fiction.wikisort.org - Regisseur

Search / Calendar

Mati Unt (* 1. Januar 1944 in Linnamäe, Kreis Jõgeva, Estnische SSR; † 22. August 2005 in Tallinn) war ein estnischer Schriftsteller, Theaterregisseur, Übersetzer und Literaturkritiker.

Mati Unt 2001
Mati Unt 2001

Leben


Mati Unt besuchte von 1951 bis 1958 die Dorfschule von Leedimäe (Kreis Jõgeva) und legte 1962 sein Abitur in Tartu ab. Bis 1967 studierte er Journalistik an der Universität Tartu.

1966–1972 arbeitete Mati Unt am Theater Vanemuine in Tartu, 1974–1981 war er künstlerischer Leiter am „Theater der Jugend“ in Tallinn, dem heutigen Tallinner Stadttheater. Die folgenden zehn Jahre (1981–1991) war er dort Regisseur, und danach von 1992 bis 2003 Regisseur am Dramatheater in Tallinn. Daneben inszenierte er auch an zahlreichen renommierten in- und ausländischen Theatern. Die letzten Jahre lebte er als freischaffender Künstler in Tallinn. 2005 bekleidete er die Professur der freien Künste an der Universität Tartu.

Mati Unt war seit 1966 Mitglied des Estnischen Schriftstellerverbandes und vom 1976 bis 1981 dessen Sekretär.[1] Er war einer der Unterzeichner des Briefs der Vierzig im Herbst 1980.


Werk


Mati Unt debütierte 1963 als 19-jähriger Abiturient in einem Schüleralmanach mit der Erzählung „Lebwohl, gelbe Katze“, worin er ein ungeschöntes Bild von seinem Innenleben gibt, was damals ein Novum in der estnischen Literatur war. Er berichtet von seinen Idealen und Ängsten, behandelt Sinnfragen des Lebens und die Probleme mit der Elterngeneration, und auch die erste Liebe kommt selbstverständlich zur Sprache. Der Text wurde 1964 in einer Zeitschrift erneut abgedruckt und kam 1967 noch einmal als Buch heraus. Seine Wirkung auf die jüngere Generation ist mit der von J. D. Salingers Der Fänger im Roggen vergleichbar.[2]

Unt legte danach regelmäßig weitere Prosatexte vor, die schnell über die jüngere Generation hinaus große Popularität erlangten. Gemeinsam mit Arvo Valton und Enn Vetemaa war er der wichtigste Prosaerneuerer der 1960er- und 1970er-Jahre. Seinen größten, auch internationalen Erfolg erzielt er mit dem Roman Herbstball (1979, Deutsch 1987, s. u.), der in über zehn Sprachen übersetzt worden ist. Hierin beschreibt er das Schicksal von fünf Personen, die im Tallinner Stadtteil Mustamäe wohnen. Sie stehen in keinerlei Beziehung zueinander und illustrieren die Lebenssituation in einem modernen Vorort einer Großstadt in den 1970er-Jahren: Anonymität, Vereinsamung und Langeweile des urbanisierten Lebens. Lediglich der immer wieder aufblitzende Humor des Autors verhindert, dass die Lektüre deprimierend wird, wenngleich der modernen Städtebaupolitik durchaus ein düsteres Denkmal gesetzt wurde.

In den 1990er-Jahren wurde Mati Unt zum Hauptvertreter der Postmoderne in Estland.[3] Bezeichnend hierfür sind seine Romane Dinge in der Nacht (1990), Blutspenders Merkheft (1990) und Brecht bricht ein in der Nacht (1996), wobei letzterer diesen deutschen Paralleltitel vom Autor selbst verpasst bekommen hatte. Alle Texte verwenden die Collagetechnik und vermischen Fakt und Fiktion zu einem unentwirrbaren Knäuel. Anfang der 1990er-Jahre hatte Unt innerhalb der estnischen Kultur einen Picasso vergleichbaren Status erreicht, so dass „alles, was er schreibt, große Literatur [ist]. Auch dann, wenn er Trivialtexte verwendet oder einfach dummes Zeug quasselt“, wie es ein Kritiker formulierte.[4]

Ebenso wichtig waren Unts Theaterstücke, die schon frühzeitig einen neuen und unkonventionellen Weg einschlugen. Er verfremdete dabei häufig alte Mythen und verkehrte ihre Botschaft ins Absurde. In dem Schauspiel Phaeton, Sohn der Sonne (1968) wird der bekannte griechische Sagenstoff verfremdet: Anders als dort gelingt Phaeton das Lenken des Sonnenwagens nämlich sehr gut, sodass Hades mit den Worten „Wenn der Zufall nicht funktioniert, muss ich den Zufall vertreten“ ihn kurzerhand abschießt. „Damit ist die Botschaft umgekehrt: Im griechischen Mythos ist es die Hybris der Jugend, die ins Unglück führt, bei Unt ist es der Starrsinn der Alten, der das Unglück herbeiführt.“[5] Außerdem hat Unt zahlreiche Klassiker der Weltliteratur inszeniert und Filmdrehbücher geschrieben.


Rezeption im deutschsprachigen Raum


Auf Deutsch liegen zwei Romane von Mati Unt vor:[6]

Außerdem sind mehrere seiner Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien publiziert worden:

Im Herbst 1993 wurde Unts Stück Männermörderinnen im Rahmen der „Hammoniale '93. Festival der Frauen“ aufgeführt.[9]


Auszeichnungen


Gedenktafel an dem Haus, in dem Mati Unt von 1951 bis 1958 zur Schule ging.
Gedenktafel an dem Haus, in dem Mati Unt von 1951 bis 1958 zur Schule ging.

Bibliografie



Romane und Erzählungen



Theaterstücke


Die Theaterstücke sind nicht alle im Druck erschienen, hier werden die Jahre der Uraufführung genannt.


Essayistik



Literatur zum Autor





Einzelnachweise


  1. Eesti kirjanike leksikon. Koostanud Oskar Kruus ja Heino Puhvel. Tallinn: Eesti Raamat 2000, S. 631–632.
  2. Cornelius Hasselblatt: Geschichte der estnischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin, New York: De Gruyter 2006, S. 662.
  3. Piiret Viires: Postmodernism in Estonian literary culture. Frankfurt am Main [etc.]: Peter Lang 2012, S. 68–70.
  4. Ants Juske: Professionaalne diletant, in: Looming 8/1991, S. 1145.
  5. Cornelius Hasselblatt: Geschichte der estnischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin, New York: De Gruyter 2006, S. 653.
  6. Vgl. Cornelius Hasselblatt: Estnische Literatur in deutscher Übersetzung. Eine Rezeptionsgeschichte vom 19. bis zum 21. Jahrhundert. Wiesbaden: Harrassowitz 2011, S. 199–201, 124–226 und passim.
  7. Rezensionsnachweise bei: Cornelius Hasselblatt: Estnische Literatur in deutscher Sprache 1784–2003. Bibliographie der Primär- und Sekundärliteratur. Bremen: Hempen Verlag 2004, S. 158.
  8. Rezensionsnachweise ebenda.
  9. Vgl. Die ewige Angst der Männer..., in: Hamburger Morgenpost, Beilage zur Hammoniale, 8. September 1993.
  10. Der Name des bekannten estnischen Schriftstellers, luts, bedeutet ‚Quappe‘, das estnische Wort für ‚Wolf‘, hunt, kann auch ohne das anlautende h ausgesprochen, wodurch eine Namensgleichheit mit dem Autor entsteht.
Personendaten
NAME Unt, Mati
KURZBESCHREIBUNG estnischer Schriftsteller, Theaterregisseur, Übersetzer und Kritiker
GEBURTSDATUM 1. Januar 1944
GEBURTSORT Linnamäe, Kreis Jõgeva, Estnische SSR
STERBEDATUM 22. August 2005
STERBEORT Tallinn

На других языках


- [de] Mati Unt

[en] Mati Unt

Mati Unt (1 January 1944 Linnamäe, Voore Parish (now Voore, Mustvee Parish), Jõgeva County, Estonia – 22 August 2005, Tallinn) was an Estonian writer, essayist and theatre director.

[ru] Унт, Мати

Мати Унт (эст. Mati Unt; 1 января 1944, Линнамяэ, Йыгевамаа — 22 августа 2005, Таллин) — эстонский писатель, эссеист и театральный режиссёр. Заслуженный писатель Эстонской ССР (1980).



Текст в блоке "Читать" взят с сайта "Википедия" и доступен по лицензии Creative Commons Attribution-ShareAlike; в отдельных случаях могут действовать дополнительные условия.

Другой контент может иметь иную лицензию. Перед использованием материалов сайта WikiSort.org внимательно изучите правила лицензирования конкретных элементов наполнения сайта.

2019-2025
WikiSort.org - проект по пересортировке и дополнению контента Википедии