet sich zudem in einer Vorauswahl für den Europäischen Filmpreis 2022.[35] Im Folgenden eine Auswahl weiterer Auszeichnungen und Nominierungen.
Fantastic Fest 2022
Filmfest Hamburg 2022
Internationale Filmfestspiele von Cannes 2022
Jerusalem Film Festival 2022