Eva Pawlik-Seeliger (* 4. Oktober 1927 in Wien; † 31. Juli 1983 ebenda) war eine österreichische Eiskunstläuferin und Filmschauspielerin. Sie war Europameisterin und Olympiazweite, langjähriger Top-Star der Wiener Eisrevue und die erste Eiskunstläuferin der Welt, die TV-Sportkommentatorin wurde (beim ORF).
Vor dem Zweiten Weltkrieg galt Eva Pawlik als „Wunderkind“ auf dem Eis, als sie im Alter von nur vier Jahren bereits schnelle Pirouetten drehte und mühelos den einfachen Axel stand. Legendär war ihre Schaulauf-Nummer „Das Märchen vom standhaften Zinnsoldaten“ gemeinsam mit dem Wiener Weltmeister Felix Kaspar, mit dem sie international Aufsehen erregte. 1937 drehte die neunjährige Eva Pawlik in Arosa den Kurzfilm „Sonnige Jugend“, in dem nicht nur ihre kunstläuferischen, sondern auch ihre schauspielerischen Talente bereits deutlich zum Ausdruck kamen.
Im Paarlauf gewann Eva Pawlik – gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann Rudi Seeliger – eine Reihe von Jugend- und Juniorenmeistertiteln (immer vor den späteren Weltmeistern Kékesy/Király aus Ungarn) und den Österreichischen Meistertitel 1942 (präziser: Ostmarktitel, da Österreich nach dem Anschluss an das Deutsche Reich nicht existierte und der geografische Bereich Österreichs damals als „Ostmark“ bezeichnet wurde), bis der Krieg die beiden auseinanderriss. Rudi Seeliger musste einrücken und geriet an der Ostfront in Gefangenschaft, aus der er erst im Dezember 1949 zurückkehren sollte. Eva Pawlik konnte nur als Einzelläuferin weitertrainieren.
Bei den ersten entscheidenden internationalen Meisterschaften nach dem Zweiten Weltkrieg (Europameisterschaft 1947 und Weltmeisterschaft 1947) wurde Österreicherinnen und Österreichern die Teilnahme verwehrt, und so hatte die Konkurrenz im Jahr 1948, als Österreich wieder in die Internationale Eislaufunion aufgenommen war, bereits Rang und Namen voraus. Dennoch gelang es Eva Pawlik, bei der Europameisterschaft 1948 auf Anhieb beste Europäerin zu werden. Der Titel ging jedoch an die Kanadierin Barbara Ann Scott. Dass eine Nichteuropäerin Europameisterin werden konnte, blieb einmalig in der Sportgeschichte. Im Jahr 1948 errang Pawlik noch zwei weitere zweite Plätze: Silber bei den Olympischen Spielen in St. Moritz und bei der Weltmeisterschaft in Davos. Zu Eva Pawliks Trainern gehörten Gustav Hügel, der Weltmeister von 1897, 1899 und 1900, Angela Hanka, die WM-Zweite von 1914, Rudolf Kutzer und Edi Scholdan, in dessen Broadmoor Ice Revue (Colorado Springs) sie im Sommer 1948 der große Star war.
1949 holte Pawlik in Mailand trotz einer akuten Blinddarmentzündung[1] den längst fälligen Europameistertitel. Den ihr zustehenden Titel bei der Weltmeisterschaft 1949 raubte ihr ein äußerst mysteriöser Zwischenfall, dem bis heute der Verdacht von Sabotage anhaftet: Bruch des Eisschuhs kurz vor der Kür, sodass Pawlik aufgeben musste und die Tschechin Alena Vrzáňová, bei der EM sowohl in der Pflicht als auch in der Kür klar hinter der Wienerin, Weltmeisterin werden konnte.
Eva Pawlik war schon 1948 im Zuge einiger Schaulaufveranstaltungen in den USA angeboten worden, einen Hollywood-Film mit Gene Kelly zu drehen, der seine Tanzkünste auf einem am Eis fahrenden Podest mit ihrem Kunstlauf kombinieren wollte[2][3][4]. Billy Wilder sollte Regie führen, die spätere Oscar-Preisträgerin Helen Rose die Kostüme entwerfen. Pawlik lehnte jedoch ab, um ihren Amateurstatus für 1949 zu erhalten.[5] Als sie im Sommer 1949 Professional wurde, entschied sich für eine Karriere bei der Wiener Eisrevue. Auch hier interessierte sich der Film für sie: „Frühling auf dem Eis“ (1950) war der Titel des abendfüllenden Streifens, in dem sich Pawlik unter der Regie von Georg Jacoby in der weiblichen Hauptrolle als Partnerin von Hans Holt auch als Schauspielerin behaupten konnte. Die Liste der Darsteller liest sich wie das „Who is who“ der damaligen Film- und Theaterprominenz: Erich Auer, Hertha Mayen, Harry Fuß, Oskar Sima, Heinz Conrads und Ernst Waldbrunn. Die Musik stammte von Nico Dostal und Hanns Elin (Pseudonym des Zwölftöners Hanns Jelinek). Der Walzerkönig Robert Stolz widmete Eva Pawlik seine erste Eis-Operette („Die ewige Eva“, 1952).
Bei der Wiener Eisrevue, deren Tourneen durch ganz Europa führten (6-wöchige Gastspiele unter anderem in Berlin, Antwerpen, Moskau und Leningrad), wurde Eva Pawlik zur gefeiertsten und routiniertesten Showläuferin Europas seit der dreifachen Olympiasiegerin Sonja Henie aus Norwegen. So lautete das Urteil von Morris Chalfen, dem Boss des Konkurrenz-Unternehmens „Holiday on Ice“. Die US-amerikanische Kunstlauf-Journalistin Kelli Lawrence schreibt: "Wenn jemals das Zepter von einer maßgeblichen Eiskönigin Europas an eine andere übergeben worden ist, dann geschah das mit Henie und Pawlik."[6] Ihre Vielseitigkeit stellte Pawlik nicht nur dadurch unter Beweis, dass sie die einzige promovierte „Eisbombe“ des Ensembles war (Germanistik); internationale Beachtung gewann sie vor allem damit, dass sie nicht nur als Einzel-, sondern auch als Paarläuferin – gemeinsam mit ihrem Mann Rudi Seeliger (Heirat im Februar 1957) – alle Register eines Showprofis zog[7]. Die Eleganz ihrer Armbewegungen beim Wiener Walzer war ihr Markenzeichen, die Schleuderfiguren, bei denen Rudi Seeliger seine Frau an einem Fuß packte und kreisförmig durch die Luft wirbelte, sodass Evas Kopf an einer Stelle den Aufschlag auf das Eis nur knapp verfehlte, die akrobatische Sensation.[8] Pawlik und Seeliger wechselten 1955 zur deutschen Scala-Eisrevue und kehrten 1958 wieder zur Wiener Eisrevue zurück.
Im Film Traumrevue (1959) mit Susi Nicoletti und Waltraut Haas wurde Pawlik wieder als Schauspielerin eingesetzt. Am Eis lief sie einerseits – ihrer Rolle in der Rahmenhandlung entsprechend – als der große (fiktive) Eisrevuestar Ilona Karoly, andererseits war sie für Waltraut Haas das Double auf dem Eis.
Zu Beginn der 60er Jahre hängte Eva Pawlik ihre Schlittschuhe an den Nagel, wurde Mutter und begann eine weitere Karriere: als erste Eiskunstläuferin und überhaupt als erste Frau der Welt, die TV-Sportkommentatorin wurde[9]. Von 1963 bis 1972 kommentierte Pawlik – damals vielfach zur prime time mit enorm hohen Einschaltziffern – für den ORF alle Europa- und Weltmeisterschaften sowie alle Olympischen Bewerbe im Eiskunstlauf – "ähnlich der Arbeit von Dick Button, der an diesem Punkt seiner Karriere das Gleiche für die Vereinigten Staaten machte"[10]. Im „Rot-weiß-roten Sportarchiv“ würdigt der langjährige Chef der „Presse“-Sportredaktion Josef Metzger Eva Pawliks Kommentar als „sachlich, voll Wissen, gründlich und doch wieder so volkstümlich, dass es die breite Masse verstand. Auch in ihrer zweiten Eiskarriere, in der sie anderen, etwa Ingrid Wendl die Spur legte, wurde sie Spitze. Es gehörte zum guten Ton, die Pawlik zu hören. Ihr Wort zählte, ihr Kommentar hatte Gewicht.“
In ihrer Dissertation (Promotion zur Doktorin der Philosophie an der Universität Wien 1954) setzte sich Eva Pawlik mit der Lyrik von Stephan Milow (Pseudonym von Stephan von Millenkovich) wissenschaftlich auseinander.
Eva Pawlik war die erste Frau in der Geschichte der Universität Wien, welche bei einer Promotionsfeier die lateinischen Dankesworte sprach, die immer ein Promovend stellvertretend für alle Promovenden an den Rektor, den Dekan und den Promotor richtet ("Pro collato honore et dignitate gradus gratias innumeras agimus.").
Von 1973 bis 1981 unterrichtete sie an einem neusprachlichen Gymnasium Deutsch und Englisch.
Eva Pawlik starb am 31. Juli 1983 nach schwerer Krankheit, wenige Monate nach ihrem Mann Rudi Seeliger. Sie wurde am Wiener Zentralfriedhof bestattet.[11]
Wettbewerb / Jahr | 1942 | 1946 | 1947 | 1948 | 1949 |
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Olympische Winterspiele | 2. | ||||
Weltmeisterschaften | 2. | Z | |||
Europameisterschaften | 2. | 1. | |||
Österreichische Meisterschaften | 1.* | 1. | 1. | 1. | 1. |
Z = Zurückgezogen (wegen Bruch des Eisschuh-Absatzes beim Einlaufen zur Kür)
* 1942 im Paarlauf mit Rudi Seeliger („Ostmark“-Meisterschaften statt Österreichischer Meisterschaften)
Im Jahr 2008 wurde im Bezirksmuseum Wien-Meidling die Ausstellung „Die Wiener Eisrevue. Einst Botschafterin Österreichs – heute Legende“ gezeigt.[13] Vom Oktober 2014 bis zum Jänner 2015 fand in der Wiener Stadthalle eine Ausstellung über die Wiener Eisrevue statt ("Traumfabrik auf dem Eis"), in der Filme von Eva Pawlik und Rudi Seeliger auf dem Eis vorgeführt wurden. Begleitend erschien ein gleichnamiges Buch[14].
1930: Fritzi Burger | 1931–36: Sonja Henie | 1937–39: Cecilia Colledge | 1947–48: Barbara Ann Scott | 1949: Eva Pawlik | 1950: Alena Vrzáňová | 1951–52: Jeannette Altwegg | 1953: Valda Osborn | 1954: Gundi Busch | 1955: Hanna Eigel | 1956: Ingrid Wendl | 1957: Hanna Eigel | 1958: Ingrid Wendl | 1959: Hanna Walter | 1960–64: Sjoukje Dijkstra | 1965–66: Regine Heitzer | 1967: Gabriele Seyfert | 1968: Hana Mašková | 1969–70: Gabriele Seyfert | 1971–72: Beatrix Schuba | 1973–75: Christine Errath | 1976: Dianne de Leeuw | 1977–80: Anett Pötzsch | 1981: Denise Biellmann | 1982: Claudia Kristofics-Binder | 1983–88: Katarina Witt | 1989: Claudia Leistner | 1990: Evelyn Großmann | 1991–95: Surya Bonaly | 1996–97: Irina Sluzkaja | 1998–99: Marija Butyrskaja | 2000–01: Irina Sluzkaja | 2002: Marija Butyrskaja | 2003: Irina Sluzkaja | 2004: Júlia Sebestyén | 2005–06: Irina Sluzkaja | 2007–08: Carolina Kostner | 2009: Laura Lepistö | 2010: Carolina Kostner | 2011: Sarah Meier | 2012–13: Carolina Kostner | 2014: Julija Lipnizkaja | 2015: Jelisaweta Tuktamyschewa | 2016–17: Jewgenija Medwedewa | 2018: Alina Sagitowa | 2019: Sofja Samodurowa | 2020: Aljona Kostornaja | 2022: Kamila Walijewa
1913: Gisela Reichmann | 1914, 1916: Paula Zalaudek | 1917–1918: Gisela Reichmann | 1922–1927: Herma Szabó | 1928–1931: Fritzi Burger | 1932–1933: Hilde Holovsky | 1934–1935: Liselotte Landbeck | 1936–1939: Emmy Putzinger | 1940–1941: Hanna Niernberger | 1942–1943: Martha Musilek | 1946–1949: Eva Pawlik | 1950: Lilly Fuchs | 1951: Lotte Schwenk | 1952–1954: Annelies Schilhan | 1955–1956: Ingrid Wendl | 1957: Hanna Eigel | 1958: Ingrid Wendl | 1959: Hanna Walter | 1960–1966: Regine Heitzer | 1967–1972: Beatrix Schuba | 1973–1976: Sonja Balun | 1977–1982: Claudia Kristofics-Binder | 1983: Sonja Stanek | 1984: Parthena Sarafidis | 1985–1987: Sabine Paal | 1988–1992: Yvonne Pokorny | 1993: Andrea Kus | 1994: Julia Lautowa | 1995: Angela Tuska | 1996: Andrea Kus | 1997: Julia Lautowa | 1998–1999: Jubilee Jenna Mandl | 2000: Julia Lautowa | 2001: Anna Wenzel | 2002–2004: Julia Lautowa | 2005: Karin Brandstätter | 2006: Andrea Kreuzer | 2007: Kathrin Freudelsperger | 2008: Denise Kögl | 2009–2010: Miriam Ziegler | 2011: Belinda Schönberger | 2012–2017: Kerstin Frank | 2018–2019: Lara Roth | 2020-2021: Olga Mikutina | 2022: Stefanie Pesendorfer
1913: Helene Engelmann und Karl Mejstrik | 1914: Christa von Szabó und Leo Horwitz | 1921–1923: Helene Engelmann und Alfred Berger | 1924: Lilly Scholz und Otto Kaiser | 1925–1926: Herma Szabó und Ludwig Wrede | 1927–1929: Lilly Scholz und Otto Kaiser | 1930: Melitta Brunner und Ludwig Wrede | 1931–1932: Lilly Gaillard und Willy Petter | 1933–1935: Idi Papez und Karl Zwack | 1936–1941: Ilse Pausin und Erik Pausin | 1942: Eva Pawlik und Rudi Seeliger | 1943, 1946–1949: Herta Ratzenhofer und Emil Ratzenhofer | 1950: Susi Giebisch und Rudi Seeliger | 1951: Elli Staerck und Harry Gareis | 1952–1956: Sissy Schwarz und Kurt Oppelt | 1957–1958: Liesl Ellend und Konrad Lienert | 1959–1961: Diana Hinko und Heinz Döpfl | 1962: Diana Hinko und Bernd Henhapel | 1963–1966: Gerlinde Schönbauer und Willy Bietak | 1967–1971: Evelyne Schneider und Willy Bietak | 1972–1976: Ursula Nemec und Michael Nemec | 1977: Jenny Booth und Michael Nemec | 1978–1980: Ingrid Fuchs und Walter Fuchs | 1981: ? und ? | 1992–1996: Ulrike Gerstl und Björn Lobenwein | 1998: Marion Haas und Björn Lobenwein | 1999: Claudia Koll und Björn Lobenwein | 2011–2013: Stina Martini und Severin Kiefer | 2014–2018, 2020-2022: Miriam Ziegler und Severin Kiefer
Personendaten | |
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NAME | Pawlik, Eva |
KURZBESCHREIBUNG | österreichische Eiskunstläuferin und Filmschauspielerin |
GEBURTSDATUM | 4. Oktober 1927 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 31. Juli 1983 |
STERBEORT | Wien |