Thomas Heise (* 22. August 1955 in Ost-Berlin) ist ein deutscher Dokumentarfilmer, Autor und Theaterregisseur.
Thomas Heise bei einer Vorstellung von Heimat ist ein Raum aus Zeit im Rahmen von UNDERDOX (2019)
Leben
Heise, Sohn der Germanistin Rosemarie Heise[1] und des Philosophieprofessors Wolfgang Heise[2], absolvierte von 1971 bis 1973 eine Lehre als Drucker. Nach einjährigem Wehrdienst in der NVA arbeitete Thomas Heise 1975 bis 1978 als Regieassistent im DEFA-Studio für Spielfilme, unter anderem bei Heiner CarowsBis daß der Tod euch scheidet (1978). Zeitgleich holte er sein Abitur auf der Abendschule nach. 1978 begann er ein Regiestudium an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“, das er 1982 abbrach, um seine künstlerische Freiheit zu wahren. Seitdem ist Heise freiberuflich als Autor und Regisseur tätig. Seine ersten Dokumentarfilme, die während seines Studiums sowie für die Staatliche Filmdokumentation der DDR entstanden waren, wurden allerdings verboten bzw. gelangten nicht zur Aufführung.
1987 bis 1990 war Heise Meisterschüler bei Gerhard Scheumann an der Akademie der Künste der DDR. In dieser Zeit realisierte er für den Rundfunk der DDR das Radio-Feature Widerstand und Anpassung – Überlebensstrategie. Erinnerungen eines Mannes an das Lager Dachau (1987), dem seine Gespräche mit dem Schauspieler Erwin Geschonneck zugrunde liegen. Widerstand und Anpassung zählt zu den bedeutenden Werken im Bereich des O-Ton-Features. Trotz Geschonnecks Fürsprache wurde die fertige Produktion aus politischen Gründen auf Eis gelegt und ins Archiv verbannt. Anfang Dezember 1989, vier Wochen nach dem Fall der Mauer, wurde das Stück vom Berliner Rundfunk urgesendet.[3]
Von 1990 bis 1997 war Heise Mitglied des Berliner Ensembles.[4]
Erst nach der friedlichen Revolution wurde Thomas Heise bekannt und legte mehrere streitbare Werke vor, unter anderem 1992 STAU – Jetzt geht’s los[5] über die rechtsradikale Jugendszene in Halle an der Saale. Von 1993 bis 1998 inszenierte er mehrere Stücke am Berliner Ensemble, darunter Bertolt BrechtsDer Brotladen (1993) und Joe Fleischhacker (1998), Heiner MüllersZement (1994) und Der Bau (1996) und Michael Wildenhains Im Schlagschatten des Mondes und Hungrige Herzen (1995). Im Jahr 2002 wurde er von der DEFA-Stiftung mit dem Preis zur Förderung der deutschen Filmkunst geehrt. Sein Film Mein Bruder. We Will Meet Again lief auf der Berlinale 2005.
Am 5. September 2008 drehte er das Segment über den S-Bahnhof Ostkreuz für Volker Heises 24-stündiges Dokumentarfilmprojekt 24h Berlin – Ein Tag im Leben, das genau ein Jahr später auf mehreren Fernsehsendern ausgestrahlt wurde.
2009 wurde Heises Film Material im Forum der Berlinale uraufgeführt.[6] Der Film besteht aus zwölf zwischen 1988 und 2008 in Deutschland aufgenommenen Einzelfilmen, die bis dahin keine Verwendung gefunden hatten. Es sind u.a. Proben zur Inszenierung eines Stücks von Heiner Müller in Ost-Berlin zu sehen, der Demonstrationszug vom 4. November 1989 Unter den Linden, und Günther Schabowski, der auf dem Alexanderplatz ausgepfiffen wird.[7] Das Werk wurde anlässlich des Jubiläums des Mauerfalls von der Bundeskulturstiftung gefördert. Was seine Form betrifft, ist Material nicht eindeutig einem Genre zuzuordnen. Er wurde mit dem Grand Prix des Internationalen Filmfestivals von Marseille ausgezeichnet.[8]
Heises Film Die Lage über den Besuch von Papst Benedikt XVI. in Deutschland 2011 lief im Forum der Berlinale 2012.
Zwischen dem Wintersemester 2007/08 und dem Sommersemester 2013 war Thomas Heise Professor für Film an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Seit dem Wintersemester 2013/2014 ist er Professor für Kunst und Film an der Akademie für bildende Künste Wien.
In seinem Dokumentarfilm Heimat ist ein Raum aus Zeit aus dem Jahr 2019 entwirft Heise anhand von Briefen seines Großvaters Wilhelm Heise, seiner Mutter Rosemarie Heise und seines Vaters Wolfgang Heise eine Familiengeschichte über vier Generationen und gleichzeitig eine Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert.[9] Der Film geht nicht auf in einem anonymen Großgeschehen, sondern ist auch insofern „Gegengeschichtsschreibung“, als er eine „von vorhandenen Realitäten und Mentalitäten ausgehende“ differenzierende Sichtweise auf die DDR vertritt.[10] Der Film hatte im Februar 2019 Premiere im Forum der Berlinale und wurde im Juni desselben Jahres in Stuttgart mit dem Hauptpreis des Deutschen Dokumentarfilmpreises ausgezeichnet.[11]
Filmografie (Auswahl)
1980/1989: Wozu denn über diese Leute einen Film? (HFF Potsdam)
1981: Anka und… [abgebrochen]
1982: Erfinder 82 (HFF Potsdam)
1984: Das Haus / 1984 (Staatliche Filmdokumentation der DDR)
1985: Volkspolizei / 1985 (Staatliche Filmdokumentation der DDR)
Vorname Jonas, 1983 produziert für den Rundfunk der DDR, verboten, gesendet im DeutschlandRadio Berlin 1989[13]
Schweigendes Dorf, Bühnenfassung 1987, gesendet im DeutschlandRadio Berlin 1992[14]
Widerstand und Anpassung – Überlebensstrategie, ein Gespräch mit dem Schauspieler Erwin Geschonneck, produziert für den Rundfunk der DDR 1987, verboten, gesendet im DeutschlandRadio Berlin 1989[15][16]
Schriften
Spuren. Eine Archäologie der realen Existenz, Texte zum Dokumentarfilm, Band 13; Verlag Vorwerk 2010. ISBN 978-3-940384-22-5
Auszeichnungen (Auswahl)
1991: Förderpreis, 34. Internationales Festival für Dokumentar- und Animationsfilm Leipzig, für Eisenzeit
1992: Förderpreis, DokumentART Neubrandenburg, für Eisenzeit
1992: Bester Dokumentarfilm, Preis der Deutschen Filmkritik Duisburger Filmwoche, für STAU – Jetzt geht's los
1993: 1. Preis des Dänischen Filminstituts, für STAU – Jetzt geht's los
1993: 1. Preis der Niederländischen Fernsehakademie, für STAU – Jetzt geht's los
1995: Kunstpreis der Film- und Medienkunst, Akademie der Künste (Berlin)
1997: Silberne Taube, 40. Internationales Festival für Dokumentar- und Animationsfilm Leipzig, für Barluschke
2000: Bester Dokumentarfilm, Preis der Deutschen Filmkritik, Saarbrücken, für Neustadt (Stau – Der Stand der Dinge)
2002: Preis der DEFA-Stiftung zur Förderung der Deutschen Filmkunst
2003: Prix special, Visions du Réel Nyon, für Vaterland
2005: Preis des Goethe-Instituts, Duisburger Filmwoche, für Mein Bruder
2007: Silberne Taube, 45. Internationales Festival für Dokumentar- und Animationsfilm Leipzig, für Kinder. Wie die Zeit vergeht
2009: Grand Prix des Internationalen Wettbewerbs, Festival International du Documentaire de Marseille, für Material
2014: DEFA Förderpreis, 61. Internationales Festival für Dokumentar- und Animationsfilm Leipzig, für Städtebewohner
2014: Arte Dokumentarfilmpreis, Duisburger Filmwoche, für Städtebewohner[4]
2019: Deutscher Dokumentarfilmpreis für Heimat ist ein Raum aus Zeit
2019: Caligari-Preis für Heimat ist ein Raum aus Zeit[17]
Literatur
Bernd Florath:Heise, Thomas. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band1. Ch.Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Matthias Dell/Simon Rothöhler (Hrsg.): Über Thomas Heise. Vorwerk 8, Berlin 2014.
Claus Löser: Im Zweifel für die Schwachen. Die radikale Ambivalenz des Thomas Heise. In: apropos: Film 2003 – Das Jahrbuch der DEFA-Stiftung, Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2003, S. 192–206, ISBN 3-929470-28-4.
Ihr eigener Lebensbericht in: Endlich wieder leben: Die fünfziger Jahre im Rückblick von Frauen, Hg. Helga Hirsch, Siedler Verlag 2012, S. 199 – 242; in google books einzusehen
Petra Kohse:Wodka wäre schon okay gewesen.In:taz.de.taz Verlags u. Vertriebs GmbH,2.Januar 1997,abgerufen am 31.Mai 2019.
Patrick Conley: „Abschied von diesem Land. Das Feature in der DDR.“ (Mementodes Originals vom 19. Juli 2011 im Internet Archive)Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.radio-feature.de (PDF; 1,2MB) In: Cut, Jg. 3, Nr. 10 (Oktober 1999): S. 36–40.
Untertitel: Mit „Heimat ist ein Raum aus Zeit“ erzählt Thomas Heise anhand von Briefen seiner bekannten Eltern eine Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. (Rosemarie Heise lebte von 1927 bis 2014)
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