Ida Ehre (* 9. Juli 1900 in Prerau (Mähren), Österreich-Ungarn; † 16. Februar 1989 in Hamburg) war eine österreichisch-deutsche Schauspielerin, Regisseurin und Theaterleiterin.
Leben
Kindheit und Ausbildung
Ida Ehre war die Tochter des Chasan Samuel Ehre (* 1864; † 1902) und dessen Ehefrau Bertha (* 1870; † unbekannt). Sie wurde als zweitjüngstes Kind von sechs Kindern geboren. Ihr Vater starb, als sie zwei Jahre alt war. Obwohl er Beamter war, erhielt seine Ehefrau aufgrund seines jungen Sterbealters keine Pension. Dies führte dazu, dass Ida Ehres Mutter mit den Kindern nach Wien umzog, um dort ihren Lebensunterhalt durch Näharbeiten zu verdienen. Die Mutter und eine Schwester wurden später – nach dem Anschluss Österreichs – deportiert und im Konzentrationslager ermordet.
Während des Ersten Weltkriegs lernte Ida die Burgschauspielerin Auguste Wilbrandt-Baudius kennen und wurde deren Gesellschafterin und Sekretärin. Auf Vermittlung von Auguste Wilbrandt-Baudius erhielt sie bei dem Burgschauspieler Heinrich Prechtler Schauspielunterricht; nachdem dessen Ehefrau 1915 gestorben war, beging er 1917 Suizid[1]. Ida Ehre stellte sich 1916 an der k.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien zur Hauptprüfung vor. Nach deren Bestehen erhielt sie ein Stipendium und konnte mit einer zweijährigen Schauspielausbildung beginnen. Nachdem sie ihr Abschlussdiplom erhalten hatte, wurde sie sofort von einem Theaterdirektor engagiert und hatte 1918 ihr erstes Engagement in Bielitz-Biela in Oberschlesien.
Werdegang
Ihre Karriere führte Ida Ehre nach ihrem Debüt am Stadttheater Bielitz an mehrere mitteleuropäische Theater, unter anderem nach Budapest, Czernowitz, Cottbus, Bonn, Königsberg, Stuttgart und an das Nationaltheater Mannheim. Ab 1930 spielte sie am Lessingtheater in Berlin.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Ida Ehre als Jüdin mit Berufsverbot belegt und arbeitete daher als Arzthelferin in der Praxis ihres Ehemanns, Frauenarzt Bernhard Heyde (1899–1978) in Böblingen. Eine nach den Novemberpogromen 1938 geplante Auswanderung nach Chile schlug 1939 fehl, da das Schiff, auf dem sich das Ehepaar mit der Tochter Ruth (* 20. Oktober 1927 in Mannheim) befand, wegen des Beginns des Zweiten Weltkriegs wieder nach Hamburg zurückbeordert wurde. Ida Ehre wurde später von der Gestapo verhaftet und war im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. In einem Interview berichtete sie später, Grund für die Verhaftung sei gewesen, dass sie zufällig bei Filmaufnahmen anwesend gewesen war und dort von einem Kameramann gebeten wurde, doch vor die Kamera zu treten und sich filmen zu lassen. Da sie Angst hatte, ihre jüdische Herkunft anzugeben, habe sie diesem Wunsch entsprochen, sei dann aber von einer anderen Frau angezeigt worden, weil sie sich nicht als Jüdin zu erkennen gegeben habe. In Fuhlsbüttel versuchte sie, die übrigen inhaftierten Frauen nach Möglichkeit aufzumuntern und ihnen Mut zu machen, was ihr –trotz mehrerer Transporte in Vernichtungslager, die während ihrer Haftzeit zusammengestellt wurden– auch gelang. Schließlich wurde sie wieder entlassen; ihrer Vermutung nach weil ihr Ehemann einen Brief an Heinrich Himmler schrieb und darin Erinnerungen an seine Schulzeit schilderte – Bernhard Heyde hatte, wenn auch in einer anderen Klassenstufe, das gleiche Gymnasium besucht wie Himmler, wo zudem dessen Vater Gebhard Himmler Konrektor gewesen war.[2]
Nach Kriegsende eröffnete Ida Ehre noch 1945 die Hamburger Kammerspiele in der Hartungstraße im Stadtteil Rotherbaum – in einem Theatergebäude, das bis zu seiner Zwangs-„Arisierung“ 1941 vom Jüdischen Kulturbund genutzt worden war. Die Kammerspiele entwickelten sich unter ihrer Leitung zu einer führenden deutschen Schauspielbühne. Neben junger deutscher Dramatik (u.a. Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür) stellte Ehre in den Kammerspielen viele moderne Theaterstücke erstmals in Deutschland vor, darunter Stücke von Jean Anouilh, T. S. Eliot, Jean Giraudoux, Jean-Paul Sartre und Thornton Wilder.
Ida Ehre wirkte verstärkt ab Mitte der 1950er Jahre in verschiedenen Film- und Fernsehproduktionen mit. Darunter befand sich 1947 der Episodenfilm In jenen Tagen von Helmut Käutner mit Gert Karl Schaefer, Erich Schellow und Willy Maertens. Im Jahr 1962 verkörperte Ida Ehre die Figur der Ella Ward in dem Edgar-Wallace-Film Die toten Augen von London in der Regie von Alfred Vohrer mit Joachim Fuchsberger, Karin Baal und Dieter Borsche in den Hauptrollen.
1972 spielte Ida Ehre in der vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) produzierten mehrteiligen Verfilmung des Kriminalromans Der rote Schal von Wilkie Collins die Frau Oldershaw.
Ida Ehre arbeitete ab 1945 auch in sehr vielen Hörspielen als Sprecherin mit. In der Hörspieladaption (Produktion Nordwestdeutscher Rundfunk) des Theaterstücks Unsere kleine Stadt von Thornton Wilder in der Regie von Helmut Käutner mit Dagmar Altrichter, Fritz Wagner und Harry Meyen sprach sie die Rolle der Mrs. Webb.
Sie war auch als Synchronsprecherin tätig. So konnte man Ida Ehre unter anderem in dem Frank Capra–Film Ist das Leben nicht schön? als deutsche Stimme von Beulah Bondi als Ma Bailey hören.[3]
Bis zu ihrem Tod 1989 war Ehre Leiterin der Kammerspiele, nur wenige Gehminuten von dort entfernt hatte sie eine Wohnung in der Hallerstraße.[4]
Am 9. November 1988 trug Ida Ehre während einer Gedenkstunde zum 50. Jahrestag der Novemberpogrome 1938 vor dem Deutschen Bundestag in Bonn das Gedicht Todesfuge von Paul Celan vor. Danach hielt Bundestagspräsident Philipp Jenninger eine Gedenkrede, die scharf kritisiert wurde.[5][6]
Ida Ehre wurde in Hamburg auf dem Friedhof Ohlsdorf (am äußersten südöstlichen Rand des Althamburgischen Gedächtnisfriedhofs) in einem Ehrengrab, Nr.06(6), neben Gustaf Gründgens beigesetzt.[7]
Auszeichnungen
1970 verliehen die Mitglieder der Hamburger Volksbühne Ida Ehre den Ehrenpreis Silberne Maske. Im gleichen Jahr erhielt sie die Medaille für Kunst und Wissenschaft der Freien und Hansestadt Hamburg. 1971 wurde Ida Ehre mit dem Schillerpreis der Stadt Mannheim geehrt. 1975 wurde ihr der Ehrentitel Professor durch den Senat der Stadt Hamburg verliehen. 1983 wurde ihr das große Bundesverdienstkreuz überreicht, womit auch ihr politisches Engagement für Frieden und Freiheit gewürdigt wurde. 1985 wurde sie als erste Frau Ehrenbürgerin der Hansestadt Hamburg. 1984 erhielt sie das Silberne Blatt der Dramatiker Union. Außerdem wurde sie 1988 Ehrendoktor der Universität Hamburg.
Widmungen
Im Jahr 1992 wurde der Platz vor der Kongresshalle in Böblingen in Ida-Ehre-Platz umbenannt.
In der Hamburger Altstadt wurde am 9. Juli 2000 ein Platz zwischen Mönckebergstraße und Speersort in Ida-Ehre-Platz benannt.
Im Jahr 2001 wurde die Jahnschule in Hamburg-Harvestehude in Ida-Ehre-Gesamtschule umbenannt, die seit 2010 den Namen Ida-Ehre-Schule trägt.
1964: Königinnen von Frankreich (nach Thornton Wilder) – Regie: Gerlach Fiedler
1966: Yamamba – die Berghexe (Yamamba) – Regie: Bernhard Rübenach
1966: Aus der alten Heimat – zwei Folgen – Regie: Edward Rothe
1968: Geisterbahn – Regie: Peter Michel Ladiges
1970: Faust – Der Tragödie dritter Teil – Regie: Ludwig Cremer
1984: Das Ohrenlicht – Regie: Ulrich Gerhardt
1985: Eine Nacht im Mai – Regie: Peter Lilienthal
1986: Gralserzählung – Regie: Friedhelm Ortmann
1988: Mutter und Sohn – Regie: Hans-Ulrich Minke
Literatur
Anna Brenken: Ida Ehre. Ellert und Richter, Hamburg 2002, ISBN 3-8319-0095-7.
Antje Dertinger: Frauen der ersten Stunde. Aus den Gründerjahren der Bundesrepublik, J.Latka Verlag, Bonn 1989, ISBN 3-925068-11-2, S. 24–33
Ida Ehre: Gott hat einen größeren Kopf, mein Kind... (Memoiren). Rowohlt, Reinbek, ISBN 3-499-12160-3.
Ida Ehre, Sepp Schelz: Zeugen des Jahrhunderts. Ida Ehre. Ullstein, 1999 ISBN 3-548-33252-8.
Michaela Giesing: Ida Ehre und die Hamburger Kammerspiele. In: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 16. Oktober 2017; doi:10.23691/jgo:article-210.de.v1
Wolfgang Homering (Hrsg.): Ida Ehre im Gespräch mit Sepp Schelz. Ullstein, Berlin 1999, ISBN 3-548-33252-8.
Hermann J. Huber: Langen Müller’s Schauspielerlexikon der Gegenwart. Deutschland. Österreich. Schweiz. Albert Langen • Georg Müller Verlag GmbH, München • Wien 1986, ISBN 3-7844-2058-3, S.210.
Verena Joos: Ida Ehre. „Mutter Courage des Theaters“. Econ und List, München 1999, ISBN 3-612-26568-7.
Rudolf Pörtner: Mein Elternhaus – Ein deutsches Familienalbum. dtv, 1986 ISBN 3-430-17520-8. S. 11–22.
C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S.156.
Ida Ehre unter „historische Persönlichkeiten“ – hamburg.de
Ida Ehreim Gespräch mit Sepp Schelz, in der Reihe Zeugen des Jahrhunderts, angelegt im Projekt Gedächtnis der Nation (Interview – 9. Juli 1985–Dauer 1:09:23h).
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