Thomas Freiherr von Steinaecker (* 6. Februar 1977 in Traunstein) ist ein deutscher Schriftsteller, Filmregisseur, Hörspielautor, Comicszenarist und Journalist.
Leben
Steinaecker studierte Literaturwissenschaft an der Universität München und an der University of Cincinnati und promovierte 2006 mit einer Arbeit über literarische Fototexte bei Rolf Dieter Brinkmann, Alexander Kluge und W. G. Sebald. Während des Studiums arbeitete er als freier Mitarbeiter bei den Zeitschriften www.textem.de und Kultur & Gespenster. 2007 sendete der Bayerische Rundfunk sein erstes Hörspiel, Meine Tonbänder sind mein Widerstand. 2007 erreichte sein Debütroman Wallner beginnt zu fliegen Platz 3 der SWR-Bestenliste[1] und kam auf die Shortlist zum Deutschen Buchpreis.[2] Sein vierter Roman Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu träumen wurde 2012 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und fand sich ebenfalls auf der SWR-Bestenliste wieder.[3] 2013 war er mit einem neuen dystopischen Romanprojekt für den Alfred-Döblin-Preis nominiert.[4] Im Wintersemester 2013/14 übernahm er eine Poetikdozentur an der Hochschule RheinMain.[5] Von 2014 bis 2018 war Thomas von Steinaecker in der Jury des Comicbuchpreises der Berthold Leibinger Stiftung. Seine Filme wurden international beachtet: So wurde Richard Strauss und seine Heldinnen sowohl mit dem International Classical Music Award[6] als auch einem ECHO Klassik ausgezeichnet[7], sein Film „Leonard Bernstein – Das zerrissene Genie“ erhielt den Golden Prague beim International Television Festival 2018[8] und wurde 2019 zum Manchester Film Festival[9], Toronto International Film Festival und zum Master of Arts in Sofia[10] eingeladen, ebenso wie 2022 sein Film über die Geschichte der elektronischen Musik „Electronic Vibrations - Ein Sound verändert die Welt“[11]. 2017 dramatisierte von Steinaecker für eine einmalige Aufführung im Staatstheater Darmstadt „Wer wir waren“, den letzten Text von Roger Willemsen, mit dem er bereits bei seiner TV-Reihe Bewegte Republik Deutschland zusammengearbeitet hatte. Darsteller waren Barbara Auer und Joachim Król.[12]
Im Februar 2015 initiierte und betreute er den „Mosaik-Roman“ Zwei Mädchen im Krieg über den realen Fall zweier radikalisierter österreichischer Teenager, die sich dem IS (Islamischer Staat) anschlossen. Das Internet-Projekt des S. Fischer Verlag, an dem neun Autoren mitwirkten, sollte die gesellschaftspolitische Rolle von Literatur ausloten und erfuhr ein breites Medienecho.[13] Ab Herbst 2015 veröffentlicht er zusammen mit der Zeichnerin Barbara Yelin den Webfortsetzungscomic „Der Sommer ihres Lebens“[14], der 2017 in erweiterter Form auch als Buch erschien. 2016 wurde sein fünfter Roman, „Die Verteidigung des Paradieses“, für den Deutschen Buchpreis nominiert. In der Begründung der Jury zur Vergabe des Carl-Amery-Literaturpreis 2017 heißt es: Das Werk Thomas von Steinaeckers verbindet auf einzigartige Weise die Beobachtung von gesellschaftlicher Gegenwart und das Möglichkeitsdenken der Literatur. Seine Romane sind Versuchsanordnungen des Menschlichen, des prekären Verhältnisses von Individuum und Gemeinschaft, und zugleich ein eindringliches Plädoyer für das Eigenrecht der Phantasie vor dem Hintergrund moderner Rationalität.[15] 2018 erhielt der Roman außerdem den Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar. Zusammen mit dem Zeichner David von Bassewitz arbeitet von Steinaecker an der Graphic Novel „Stockhausen – Der Mann, der vom Sirius kam“ über den Komponisten Karlheinz Stockhausen, mit dem ihn eine lange Freundschaft verband.[16] Ein Auszug daraus war Finalist für den Comicbuchpreis 2021.[17] Der erste Band des Buches, der die Biografie Stockhausens bis zu seinem Opernzyklus „LICHT“ enthält, erscheint im Herbst 2022.[18] Steinaeckers gesellschaftspolitisches Engagement fand seine Fortsetzung, indem er zusammen mit der Universität Augsburg und dem Sensemble Theater im Juli 2018 die interdisziplinäre Reihe „Augsburger Gespräche zu Literatur und Engagement“ ins Leben rief, an deren ersten Ausgabe u.a. Friedrich Christian Delius, Jonas Lüscher, Felicitas Hoppe, Clemens Meyer, Sharon Dodua Otoo, Simon Strauß und Ebow mitwirkten.[19] 2021/2022 drehte er als internationale Koproduktion zusammen mit Werner Herzog in Sachrang, Los Angeles sowie auf Lanzarote den Porträtfilm „Radical Dreamer“, der beim Telluride Film Festival seine Weltpremiere feierte und Ende Oktober 2022 in die deutschen Kinos kam.[20] Die Presse reagierte überwiegend positiv auf den Film und bezeichnete ihn als „erhellend und witzig, manchmal sogar bewegend“[21] sowie als „eine faszinierende Annäherung und ein würdiges Denkmal für einen der ganz großen Filmvisionäre unserer Zeit.“[22]
Für die Süddeutsche Zeitung schreibt Steinaecker Comic-Rezensionen, die Neue Rundschau veröffentlicht regelmäßig seine Essays über unvollendete Kunstwerke[23], die 2021 als Buch unter dem Titel „Ende offen“ erschienen. Seit 2017 ist er Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. Der Schriftsteller lebt in Augsburg.
Auszeichnungen
Publikumspreis beim Hattinger Förderpreis für junge Literatur 1996
Einladung zum 11. Open Mike 2003
10. Klagenfurter Literaturkurs 2006
Aufenthaltsstipendium des Literarischen Colloquiums Berlin 2003/04
Aspekte-Literaturpreis 2007
Bayerischer Kunstförderpreis 2007
Stipendium des Deutschen Literaturfonds 2007
Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2008
Nominierung für den Hörspielpreis der Kriegsblinden 2008
New-York-Stipendium des Deutschen Literaturfonds 2010
Preis der Autoren 2010 (für das Hörspiel Herzrhythmusgeräusche)
Kunstförderpreis der Stadt Augsburg 2011 (für Geister)
Literaturpreis der Stahlstiftung Eisenhüttenstadt 2011
Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse 2012
Nominierung für den Alfred-Döblin-Preis 2013
International Classical Music Award und ECHO Klassik 2015 (für Richard Strauss und seine Heldinnen)
Kulturpreis Bayern 2015
Nominierung für den Deutschen Buchpreis 2007 und 2016
Carl-Amery-Literaturpreis 2017
Stipendiat in der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo 2018/2019[24]
Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar 2018
Golden Prague beim International Television Festival Golden Prague 2018 (für Leonard Bernstein – Das zerrissene Genie)[8]
Rudolph-Dirks-Award 2018 (für Der Sommer ihres Lebens)
Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur 2018
Finalist des Comicbuchpreises 2021
Nominierung für Golden Prague beim Internationalen Television Festival Golden Prague 2022 (für Electronic Vibrations - Ein Sound verändert die Welt)[25]
Werke
Romane
Wallner beginnt zu fliegen, Roman, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-627-00140-7
Geister, Roman, mit Comics von Daniela Kohl, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-627-00150-6
Schutzgebiet, Roman, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-627-00160-5
Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu träumen, Roman, S. Fischer, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-10-070408-5[26]
Die Verteidigung des Paradieses, Roman, S. Fischer, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-10-001460-3
Graphic Novel / Comicroman
Der Sommer ihres Lebens, Graphic Novel, zusammen mit Barbara Yelin, Reprodukt, Berlin 2017, ISBN 978-3-95640-135-0
Stockhausen - Der Mann, der vom Sirius kam. Band 1. Zusammen mit David von Bassewitz. Carlsen Verlag, Hamburg 2022, ISBN 978-3-551-73366-5
Sachbuch
Ende offen. Das Buch der gescheiterten Kunstwerke. S. Fischer, Frankfurt am Main 2021, ISBN 978-3-10-070407-8
Literaturwissenschaft
Literarische Foto-Texte. Zur Funktion der Fotografien in den Texten Rolf Dieter Brinkmanns, Alexander Kluges und W. G. Sebalds. Dissertation, München, Transcript Verlag, Bielefeld 2007, ISBN 978-3-89942-654-0
Neue Rundschau 2012/3: Comic. [Herausgeber]. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-10-809090-6
Erzählungen (Auswahl)
Götz – Eine Travestie, Textem-Verlag, Hamburg 2004 ISBN 3-938801-04-2
Der Anfang des Endes des Anfangs, in: Gute Vorsätze, schlechtes Karma. Geschichten vom Ende des Jahres. Hrsg. von Harriet Köhler und Karsten Kredel, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008 ISBN 978-3-518-46026-9
Klang. Welt. Über Karlheinz Stockhausen, SuKuLTuR Verlag, Berlin 2008 (= „Schöner Lesen“ Nr. 77), ISBN 978-3-937737-92-8
Renate, Renate, in: Kartographie der Nacht. Geschichten. Hrsg. von Lars Claßen, Suhrkamp Verlag, Berlin 2011 ISBN 978-3-518-46299-7
Juvenilia, Jugenderzählungen, Autorenedition Sarabande, München 2013, ISBN 978-3-95607-012-9
Hörspiel/Feature
2007: Meine Tonbänder sind mein Widerstand. Hörspiel mit Oliver Stritzel, Philipp Grimm, Christiane Rossbach, Wolfgang Pregler, Oliver Mallison, Hans Kremer, Peter Veit. Komposition: Samuel Schaab, Regie: Bernadette Sonnenbichler. BR Hörspiel und Medienkunst 2007. Als Podcast/Download im BR Hörspiel Pool.[27]
2008: Glückliche Erben oder gescheiterte Existenzen? Über das Nachkommen und Loskommen (BR)
2009: Ohne Ende. Skizzen zur Geschichte des unabsichtlichen Fragments (BR)
2011: Der Mann, der vom Sirius kam Über Karlheinz Stockhausen (DLR)
2012: Die Entstehung des Hörspiels „Umbach muss weg“. Hörspiel mit Martin Umbach, Kathrin von Steinburg, Ilona Grandke, Laura Maire, Thomas von Steinaecker, Philipp Götz, Wilfried Hauer, Beate Himmelstoß, Oliver Mallison, Wilhelm Manske, Hemma Sophia Michel, Heinz Peter, Tommi Piper, Jay Rutledge, Silvie Sperlich, Andrea Wenzl. Regie: Bernadette Sonnenbichler. BR-Hörspiel und Medienkunst 2012. Länge: 53'09. Als Podcast/Download im BR Hörspiel Pool[29].
2014: Ein Zettelkasten für Arno Schmidt. Zum 100. Geburtstag (BR)
2021 Das Dostojewski-Roulette - Von Spiel, Sucht und Literatur. Regie: Ulrich Lampen. SWR 2021.[31]
Film
Stockhausen – Musik für eine bessere Welt (54 Minuten), ARTE 2008/09 (mit Norbert Busè).
Reise zu Tolstoi (45 Minuten). 3sat 2010.
John Cage – Alles ist möglich (59 Minuten) 3sat 2011/12.
Richard Strauss und seine Heldinnen (52 Minuten) SRF, Arthaus Filmvertrieb 2013/14
„Der Spielmacher – George Tabori in Amerika“ (45 Minuten) 3sat 2014. (mit Norbert Busè)
Bewegte Republik Deutschland (4 Folgen à 45 Minuten) 3sat 2014
Von Dada bis Gaga – 100 Jahre Performance-Kunst (3 Folgen à 45 Minuten) 3sat 2015
Mythos Beethoven (2 Folgen à 30 Minuten) 3sat 2016
Leonard Bernstein – Das zerrissene Genie (52 Minuten) SRF, Arte, Unitel 2017/2018
Die großen Musikrivalen – Furtwängler vs. Toscanini (52 Minuten) Arte 2019/20
Electronic Vibrations - Ein Sound verändert die Welt (52 Minuten) Arte 2021[32]
Werner Herzog - Radical Dreamer (112 Minuten) 3B-Filmproduktion, Wavelength, SpringFilms, Arte 2021/22
Literatur
Politisch sein bedeutet nicht, Wahlkampf zu machen. Ein Gespräch mit Thomas von Steinaecker über Heinrich Mann. Von Alexander Fischer/Lisa Ziegler. In: Heinrich Mann-Jahrbuch 28 (2010). S. 235–241.
»Meine Kunst ist mein Alltag.«Zwischen Normalität und Ausnahmezustand. Ein Email-Interview mit Thomas von Steinaecker über das Verhältnis von Sprache, Literatur und Alltag. Von Julian Osthues. In: Schliff 6/2016. Literaturzeitschrift. edition text + kritik, München 2016. S. 105–113, ISSN 2510-4403.
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