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Christoph Funke (* 10. Mai 1934 in Chemnitz; † 7. April 2016 in Berlin) war 60 Jahre lang Theaterkritiker, anfangs in der DDR bei der Tageszeitung Der Morgen, nach der Wiedervereinigung bei namhaften deutschsprachigen Tageszeitungen wie der Neuen Zürcher Zeitung oder dem Tagesspiegel.


Leben und Wirken


Christoph Funke wurde als einer von drei Söhnen eines Wirtschaftsprüfers 1934 in Chemnitz geboren, wo er auch seine Kindheit und Jugend verbrachte[1] und 1952 ein altsprachliches Abitur bestand.[2]

Von 1952 bis 1956 studierte er Germanistik und Literaturwissenschaft an der Karl-Marx-Universität Leipzig bei Hans Mayer.[1][2] Er legte bei ihm das Staatsexamen ab, doch Mayers Entscheidung, von einem Besuch in der BRD nicht zurückzukehren, verhinderte die Beendigung seiner Dissertation.[1] Anschließend wäre Funke fast Hilfsdramaturg am Theater Chemnitz geworden, eine Offerte der Ost-Berliner Tageszeitung Der Morgen, des Zentralorgans der LDPD, verlockte ihn jedoch, stattdessen nach Berlin zu gehen.[1]

Ab Juli 1956 war er beim Morgen Kulturredakteur und ab 1960 Leiter des Feuilletons.[1][2][3] Sein Zuständigkeitsbereich umfasste zunächst Film, Fernsehen, Literatur und Theater. Als Berufseinsteiger zeichnete er seine Beiträge noch mit „–ke“ und „Ch.F.“. Bald machte er sich einen Namen und widmete sich schwerpunktmäßig der Theaterkritik. Er lieferte für das Parteiblatt Rezensionen, Leitartikel, Kommentare, Interviews, Künstlergespräche, Werkstattberichte und Reportagen von Buchmessen und Gastspielreisen. Mit der Aufnahme seiner Tätigkeit 1956 war auch der Eintritt in die LDPD verbunden. Später wurde er in den Zentralvorstand der LDPD gewählt. Er wirkte dort im Sekretariat als Mitglied der Kommission für Ideologie und Kultur.[4]

Zum intimen Kenner der Schauspielszene avanciert,[5] baten auch andere Printmedien wie die in der BRD erscheinende Die deutsche Bühne – Theatermagazin oder die DDR-Filmzeitschrift Film und Fernsehen sowie verschiedene Rundfunkanstalten um Beiträge. Außerdem war er Mitglied des Kuratoriums der Berliner Festtage.

1988 wurde er zum stellvertretenden Chefredakteur des Morgen berufen und blieb dies bis 1991.[1][6] Das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden der Sektion Kulturredakteure im Verband der Journalisten der DDR (VDJ) bekleidete er bis 1966, als der Verband der Theaterschaffenden (VT) gegründet wurde und er die Interessenvertretung der Kritikerzunft ins dortige Präsidium übertrug.[4][7]

Im wiedervereinten Deutschland arbeitete er ab Juni 1991 als freier Mitarbeiter für den Tagesspiegel, die Neue Zürcher Zeitung, das Neue Deutschland und Theater der Zeit.[1][3][6] Von 1993 bis 1995 war er Mitglied der Jury für das Festival „Theatertreffen Berlin“.[2][3][8] Des Weiteren hielt er Laudationes bei Akademie-Preisen.[3] Im Juli 1995 entschied er sich, nur noch als freischaffender Publizist tätig zu sein.[2]

Seine in rund 60 Jahren geleistete umfangreiche publizistische Arbeit umfasst Beiträge für Tageszeitungen und Theater-Fachzeitschriften, Buchveröffentlichungen über Regisseure, Schauspieler, Bühnenbildner, Spielstätten, Inszenierungserarbeitungen, eine Sammlung eigener Kritiken und mehrere Herausgaben.[2][8] Mit Dieter Kranz dokumentierte er 1978 die Theaterstadt Berlin in einer Art Lexikon der Theatereinrichtungen, deren Einträge jeweils mit Grundriss, langer Geschichtsdarstellung, Kontaktdaten bis hin zum Signet akribisch angelegt sind.

Christoph Funke starb 2016 mit 81 Jahren in der Berliner Charité.[3]


Charakteristik


Über Theater zu schreiben, war für Christoph Funke keine isolierte monothematische Angelegenheit. Vielmehr dachte er die Theaterschaffenden und die Theaterkonsumierenden mit. Er sah „es als seine vordringliche Rezensentenpflicht an, durch dezidierte Beschreibungen Theatererlebnisse weiterzugeben und Neugierde, Verständnis und Lust zum Nacherleben zu wecken.“[5] Er begriff sich auch als „Anwalt“ für das Theater, nicht als dessen „Oberlehrer“.[5] Für die Schauspieler war er „[…] eher ein kritischer Ermutiger denn ein kritisierend vernichtender Richter“.[9] Im Nachruf des Tagesspiegels hieß es, Funke sei ein „Verbündeter der Theatermacher“ gewesen. – „Ein Verhältnis, das anders war als das der westdeutschen Kritiker, die durchaus Freundschaften mit einzelnen Künstlern pflegten, aber ihre Unabhängigkeit bei gegebenem Anlass auch mal mit Verrissen gegenüber sonst geschätzten Theaterleuten demonstrieren wollten.“[3]


Politische Haltung


Funke gab an, politisch selten Stellung bezogen zu haben. Nach dem Mauerbau im August 1961 tat er es: Unter der Überschrift „Der Fehler“ kritisierte er den westdeutschen S. Fischer Verlag, der die Auslieferung des Strittmatter-Romans Der Wundertäter gestoppt hatte.[10] Schärfer noch attackierte er den Westberliner Regierenden Bürgermeister Willy Brandt und dessen Umfeld wegen deren Rückzugsbeschluss von den Berliner Festtagen 1961. In seinem „Dreifacher Sieg“ betitelten Kommentar bezeichnete er sie als „kulturfeindliche Militaristen“ und warf ihnen „Störmaßnahmen“ in Form von „Erpressung“ und „nackter Gewalt“ vor. Durch diese Selbstentlarvung würden sie nur den mehrfachen Triumph des „edlen Sozialismus“ aufzeigen.[11] Im Jahr der „Wende“, 1989, interpretierte Funke – vorsichtig verklausuliert – als Einziger seiner Zunft für seine Leserschaft Christoph Heins Bild einer zerfallenden Ritterrunde (Die Ritter der Tafelrunde) als „höfisches Politbüro“.[3] Überhaupt zeigte er in besonderem Maße Verständnis für die zeitgenössische Dramatik und nicht ins sozialistische Klischee passende Autoren und plädierte für deren Berücksichtigung in den Spielplänen.[1][12]

Als Vorstandsmitglied des Theaterverbandes versuchte er, „die Interessen der Theaterkunst gegenüber der [sic] ganz anders gearteten Interessen der Politiker zu vertreten“.[13]

Im Rückblick beurteilte Funke seinen Glauben an einen „offenen und kritischen Sozialismus“ als naiv. In seiner „Enklave“ namens Theater sei man tatsächlich offener miteinander umgegangen als es die Mehrheit der Bevölkerung vermocht habe.[1]


Zitate



Von Funke


„Der Kritiker setzt sich mit einem Ereignis auseinander, das einmalig und mit dem Fallen des Vorhangs für immer vorbei ist. Er muss es ins Leben zurückholen, wenn auch nur ins ‚gedruckte‘ Leben, er hat die Macht über das vorübergegangene Ereignis. Wie er sich dieser Macht bedient, ist allein seine Angelegenheit. Das begründet eine Verantwortung, deren sich der Schreibende immer bewusst sein muss.“

Christoph Funke: Neues Deutschland, 2013[14]

Über Funke


„Er gehört zu den besten Theaterkritikern, die die DDR hatte. […] [W]as ihn stets besonders lesenswert machte: seine Beschreibungskunst. Von Schauspielern, von Zusammenhängen – in kraftvoll färbender Sprache, die Sinn und Sinnlichkeit glücklich verfugte.“

Neues Deutschland, 2004[6]

„Funke hat als ein wichtiger Lehrer gewirkt, er hat Theaterleute gefördert, er hat ihnen die Möglichkeiten gegeben durch Gastspiele vorgestellt und entdeckt zu werden […].“


Auszeichnungen



Werke



Buchveröffentlichungen (Auswahl)



Buchbeiträge (Auswahl)



Zeitschriftenaufsätze (Auswahl)



Herausgaben (Auswahl)



Einzelnachweise


  1. Michael Meyen, Anke Fiedler: Die Grenze im Kopf. Journalisten in der DDR. 1. Auflage. Panama Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-938714-16-4, Christoph Funke. Viel Liebe und viel Leidenschaft, S. 269–278.
  2. Christoph Funke: Max Reinhardt (= Köpfe des 20. Jahrhunderts. Band 130). Morgenbuch Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-371-00405-8, Klappentext.
  3. Peter von Becker: Der aufrecht Aufmerksame. Nachruf auf Christoph Funke. In: tagesspiegel.de. 11. April 2016, abgerufen am 8. August 2021.
  4. Herzliche Glückwünsche. Parteifreund Christoph Funke zum 50. Geburtstag. In: Der Morgen. Zentralorgan der Liberaldemokratischen Partei Deutschlands. Nr. 110, 10. Mai 1984.
  5. Cornelia Staudacher: Der Kritiker als Verbündeter. Christoph Funke, Theaterkritiker aus Ost-Berlin, über seine Arbeit. In: Der Tagesspiegel. Nr. 13483, 31. Januar 1990, S. 4.
  6. hds: Sinnlich. Christoph Funke 70. In: Neues Deutschland. 10. Mai 2004, Feuilleton.
  7. DM: Becher-Preis für Ch. Funke. In: Der Morgen am Sonntag. Zentralorgan der Liberaldemokratischen Partei Deutschlands. Nr. 120/1971, 23. Mai 1971, S. 2.
  8. Die Autoren. In: Staatstheater Cottbus, Intendant Christoph Schroth (Hrsg.): Das Theater am Schillerplatz Cottbus. Staatstheater Cottbus, Cottbus 1998, ISBN 3-00-003348-3, Christoph Funke, S. 86.
  9. Birgit Funke: Theaterkritik als Spiegel des DDR-Niedergangs. Vom Aufbruch zur Utopie zum ernüchterten Engagement. Der theaterverbündete Kritiker – Eine aussterbende Gattung? Vorgelegt zur Diplomprüfung am Bereich Theaterwissenschaft der Universität Leipzig. Leipzig 1995, S. 39.
  10. Christoph Funke: Dreifacher Sieg. In: Der Morgen. Zentralorgan der Liberaldemokratischen Partei Deutschlands. 19. Oktober 1961.
  11. Christoph Funke: Der Fehler. In: Der Morgen. Zentralorgan der Liberaldemokratischen Partei Deutschlands. 25. August 1961.
  12. Gewachsene Ansprüche an die Bühnenkunst. Anregende Diskussion auf dem V. Theaterkongreß. In: Neue Zeit. Nr. 267/1985, 14. November 1985, Aus dem kulturellen Leben, S. 4.
  13. Horst Schönemann im Interview mit Birgit Funke. In: Birgit Funke: Theaterkritik als Spiegel des DDR-Niedergangs. Vom Aufbruch zur Utopie zum ernüchterten Engagement. Der theaterverbündete Kritiker – Eine aussterbende Gattung? Vorgelegt zur Diplomprüfung am Bereich Theaterwissenschaft der Universität Leipzig. Leipzig 1995, S. 30.
  14. Christoph Funke: Ein Leben (nur?) als Zuschauer. 50. Theatertreffen Berlin: Was soll, was kann, was will Theaterkritik? Zumal in diesen Zeiten? In: Neues Deutschland. 4. Mai 2013, Essay, S. W4 (neues-deutschland.de).


Personendaten
NAME Funke, Christoph
KURZBESCHREIBUNG deutscher Theaterkritiker
GEBURTSDATUM 10. Mai 1934
GEBURTSORT Chemnitz
STERBEDATUM 7. April 2016
STERBEORT Berlin



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