The Painted Bird (tschechisch Nabarvené ptáče) ist ein Filmdrama von Václav Marhoul, das am 3. September 2019 im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig seine Weltpremiere feierte. Es handelt sich um eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jerzy Kosiński (1933–1991). Im Rahmen der Verleihung des Český lev im März 2020 wurde der Film in zehn Kategorien ausgezeichnet, darunter als bester Film und Marhoul für die beste Regie. Der Kinostart in Deutschland war am 9. September 2021.
Nach dem Überfall der Deutschen auf Polen im Jahre 1939 wird ein sechsjähriger Junge aus behütetem jüdischen Hause von seinen vorausschauenden Eltern aufs Land geschickt und einer älteren Pflegemutter anvertraut in der Hoffnung, er könne dort überleben. Als die Frau stirbt, ist der Junge auf sich allein gestellt. Er wandert durch die Landschaft, von Dorf zu Dorf, doch seine Reise entwickelt sich mehr und mehr zu einer Odyssee, auf der er eine außergewöhnliche Brutalität erlebt, die von ignoranten, abergläubischen Bauern ausgeht, und auf der er Zeuge der schrecklichen Gewalt wird, die von den rücksichtslosen russischen und deutschen Soldaten ausgeht. Die Menschen, denen er begegnet, glauben, der Junge mit den schwarzen Haaren, dunklen Augen und der olivfarbenen Haut habe den bösen Blick. Als der Krieg endet, hat sich der Junge für immer verändert.[2]
Der Film basiert auf dem Roman The Painted Bird des polnisch-jüdischen Schriftstellers Jerzy Kosiński aus dem Jahr 1965, der 2011 in einer deutschen Übersetzung von Herbert Roch unter dem Titel Der bemalte Vogel veröffentlicht wurde.[3][4][2]
In seinem Roman erzählt Kosiński von einem jüdischen Kind, das bei einem polnischen Katholiken Unterschlupf findet. Er stellt dabei die Menschen vom Land in Polen als primitive Dorfbewohner vor, die von den niedrigsten sexuellen Instinkten geleitet werden.[3] Letztlich lässt der Knabe einmal beim Aushelfen als Messdiener in der Kirche, von Prügeln, nässenden Wunden, Hunger und Angst geschwächt, das Messbuch fallen, woraufhin er gepackt und in die Jauchegrube geschleudert wird. Hierauf beschließt er, sich ab sofort mit dem Bösen zu verbünden. So erzählt der Roman von der wachsenden Rohheit und der moralischen Verwahrlosung des Knaben. Kosiński erzählt im Roman nach eigenen Angaben seine eigene Lebensgeschichte, immer wieder war ihm jedoch vorgeworfen worden, er habe keine Autobiografie geschrieben, sondern eine sadistische Monstrosität nach der anderen erzählt und die in dem Buch beschriebene Gewalt nicht selbst erlebt.[3] Hierzu habe er sich auf Sekundärliteratur gestützt, mit anderen Worten, er habe gelogen.[4] Unter dem Druck der Vorwürfe nannte Kosiński sein Buch in einer späteren Auflage „autofiction“. Im Jahr 1991 beging der Schriftsteller Selbstmord.[3][4]
Regie führte Václav Marhoul, der zudem das auf Kosińskis Roman basierende Drehbuch schrieb. Der Buch- und Filmtitel The Painted Bird bezieht sich auf eine Begebenheit, als der Junge bei dem alten Vogelfänger Lekh unterkommt. Als dieser einfach zum Spaß einen schwarzen Vogel mit weißer Farbe anmalt und ihn dann wieder zu seinem Schwarm am Himmel entlässt, wird er von seinen Artgenossen augenblicklich in der Luft zu Tode zerpflückt, weil sie ihn für einen Feind halten.[5][6] Im Interview mit Radio Dixie erklärte Marhoul, auch wenn dieser von der gleichen Art ist, sehe er einfach anders aus, und auch der Junge in der Geschichte sehe anders aus als alle anderen.[7] Der Regisseur will The Painted Bird nicht als einen Film über den Holocaust oder einen Kriegsfilm verstanden wissen.[7] Der Film ist in Kapitel eingeteilt, die nach den Erwachsenen heißen, die dem kleinen Joska ein Dach über dem Kopf gewähren, auf ihn aufpassen, aber auch misshandeln.[8]
Der Film erhielt eine Förderung vom Tschechischen Staatsfonds der Kinematografie und von Creative Europe Media. Der Tschechische Film förderte das Projekt mit 992.308 Euro.[9] Das polnische Filminstitut hatte eine Finanzierung zweimal abgelehnt.[3]
Petr Kotlár spielt den namenlosen jüdischen Streuner, der im Abspann nur als Junge ausgewiesen ist. Marhoul drehte den Film über mehrere Jahre, so dass man Kotlár im Laufe des Films altern sehen kann.[6] Ala Sokolova spielt die wandernde Schamanin Olga, der deutsche Schauspieler Udo Kier den psychotischen Müller, Tim Kalkhof einen SS-Offizier, Harvey Keitel den katholischen Priester und Julian Sands Garbos, eines der Mitglieder seiner Kirchengemeinde. Barry Pepper übernahm die Rolle des russischen Soldaten[10] (Heckenschütze Mitka[11]), Lech Dyblik spielt den gutherzigen alten Vogelfänger Lekh, Jitka Čvančarová die Nymphomanin Ludmila. Der Schauspieler Alexei Krawtschenko übernahm die Rolle des Offiziers Gavrila, mit dem sich der Junge in einem sowjetischen Armeelager anfreundet. Stellan Skarsgård spielt den guten Soldaten Hans. In weiteren Rollen sind Nina Schunewytsch als Bäuerin Marta und Petr Vaněk als Nikodem zu sehen. Die meisten Dialoge werden in einem erfundenen slawischen Esperanto, Interslawisch gesprochen, aber auch ein wenig Tschechisch, Russisch und Deutsch.[11][12]
Die Dreharbeiten fanden an 105 Drehtage im Frühjahr 2018 in Volyn in der Ukraine, in Prag, im polnischen Świebodzice (Dolnośląskie) und in der Slowakei statt.[13] Als Kameramann fungierte Vladimír Smutný, der den Film in Schwarzweiß im 35-mm-Format drehte. Das Szenenbild schuf Jan Vlasák, die Kostüme stammen von Helena Rovná.[11]
Der Film feierte seine Weltpremiere bei den Filmfestspielen von Venedig 2019, wo er im Wettbewerb um den Goldenen Löwen konkurrierte.[14] Am 12. September 2019 startete er in Tschechien und am 19. September 2019 in der Slowakei in den Kinos.[3] Im September 2019 wurde der Film beim Toronto International Film Festival im Rahmen der Special Presentations gezeigt.[15] Anfang Oktober 2019 wurde er beim London Film Festival und hiernach beim Internationalen Filmfestival Warschau und beim Film Festival Cologne vorgestellt.[16][17][18] Anfang November 2019 wurde er beim Minsk International Film Festival „Listapad“ im offiziellen Hauptwettbewerb gezeigt.[19] Am 27. März 2020 sollte er in die Kinos im Vereinigten Königreich kommen.[20] Im September 2020 wird er beim International Film Festival Piešťany gezeigt. Der Kinostart in Deutschland erfolgte am 9. September 2021. Hier erhielt der Film von der FSK keine Jugendfreigabe. Am 6. Mai 2022 wurde er in Deutschland auf Blu-ray und DVD veröffentlicht.[21]
Der Film konnte bislang 82 Prozent der Kritiker bei Rotten Tomatoes überzeugen und erreichte hierbei eine durchschnittliche Bewertung von 7,5 der möglichen 10 Punkte.[22] Im IndieWire Critics Poll 2020 landete The Painted Bird unter den internationalen Filmen auf dem 9. Platz.[23]
Guy Lodge von Variety meint, die Schwarz-Weiß-Aufnahmen in 35 mm zeichneten eine Welt, die von klaren Gegensätzen zwischen Gut und Böse geprägt sei. The Painted Bird zeige eine kriegszerlumpte Gesellschaft, in der alle Überlebenden zu namenlosen, animalischen und gefühllosen Wesen reduziert seien.[10]
Deborah Young von The Hollywood Reporter schreibt, der mutige junge Held werde sowohl von Männern als auch von Frauen missbraucht. Zwar werde er erst von einem kranken alten Priester vor der Gestapo gerettet, doch der Pädophile Julian Sands, in dessen Fängen er landet, quäle ihn unerbittlich. Glücklicherweise zeige Marhoul die schlimmste Gewalt nicht direkt oder lasse diese im Hintergrund geschehen, wodurch er der Phantasie des Betrachters freien Lauf lasse. Einige der Schwarz-Weiß-Aufnahmen vom Ödland des zerstörten Osteuropas erinnern Young an sowjetische Meisterwerke des Grauens wie Andrei Tarkovskys Andrej Rubljow oder Elem Klimovs Komm und sieh. Die Entscheidung für Schwarz-Weiß-Aufnahmen im 35-mm-Format bringe Tiefe in die oft freudlosen Bilder, die gelegentlich durch Feuer und Schneestürme beleuchtet werden, und Szenenbildner Jan Vlasák erwecke die Dörfer mit ihren strohgedeckten Hütten und Steinkirchen mit der Lebendigkeit einer Fabel zum Leben, so Young.[11]
Michael Meyns schreibt, es seien grausame Bilder von größter stilistischer Strenge, mit denen Marhoul das Leiden des jungen Joska zeigt: „Wenn es Marhoul darum ging, die Grauen des Krieges so realistisch wie nur irgend möglich abzubilden, muss man ihm größten Erfolg bescheinigen.“ Ähnlich wie Elem Klimows Klassiker Komm und sieh sei es auch in The Painted Bird eines der schwächsten Glieder der Gesellschaft, das den Grauen des Krieges besonders hilflos ausgeliefert ist, so Meyns, der große Unterschied sei, das Marhoul seinem Protagonisten ein erstaunlich hoffnungsvolles Ende gönnt.[8]
Christoph Petersen von Filmstarts denkt, das Grauen im Film sei viel zu meisterhaft und atemberaubend inszeniert, als dass man sich ihm einfach so entziehen könne und resümiert: „Ein Film, der einem den Glauben an die Menschheit nicht nur austreibt, sondern ihn in den allerschönsten Schwarz-Weiß-Bildern, die man sich überhaupt nur vorstellen kann, regelrecht zertrümmert, zerhackt, zerfickt und dann auch noch die Überreste verbrennt.“ Ob man das sehen will oder nicht, müsse jeder selbst entscheiden, so Petersen, aber kalt lassen werde der Film wohl niemanden.[5]
Andreas Busche schreibt im Tagesspiegel, man durchschaue das Spiel mit den Erwartungen sehr schnell, und so sei klar, welches Schicksal dem Sohn des von Harvey Keitel gespielten Priesters blüht, als sich der Junge in dem leeren Brunnen mit Hunderten von Ratten befindet. Der Regisseur lasse kaum Zweifel daran, wie das Kapitel enden wird, doch dieses Muster über drei Stunden durchzuziehen, erzeuge nur Redundanz. In seiner Weltsicht bleibe Marhoul unfähig, den Menschen einen Rest Würde zu lassen.[24]
Der Film wurde von Tschechien als Beitrag für die Oscarverleihung 2020 in der Kategorie Bester Internationaler Film eingereicht und Mitte Dezember 2019 von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences auf die Shortlist in dieser Kategorie gesetzt.[25] The Painted Bird gelangte nicht unter die letztlich fünf nominierten Filme.
Alliance of Women Film Journalists Awards 2020
Belgrade International Film Festival 2020
Boston Society of Film Critics Awards 2020
Camerimage 2019
Český lev 2020
Český lev 2022
Chicago International Film Festival 2019
Cork Film Festival 2019
Europäischer Filmpreis 2020
Internationale Filmfestspiele von Venedig 2019
International Film Festival Piešťany 2020
Minsk International Film Festival „Listapad“ 2019
Satellite Awards 2019