Nordrand ist ein österreichischer Film aus dem Jahr 1999, der wegen seiner mehrfachen Auszeichnungen an internationalen Filmfestspielen, darunter die erste Nominierung eines österreichischen Films für den Goldenen Löwen seit 51 Jahren, in Österreich auf viel Beachtung gestoßen ist.
Die große Resonanz in den Medien hat das öffentliche Bild von österreichischem Filmschaffen nachhaltig positiv geprägt. Als Regisseurin und Drehbuchautorin zeichnete Barbara Albert, deren Spielfilmdebüt Nordrand darstellte, verantwortlich. Nina Proll wurde nach diesem Film als „Shooting Star“ gefeiert.
Wien, Ende des Jahres 1995. Jasmin und Tamara, die gemeinsam die Volksschule besucht haben, treffen einander zufällig in einem Wiener Krankenhaus bei einem Abtreibungstermin wieder. Jasmin, die aus einer Familie mit fünf Kindern und einem gewalttätigen Vater kommt, stürzt sich von einer Beziehung in die andere und wurde von ihrem Vorgesetzten in einer Wiener Konditorei ungewollt schwanger. Ein anderer Freund, zu dem sie immer wieder zurückkehrte, ist Wolfgang, der sie wie ihr Vater ebenfalls schlägt. Jasmin beschließt von zu Hause auszureißen.
Tamara, deren serbische Eltern wieder in Ex-Jugoslawien wohnen, wurde von ihrem Freund Roman schwanger. Die beiden sehen sich jedoch nur selten, da Roman als Grundwehrdiener die meiste Zeit der Woche an der österreichischen Grenze verbringt, wo zu dieser Zeit häufig Flüchtlinge aus Bosnien illegal einzuwandern versuchen. Einer von ihnen ist Senad, der nur wenig später an einem Morgen Jasmin, die mit Freunden Wolfgangs die Nacht durchgesoffen hatte, regungslos am Donauufer findet. Sie entgeht nur knapp einer Amputation aufgrund der schweren Erfrierungen ihrer Hände. Ihr illegal in Österreich befindlicher Helfer gibt sich erst einige Tage später zu erkennen: Er bringt ihr ihre Geldbörse, die er ihr entwendet, aus der er aber nichts herausgenommen hat, zum Arbeitsplatz in der Konditorei. Die beiden beginnen eine Beziehung.
Tamara und Roman gehen wegen Tamaras Schwangerschaftsabbruch sowie Romans Eifersucht zerstritten auseinander. Der Tod ihres Bruders Alexander in Bosnien belastet sie zusätzlich. Im Krankenhaus lernt sie Valentin kennen, einen jungen Rumänen, der Österreich nur als Zwischenstation auf seinem Weg nach Amerika sieht. Die beiden feiern gemeinsam mit Jasmin und Senad Silvester am Wiener Stephansplatz. Während Tamara und Valentin sich in der Folge näherkommen, verbringt Jasmin die Nacht erneut bei jemand anderem. Erst am folgenden Morgen kehrt sie zu Tamara zurück. Ein Schwangerschaftstest ergibt, dass Jasmin erneut schwanger ist – von Senad, wie sie sich sicher ist.
Am Ende des Films trennen sich die Wege von Jasmin, Tamara und Valentin. Valentin zieht weiter in die Vereinigten Staaten und Tamara reist nach Sarajevo zu ihrer Familie. Jasmin und Senad bleiben in Wien, wo Senad bereits einen Arbeitsplatz bei den Stadtwerken gefunden hat. Ob Jasmin erneut abtreiben lässt und wie ihr Beziehungsleben weiter geht, bleibt offen.
Der Film wurde von der Wiener Lotus-Film mit Koproduktion durch die Schweizer Fama Film und die deutsche Zero Film produziert. Gedreht wurde in Wien und Umgebung zwischen Dezember 1998 und März 1999.[1]
Der Film erhielt Förderungen vom Österreichischen Filminstitut, Filmfonds Wien, Eurimages, der deutschen Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg und dem Schweizer Bundesamt für Kultur. Die Fernsehsender ZDF und ARTE beteiligten sich ebenfalls an der Produktion. Das Catering stammte von der bekannten Köchin und Restaurantbesitzerin Sarah Wiener.
Der Filmverleih wird von der österreichischen Polyfilm, der deutschen Ventura und der Schweizer First Hand Films wahrgenommen. Der englische Verleihtitel ist Northern Skirts.
Mit den Arbeiten am Drehbuch begann Barbara Albert bereits 1995, gegen Ende des Bosnienkrieges, der Wien insofern beeinflusste, als Tausende Flüchtlinge in die Stadt kamen, was mitunter auch zu Spannungen zwischen Serben, Kroaten und Bosniaken führte. Handlung und Hintergründe orientieren sich an Erfahrungen Barbara Alberts und ihrem Freundes- und Bekanntenkreis in Wien.
Der Film soll auch einen anderen, realistischen und zeitgenössischen Blick auf die österreichische Gesellschaft, speziell am Rande der Stadt Wien, ermöglichen. Der Umgang mit und der Alltag von Zuwanderern aus dem ehemaligen Jugoslawien wird daher ebenso thematisiert wie Misshandlung in Familien. All dies beeinflusst das an der Grenze zwischen Jugend und Erwachsensein befindliche Leben der beiden Hauptcharaktere Jasmin und Tamara, die zudem mit Beziehungskrisen und Schwangerschaftsabbruch mit zusätzlichen Herausforderungen umgehen müssen.
Nordrand ist in mehrerer Hinsicht bedeutend. Die zu diesem Zeitpunkt 29-jährige Barbara Albert lieferte damit ihr international beachtetes und ausgezeichnetes Spielfilmdebüt ab und Nina Proll wurde in Venedig als Beste Schauspielerin ausgezeichnet und erlangte auch in Österreich viel Beachtung. Schließlich kann der Film auch als ein Wendepunkt in der österreichischen Filmgeschichte betrachtet werden, zumal es der erste Film seit 1948 war, der in Venedig für eine Auszeichnung nominiert wurde. Die Auszeichnungen für Nina Proll und Barbara Albert wurden von den österreichischen Medien begeistert aufgenommen und machten so vielen Österreichern erst bewusst, dass auch in Österreich international beachtetes Filmschaffen möglich und vorhanden ist. Der Film gilt daher für viele als Beginn einer neuen Ära des hochwertigen und anspruchsvollen österreichischen Films, wie sie in den folgenden Jahren vermehrt hergestellt wurden.
Die Welturaufführung des Films fand am 2. September 1999 an den Internationalen Filmfestspielen von Venedig statt, am 21. Oktober folgte die Österreich-Premiere an der Viennale. Der Film wurde bis 2001 an 37 Festivals in 26 Ländern weltweit vorgestellt und lief bei acht davon im Wettbewerb, wobei sechs Auszeichnungen eingeholt wurden.[2]
Kommerziell lief der Film jedoch nicht besonders gut. Der Film startete in österreichischen, deutschen und Schweizer Kinos und erreichte rund 55.000 Besucher in Österreich – für österreichische Verhältnisse mittelmäßig – in Deutschland 28.000 Besucher und in der Schweiz rund 3.500.[3]
Kinostart in Österreich war am 3. Dezember 1999,[1] in Deutschland am 31. August 2000 und in der Schweiz am 1. Juli 2001.
Nordrand wurde 2006 als einer von 100 Filmen in der „Edition österreichischer Film“ als DVD veröffentlicht.
Auswahl:
Nordrand war Österreichs Einsendung auf eine Nominierung bei der Oscarverleihung 2000 in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film, wurde aber weder nominiert noch ausgezeichnet.
Die Deutsche Film- und Medienbewertung FBW in Wiesbaden verlieh dem Film das Prädikat wertvoll.
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