Werner Paul Walther Finck (* 2. Mai 1902 in Görlitz; † 31. Juli 1978 in München) war ein deutscher Kabarettist, Schauspieler und Schriftsteller.
Leben
Werner Finck wurde als Sohn des Apothekers Botho Finck geboren und besuchte nach dem Gymnasium die Kunstschule in Dresden.[1] In verschiedenen Laienspielgruppen machte er erste Theatererfahrungen. Sein erstes Engagement als Schauspieler hatte er am Theater von Bunzlau, wo er über unbedeutende Nebenrollen nicht hinauskam, aber gleichzeitig sein komisches Talent entdeckt wurde.
1928 kam Werner Finck nach Berlin, wo er mit Hans Deppe das Kabarett Die Katakombe gründete und leitete. Seine Programme waren voller (gefährlicher) Wortspiele, wie beispielsweise über die von ihm vermeintlich gepflanzte Hitler-Eiche: „Vor ein paar Monaten war sie noch ganz klein, gerade bis zu meinen Knöcheln, dann reichte sie mir bis an die Knie, und jetzt steht sie mir schon bis zum Hals.“
1935 wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Esterwegen gebracht, wo er unter anderem Carl von Ossietzky und Julius Leber begegnete. „Am 1. Juli 1935 wurden wir auf Anordnung Görings, der damit Goebbels offensichtlich eins auswischen wollte, von einem Tag zum anderen aus dem KZ entlassen.“ Er erhielt ein Jahr Arbeitsverbot. Schon zu den Olympischen Spielen 1936 schrieb er aber wieder für das Berliner Tageblatt eine mit Wortspielen gespickte Kolumne. In der letzten Ausgabe, am 16. August 1936, war zu den Leistungen von Jesse Owens zu lesen: „Wie wird Leni alles aufgenommen haben? (…) Und plötzlich sieht sie’s negativ, wie positiv der Neger lief. Im Negativ werden wir gerächt: Ganz vorn, Meter voraus, läuft der weiße Mann, hintennach kommen die Schwarzen!“
Ab 1937 durfte er wieder im Kabarett der Komiker auftreten, dessen Leiter Willy Schaeffers jedoch 1939 persönlich bei Goebbels den Verzicht auf politische Witze erklären musste, um das Theater zu erhalten.[2] Am 31. Januar 1939 wurde Finck aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen.[3] Um einer neuerlichen Verhaftung zu entgehen, meldete er sich 1939 freiwillig zum Kriegsdienst und wurde zum Funker ausgebildet. Als Soldat der 23. Infanterie-Division[4] war er in Frankreich, in der Sowjetunion und Italien und erhielt das Eiserne Kreuz 2. Klasse (EKII) und die Medaille Winterschlacht im Osten 1941/42, von Finck als „Gefrierfleischorden“ bezeichnet.[5] Werner Finck genoss nach eigener Darstellung als Soldat die Protektion regimekritischer Offiziere, die die von Goebbels gewünschte Entlassung aus der Wehrmacht und Überstellung an die Gestapo verhinderten, und trat als Chef der Frontbühne Italien zur Truppenbetreuung in Unterhaltungsprogrammen auf.[6]
1945 kam er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Er gründete die Zeitschrift Die Fieberkurve für verletzte deutsche Kriegsgefangene und hatte im oberbayerischen Lager Aibling Auftritte vor Kriegsgefangenen. Von 1945 bis 1949 gab er zusammen mit Hans Bayer in Stuttgart Das Wespennest, die erste deutsche satirische Zeitschrift nach dem Zweiten Weltkrieg, heraus.[7] 1946 trat Werner Finck im Schmunzelkolleg (München) auf und gründete „Die Schmunzelpartei“. Er gründete bzw. leitete die Kabaretts Nebelhorn in Zürich (1947) und Mausefalle in Stuttgart (1948), wo er erstmals seine Erinnerungen in ein Programm fasste (Kritik der reinen Unvernunft).
1950 erfolgte in der Berliner Taberna academica die Gründung der Partei Radikale Mitte, die mit Parolen wie „Gegen Kompromisslosigkeit“, „Für Aufrüstung der Toleranz“, einer Sicherheitsnadel als Parteiabzeichen und einem weißen Tischtuch als Fahne gegen den „Ernst der Zeit“ (Adenauer) der deutschen Nachkriegspolitik antrat.[8] 1962 wurde er ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste.[1] 1964 folgte Fincks Programm Bewältigte Befangenheit in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. In zahlreichen Spielfilmen besetzte er Nebenrollen. Sechs Jahre vor seinem Tod erschien 1972 seine Autobiografie Alter Narr – was nun? Im selben Jahr trat er in der Rolle des Gregor in Rainer Werner Fassbinders fünfteiliger Familienserie Acht Stunden sind kein Tag auf.
Sein Leichnam wurde auf dem Waldfriedhof in München/Neuer Teil im Grab Nr. 475-UW-8 beigesetzt.[9]
Bedeutung
Werner Finck war ursprünglich kein politischer Kabarettist. „Ich bin ein eingefleischter Individualist. Das ist das ganze Problem.“ Erst mit der Katakombe „trat etwas in mein Leben, was ich vorher nicht gekannt hatte: Die Politik.[…] Man hat seine Witze von links nach rechts verteilt.[…] Man bekam Angst.[…] Wenn ich damals gewußt hätte, was man heute weiß: daß das alles nur Mitläufer waren.[…] Manche haben sich so gut getarnt, daß sie Gauführer wurden.[…] Es gibt also Leute, die behaupten heute, ich wäre gegen die Nazis gewesen. Ich möchte also gleich betonen: Das sind Verleumdungen. Ich denke ja weiter.[…] Was ich natürlich zugeben muß, ist etwas anderes: Die Nazis waren gegen mich.“[10]
Werner Finck ist letztlich durch die politische Situation während der Zeit des Nationalsozialismus zu dem bedeutenden Kabarettisten geworden, als der er noch heute bekannt ist. In dieser Zeit perfektionierte er in dem Wunsch, sich den Kopf nicht verbieten zu lassen, ihn aber auch nicht zu verlieren, seine Technik der nicht zu Ende gesprochenen Sätze (Anakoluthe) und Doppeldeutigkeiten und des entlarvenden Wortwörtlichnehmens. „Kommen Sie mit? Oder muß ich mitkommen?“ fragte er die Gestapo-Beamten, die sich in seinen Programmen Notizen machten.
Bertolt Brecht widmete ihm 1947 das Gedicht Eulenspiegel überlebt den Krieg.
Auch in der Bundesrepublik sorgte er für Unwillen, zum Beispiel bei der CSU („Das christliche Bayern kann nur empört sein.“).[11]
Werner Finck ist ein Stern im Walk of Fame des Kabaretts gewidmet.
1947: Fred Wiesen: Die Geheimen (Sprecher) – Regie: Alfred Vohrer (Hörspiel – SDR)
Buchveröffentlichungen
Neue Herzlichkeit. K. Nierendorf, Berlin 1931.
Das Kautschbrevier. Herbig, Berlin 1938.
Kavaliere, Käuze, Kerle: Ein Kabarettbuch. Siegel, Frankfurt a.M. 1947.
Aus der Schublade: Bekanntes und weniger Bekanntes. Herbig, Berlin 1948.
Orpheus in der Unterwelt (mit Wilhelm Meissner-Ruland). Steegemann, Berlin 1949.
Finckenschläge. Herbig, Berlin 1953; Rastatt 1981, ISBN 3-8118-4804-6; Reinbek 1978, ISBN 3-499-11832-7.
Witz als Schicksal, Schicksal als Witz: Ein deutsches Bilderbuch zu Nutz und Frommen, Punkt (mit Klaus Budzinski). v. Schröder, Hamburg 1966.
Werner Finck in Amerika. Scherz, Bern, München, Wien 1966.
Alter Narr – was nun? Die Geschichte meiner Zeit. Herbig, München, Berlin 1972. ISBN 3-7766-0589-8; München 1975, ISBN 3-423-01044-4; Frankfurt/M., Berlin 1992, ISBN 3-548-22997-2.
Zwischen den „Stühlen“. Hyperion, Freiburg im Breisgau 1973.
Übrigens viel Spaß. Satiren aus aller Welt (Vorwort). Fackelträger, Hannover 1973, ISBN 3-7716-1353-1.
Der brave Soldat Finck. Herbig, München, Berlin 1975, ISBN 3-7766-0723-8.
Zwischendurch. Ernste Versuche mit dem Heiteren. Herbig, München, Berlin 1975, ISBN 3-7766-0734-3; Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-596-21845-4.
Stich-Worte: zum Vor-, Nach- und Zuschlagen. Herbig, München, Berlin 1982, ISBN 3-7766-1199-5.
Spaßvogel – Vogelfrei. Ullstein, Berlin 1991, ISBN 3-548-22923-9.
Tonträger
Das klingendes Horoskop – Schütze. Polydor 24122 (1959, Schallplatte)
Werner Finck spricht Werner Finck. DECCA DSF 13507 „Wort und Stimme“ (Schallplatte)
Phantasie in Doll und andere Finckenschläge. Teldec, Hamburg (1960, Schallplatte)
Finckenschläge. Telefunken/Decca C-119 Dt. Schallplattenclub (196?, 10″-Schallplatte, B-Seite: Robert T. Odemann)
Der brave Soldat schweigt. Polydor HI-FI 46595 (1963, Schallplatte)
USA, USA usw., usw. Polydor Literarische Kleinkunst 237822 (1966, Schallplatte)
Am besten nichts Neues: Live-Mitschnitt eines Werner Finck-Soloabends im Österreichischen Fernsehen. Metronome 201.002; OE: Amadeo AVRS 9240, Wien (1967, Schallplatte)
Alter Narr – was nun?. (Live-Aufnahme) Ariola 87095 IW (1972, Schallplatte)
Sire, geben Sie Gedanken…. (Live-Aufnahme) Fontana 6434 152 (197?, Schallplatte)
Die zweite Scheibe Schütten Oesterwind Brot. (1974, Werbe-Schallplatte)
Kraft durch Freunde. Euromaster 786 (1976, Schallplatte)
Werner Finck: ein Porträt (von Karin Köbernick). hrMedia, Frankfurt am Main 2001, 1 CD, ISBN 3-89844-215-2
Aufgehobene Rechte: Kabarett aus der Katakombe; aus dem Nachlaß Werner Fincks in der Stiftung Deutsches Kabarettarchiv e.V. Patmos, Düsseldorf 2002, 1 CD, ISBN 3-491-91114-1[13]
Alter Narr – was nun?. Herbig, München 2002, 1 CD, ISBN 3-7844-4008-8[14]
Filmdokumentationen
Genie und Narr: Werner Finck. Deutsche Fernsehdokumentation von Jürgen Miermeister. Erstausstrahlung: 2. Mai 2002, ca. 45 Minuten
Heil Hitler, das Schwein ist tot! – Humor unterm Hakenkreuz. Deutsche Fernsehdokumentation von Rudolph Herzog. 2006, ca. 45 Minuten
Literatur über Werner Finck
Swantje Greve: Werner Finck und die Katakombe. Ein Kabarettist im Visier der Gestapo. Hentrich & Hentrich, Berlin 2014, ISBN 978-3-95565-055-1.
Helmut Heiber: Die Katakombe wird geschlossen (= Archiv der Zeitgeschichte.ISSN0570-6688, Bd. 4). Scherz, München 1966.
C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S.181.
Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 2: C – F. John Paddy Carstairs – Peter Fitz. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S.678.
Ulrich Wickert: Freyheit. Das Lebensmotto des Kabarettisten im KZ. In: Neugier und Übermut. Hoffmann und Campe, Hamburg 2012, ISBN 978-3-455-50277-0. Wiederveröffentlichung in: Ulrich Wickert: Nie die Lust aus den Augen verlieren. Lebensthemen. Hamburg 2017.
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