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Hieronymus Lorm (eigentlich Heinrich Landesmann; * 9. August 1821 in Nikolsburg, Mähren; † 3. Dezember 1902 in Brünn) war ein österreichischer Dichter, Journalist und Literaturkritiker, zugleich der Erfinder des Lorm-Alphabets, eines Tast-Alphabets für Taubblinde.

Hieronymus Lorm (1878)
Hieronymus Lorm (1878)
Hieronymus Lorm
Hieronymus Lorm

Zum Pseudonym


Heinrich Landesmanns Pseudonym Hieronymus Lorm, das er seit dem Jahr 1847 und dann bis an sein Lebensende benutzte, wird üblicherweise wie folgt erklärt: Den Vornamen „Hieronymus“ wählte Heinrich als Hommage an den großen Eremiten-Heiligen und Asketen Hieronymus, der ihn wohl an sein eigenes Lebensschicksal erinnerte. Der Nachname „Lorm“ war dem Namen des Romans De l’Orme (1837, dt. 1839) von George Payne Rainsford James entlehnt, mit dessen gleichnamigem Protagonisten Landesmann eine besondere Beziehung empfand.[1][2]


Leben


Hieronymus Lorm wurde am 9. August 1821 in Nikolsburg (Mähren) als Sohn des jüdischen Kaufmanns Christian Landesmann und seiner Frau Theresia (geb. Abeles) geboren. Die Eltern siedelten jedoch schon bald nach Heinrichs Geburt nach Wien über. Als Kind war Heinrich bereits sehr leidend und körperlich fragil, und zeitweilen verschlimmerte sich sein Zustand derart, dass ihm die Ärzte sogar den Besuch des Gymnasiums verboten.[3] Nach einer langen Krankheit mit schweren Lähmungserscheinungen ertaubte er mit 15 Jahren und büßte einen Gutteil seiner Sehkraft ein; sein Studium der Musik musste er aufgeben. Er bildete sich mit großer Energie als Autodidakt weiter, und zwar mit einer Entschlossenheit, die seine Eltern und die Ärzte kaum zu zügeln wussten. „Meine Jugend glich einem Schauspiel voll lärmender Bewegung, mit häufigem Dekorationswechsel und einer großen Zahl auftretender Personen – bis plötzlich der Vorhang fiel und eine unendliche, nicht oft in der Welt vorkommende Einsamkeit die Bühne meiner übrigen Lebenszeit bildete“, schrieb er im Alter aus der Rückschau.[4]

Schon im Alter von 16 Jahren sandte er erste Gedichte an Zeitungen ein, und einige erschienen 1840 und 1841 im Österreichischen Zuschauer. Sein erstes umfangreicheres Werk Abdul. Eine poetische Erzählung wie auch weitere Gedichte veröffentlichte er 1844 unter seinem Namen Heinrich Landesmann in der Zeitschrift Die Grenzboten, doch spätestens ab 1847 schrieb er fast nur noch unter dem Pseudonym Hieronymus Lorm. Seinen wirklichen Namen verwendete er danach nur noch selten, aber in Österreich, und speziell in Wien, war ohnehin allseits bekannt, um wen es sich bei Hieronymus Lorm handelte; und ein einziges Mal, im Jahr 1851, ließ er seinen Namen sogar als „H. Landesmann-Lorm“ drucken!

Seine Karriere als Dichter und Schriftsteller nahm nach der Mitte der 1840er Jahre langsam Gestalt an, insbesondere nach der Publikation seines Buchs Wien’s poetische Schwingen und Federn (1847), in dem er sehr offen und mit geringem Respekt vor großen Namen die namhaften und weniger namhaften Literaten Österreichs seiner Zeit porträtierte. Weil er jedoch im Vorwort dieses Buchs nicht nur „den greisen Fürsten“ Metternich angriff, sondern auch die allgemeine Dumpfheit, die Bedrückung durch die Zensur und das schwierige Los aller Schriftsteller in diesem „absoluten Staat“[5] Österreich anprangerte, rieten ihm seine Freunde, sich außer Landes zu begeben. Um seine Familie vor Nachstellungen zu schützen, behielt er künftig sein Pseudonym bei, das er wohlweislich schon auf dem Titelblatt seines ersten Buchs benutzt hatte.[6]

Gewissermaßen aus politischen Gründen ging er also schon in den Monaten des Jahres 1847 nach Berlin, wo bereits sein Bruder Sigmund ansässig war, um erst ein Jahr später im April 1848 – vor den Wirren im Anschluss an die Berliner Märzrevolution fliehend – nach Wien zurückzukehren. In seiner Berliner Zeit hatte er sein zweites Buch, die Gräfenberger Aquarelle, geschrieben. Außerdem lieferte er lange literarhistorische Studien für die Wochenschrift Europa, die Gustav Kühne in Berlin herausgab. Noch 1848 lernte der berühmte Persien-Reisende und Schriftsteller Friedrich von Bodenstedt, nur 2 Jahre älter als Heinrich, ihn und sein Elternhaus in Wien kennen.[7] Beide waren auch mit der Lyrikerin Betty Paoli und dem Schriftsteller Moritz Hartmann befreundet.

Im Jahr 1853 siedelte Lorm nach Baden bei Wien über.[8][Anm. 1] In diesem und den folgenden Jahren arbeitete er als Mitarbeiter und Feuilletonist der Wiener Zeitung, wo er auch viele seiner Novellen und Erzählungen zuerst veröffentlichte. Seinen bis dahin größten Erfolg sowohl bei Kritik und Publikum erzielte er 1855 mit seinem Ein Zögling des Jahres 1848, der zuerst als Fortsetzungsroman in Der Presse gedruckt wurde und sofort anschließend in einer dreibändigen Buchausgabe erschien, die bald vergriffen war.

Er heiratete im Jahr 1856 die Wienerin Henriette Frankl (1830–1906) und setzte seine produktive Schriftstellertätigkeit fort, wobei er zunehmend auch Rezensionen und Kritiken neu erschienener Literatur veröffentlichte. Mit zunehmender Leidenschaft sandte er jetzt auch Schachaufgaben an mehrere deutschsprachige illustrierte Zeitschriften ein und erarbeitete sich sogar im Kreis der Schach-Aficionados einen gewissen Namen. Doch Lorms journalistische Tätigkeit, die er in den 1850er und 1860er Jahren in Wien entfaltete, stand immer im Vordergrund und machte ihn in den Augen vieler Zeitgenossen zu dem Feuilletonisten Österreichs in diesen Jahrzehnten. Doch im Frühjahr 1873 zog es ihn von Österreich nach Dresden, wo er für die nächsten fast 20 Jahre leben sollte. Im Jahr 1881 verlor er sein Augenlicht, nachdem er schon viele Jahre zuvor nur noch schlecht sehen konnte.

Um sich mit seinen Mitmenschen weiterhin verständigen zu können, stellte er sein Lorm-Alphabet zusammen. Dieses „Tast-Alphabet“ hat Landesmann vor der Öffentlichkeit nach Möglichkeit geheimgehalten. Die öfters zu findende Angabe, seine Tochter habe erst nach dem Tod ihres Vaters etwas über das „Lorm-Alphabet“ bekannt gemacht, ist jedoch unrichtig, weil es schon im Jahr 1901 von Eugen Isolani in seinem Festartikel zum 80. Geburtstag Lorms nicht nur erwähnt, sondern auch in groben Zügen erklärt wird. Außerdem erlernten auch Bekannte, mit denen Lorm Umgang hatte, seine „Fingersprache“ bzw. das Tast-Alphabet.[9] Der ebenfalls taubblinde H. v. Chlumecky setzte sich dann für seine Verbreitung ein. Heute ist es ein wichtiges Kommunikationssystem Taubblinder im deutschen Sprachraum.

Von Dresden zog er im März 1892 nach Brünn um. Seinen Lebensabend verbrachte er dort bei seinen Kindern, wo er 81-jährig am 3. Dezember 1902 an den Folgen eines Schlaganfalls starb.


Familie


Aus der Ehe von Heinrich und Henriette Landesmann (geb. Frankl) gingen drei Kinder hervor: Marie Landesmann (1857–1935), Adolf Landesmann (1867–1926) und Robert Ernst Landesmann (1861–1935). Letzterer, Robert Ernst, war Arzt von Beruf und mit der jüdischen Schriftstellerin Alice Stein-Landesmann (1882–1963) verheiratet.

Lorms jüngere Schwester Nina Anna (1824–1900) war seit Juli 1849 mit dem damals sehr bekannten Schriftsteller und Verfasser der Schwarzwälder Dorfgeschichten Berthold Auerbach verheiratet. Auerbach hatte sie in ihrem Elternhaus kennengelernt, wo er verkehrte, seit er im Frühsommer 1848 nach Wien gekommen war; Auerbachs erste Frau Auguste war erst im April 1848 verstorben. Die „Verschiedenheit der schriftstellerischen Eigenart“, aber auch „des philosophischen und ästhetischen Glaubensbekenntnisses“ zwischen Auerbach und seinem Schwager Lorm sei aber zu groß gewesen, „als daß dies Verwandtschaftsverhältnis zu einer freundschaftlichen Gemeinschaft hätte führen können“.[10]


Ehrungen



Werke


Alle Werke wurden als „H. Lorm“ oder „Hieronymus Lorm“ veröffentlicht, soweit nicht anders angegeben.


Dichtung



In anderen Publikationen


Eigene Veröffentlichungen


Romane und Prosaschriften



In der „Wiener Zeitung“


In anderen Zeitungen bzw. Publikationen


Eigene Veröffentlichungen


Philosophische und literaturkritische Schriften



In Zeitungen bzw. anderen Publikationen


Eigene Veröffentlichungen


Bühnenwerke



Briefe



Dokumentarfilm



Literatur



Zur Biographie



Zum Werk




Commons: Hieronymus Lorm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Hieronymus Lorm – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise


  1. „Lorm-Landesmann. (Ein Nachruf)“ (1873), S. 115.
  2. Kreisler (1921), S. 2.
  3. „Lorm-Landesmann. (Ein Nachruf)“ (1873), S. 114.
  4. Lorm, Bekenntnisblätter (1905), S. 24.
  5. Lorm, Wien's poetische Schwingen (1847), S. 19 f. Der ganze Passus lautet: „In einem absoluten Staat, in Oestreich, wo kein Gesetz eine andere Garantie hat als den Selbstwillen des Herrschers und sobald es unbequem wird und sich nicht mehr ganz mit dem Stabilitätsprinzip vertragen will, ohne Vorbereitung, ohne erlaubten Widerspruch augenblicklich aufgehoben werden kann, in Oestreich, wo man der Presse nicht einmal die kümmerliche Ehre erwiesen hat, durch ein nennenswerthes Regierungsorgan auf die öffentliche Meinung zu wirken, vereint sich eine Schaar von Männern dem greisen Fürsten Metternich, der den Ruhm seiner Politik durch die eiserne Consequenz derselben rettet, Concessionen für die Presse abzubetteln, die im Moment, wo sie dieselben benützen wollte, auch schon dem durch Metternich vertretenen Staatsprinzip zuwiderlaufen müsste.“
  6. Bostianchich-Braum (1901), S. 5.
  7. Siehe die anekdotischen Nachrichten in Oscar Blumenthal: Für alle Wagen- & Menschen-Classen. Plaudereien von Station zu Station, I. Classe, Leipzig 1875, S. 65 ff.
  8. Landesmann, Heinrich; Ps. Hieronymus Lorm (1821-1902), Schriftsteller und Journalist. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 4, Lfg. 20 (1969), S. 428 f.
  9. Siehe die Informationen hierzu von Ina Niels im Neuen Wiener Journal, Nr. 13.833 vom 26. Mai 1932, S. 11 (ANNO)
  10. Isolani (1901), S. 2.

Anmerkungen


  1. Wohnsitze: Erzherzog-Rainer-Ring 5 sowie Hauptplatz 22, zeitweilig Adresse von Betty Paoli. – Siehe: Paul Tausig: Lokal-Nachrichten. (…) Denkwürdige Häuser Badens. In: Badener Zeitung, Nr. 7/1909 (XXX. Jahrgang), 23. Jänner 1909, S. 3, Spalte 3. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/bzt
Personendaten
NAME Lorm, Hieronymus
ALTERNATIVNAMEN Landesmann, Heinrich (wirklicher Name)
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Schriftsteller und Erfinder eines Tastalphabets für Taubblinde
GEBURTSDATUM 9. August 1821
GEBURTSORT Nikolsburg, Mähren
STERBEDATUM 3. Dezember 1902
STERBEORT Brünn

На других языках


- [de] Hieronymus Lorm

[en] Heinrich Landesmann

Heinrich Landesmann (9 August 1821, Nikolsburg – 4 December 1902, Brno), more commonly known by his pseudonym, Hieronymus Lorm, was an Austrian poet and philosophical writer.

[ru] Ландесман, Генрих

Генрих Ландесман (нем. Heinrich Landesmann; 1821—1902) — австрийский писатель по философским вопросам и поэт известный под псевдонимом Иероним Лорм (Hieronymus Lorm).



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