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Konrad Paul Liessmann (* 13. April 1953 in Villach) ist ein österreichischer Professor für Philosophie im Ruhestand, Essayist und Kulturpublizist. Er ist Universitätsprofessor für „Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik“ an der Universität Wien. Seit 2018 ist er offiziell im Ruhestand, übte seine professoralen Tätigkeiten an der Universität Wien jedoch auf sondervertraglicher Basis bis zum Jahresende 2020 aus.

Konrad Paul Liessmann (2014)
Konrad Paul Liessmann (2014)

Leben


Konrad Paul Liessmann absolvierte seine Matura 1971 am Peraugymnasium in Villach[1] und studierte dann Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Universität Wien und schloss 1976 sein Magisterium ab, 1979 wurde er promoviert und habilitierte sich 1989. 2011 wurde er auf die Professur für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien berufen. Seine Liebe zur Literatur kam durch Karl May zustande.[2]

Seit 1996 ist er der wissenschaftliche Leiter des Philosophicum Lech und Herausgeber der gleichnamigen Buchreihe im Paul Zsolnay Verlag. Von 2002 bis 2006 war er Leiter des Friedrich-Heer-Arbeitskreises der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und Herausgeber der Werke Friedrich Heers im Böhlau Verlag.

Von Oktober 2004 bis Oktober 2008 war Liessmann an der Universität Wien Studienprogrammleiter für Philosophie und Bildungswissenschaft. Von 2008 bis 2012 war Liessmann Vizedekan der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft.[3] Von 2011 bis 2015 war er Vizepräsident der „Deutschen Gesellschaft für Ästhetik“. Von 2014 bis 2018 leitete er den Universitätslehrgang „Philosophische Praxis“ an der Universität Wien. 2018 ging er in den Ruhestand.[4] Liessmann ist seit 2010 Vizepräsident der „Gesellschaft für Bildung und Wissen“ sowie seit 2012 Gründungsmitglied und Obmann der „Internationalen Günther Anders-Gesellschaft“.

Liessmann veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche und essayistische Arbeiten zu Fragen der Ästhetik, Kunst- und Kulturphilosophie, Gesellschafts- und Medientheorie sowie zur Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts. Zu Günther Anders hatte er in dessen letzten Lebensjahrzehnt regelmäßigen persönlichen Kontakt.

In einem Artikel, den Liessmann zum 80. Geburtstag von Günther Anders verfasste, schildert er die erste Begegnung mit Anders. Liessmann organisierte 1991 auch das erste internationale Symposion zu Günther Anders in Wien und leitet seit 2012 ein Forschungsprojekt zur Erschließung von dessen Nachlass.[5]

Seit 2016 ist Liessmann regelmäßiger Gast der Sendereihe Sternstunde Philosophie des Schweizer Fernsehens. Am 28. Juli 2016 hielt er die Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele.


Debattenbeiträge


Liessmann beteiligt sich immer wieder an öffentlichen Debatten. Er ist gefragter Interview-Partner im Österreichischen Rundfunk und in der gehobenen österreichischen Presselandschaft. Kontroverse Essays und Kommentare in den Feuilletons der Tageszeitungen Der Standard, Die Presse und der Wochenzeitschrift profil behandeln aktuelle Fragen und Diskurse zu gesellschaftspolitischen Themen. Nach einer jahrelang verfassten Kolumne für die Neue Zürcher Zeitung von 2016 bis 2020[6] ist er seit Oktober 2020 als Kolumnist für die Wiener Zeitung aktiv.[7]


Autoverkehr


Liessmann ist ein scharfer Kritiker der Umweltverschmutzung insbesondere durch Autoverkehr. In Der gute Mensch von Österreich, einer Sammlung von Essays aus der Zeit von 1980 bis 1995, vermutete Liessmann in dem Essay 'Das Prinzip Auschwitz', „daß zwischen dem Vergasen der Nazis und dem Gasgeben unserer Zivilisation mehr als nur ein lexikalischer oder phonetischer Zusammenhang besteht.“[8] Wie die SS die Juden, so vernichteten „wir durch unseren Hang zu Volkswagen und Autobahnen“, so Liessmann, „die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen und damit diese selbst“[9]. Autofahren, die Fortbewegung mit „einer Maschine, die den Menschen zu ihrem sklavischen Anhängsel gemacht hat“,[10] sei „Alltagsfaschismus“[11].


Technikgläubigkeit


Noch in den 1980er Jahren, schrieb Liessmann 2001 im Tagesspiegel, habe angesichts verschiedener auf vermeintlichen technischen Errungenschaften beruhende Fehlschläge (wie die Challenger-Explosion) und Unglücksfälle (z. B. Bhopal oder Tschernobyl) eine allgemein technikskeptische Stimmung vorgeherrscht. Nun sei die „Phobie“ einer „Euphorie“ gewichen und es gelte: „Die Probleme der Technik […] sind in der Regel durch Technik lösbar.“ Dies sei, meinte Liessmann, verwunderlich, „[d]enn natürlich ist die Technik nicht plötzlich harmlos oder ungefährlich geworden, aber sie hat ihre Gestalt verändert. Sie ist, so banal das klingen mag, vor allem kleiner und damit unscheinbarer geworden.“ Schon das Auto verdeutliche diesen Effekt: Während viele Menschen Angst vor Flugreisen hätten, vertrauten sich dieselben bedenkenlos dem nachweislich gefährlicheren Straßenverkehr an. Beim Autofahren liege eine Art Verschmelzung von technischem Gerät und Mensch (der Ersteres oft selbst steuert) vor, dasselbe zeige sich noch einmal bei den Mobiltelefonen, die „fast als Körperteil empfunden“ würden. Liessmanns Fazit lautete, dass Technologien zunehmend unsere Verhaltensweisen bestimmen und dabei eine „Illusion der Freiheit“ erzeugen, aber de facto Unterwerfung bedeuten.[12]


Bildung


Seine Kritik am aktuellen Bildungssystem durch die Kapitalisierung des Geistes veröffentlichte Liessmann vor allem in Theorie der Unbildung, Die Irrtümer der Wissensgesellschaft und in der Streitschrift Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. In Geisterstunde argumentiert Liessmann gegen die Pisa-Studie und greift auch die Bildungsexperten Bernd Schilcher, Andreas Salcher, Richard David Precht und Gerald Hüther an; ihre Reformvorschläge würden die Fehler des existierenden Bildungssystems noch verstärken. Ihre Bedeutung liege weniger in der Qualität ihrer Expertise als in der medialen Aufmerksamkeit, die sie genießen. Des Weiteren kritisiert er die von Unterrichtsministerin Claudia Schmied vorangetriebene „Kompetenzorientierung“ des Unterrichts anstelle der Orientierung an reinen Inhalten und sieht eine Transformation höherer Schulen in sozialpädagogische Anstalten.[13] In der modernen Pädagogik und der neuen Campus-Kultur mit ihren Mikroaggressionen und Trigger-Warnings gelte Faktenwissen nicht mehr viel, die Gefühle und Befindlichkeiten der Betroffenen jedoch zählen alles.[14]


Populismus


Populisten würden sich nach Liessmann im ganzen politischen Spektrum finden. Er lehnt es ab, den Vorwurf der Vereinfachungen komplexer Sachverhalte den Populisten allein zuzuschreiben, vielmehr würden das alle Parteien betreiben. Politische Botschaften würden generell Vereinfachungen darstellen.[15] Der moderne Typus des Protestwählers wähle keine politische Präferenz, sondern drücke sein Unbehagen gegenüber einer etablierten Politik aus, von der er sich nicht mehr ernst genommen fühle.[16] In Bezug auf den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump oder den FPÖ-Kandidaten für das Bundespräsidentenamt Norbert Hofer meinte Liessmann, man könne völlig unterschiedliche Phänomene nicht unter dem inflationär gebrauchten Begriff „Rechtspopulismus“ versammeln. Der Terminus wäre dann ein Verlegenheitsbegriff, der all das bezeichnete, was einem aus unterschiedlichen Gründen nicht passe, und dann keinerlei analytische Kraft mehr hätte.[17][18][19] Barbaren, so Liessmann, finde man nicht am rechten Rand, sondern an den „Schaltstellen von Kunst und Wissenschaft“, in Qualitätsmedien und Universitäten.[20]


Sprachpolitik


Zum Thema Geschlechtergerechte Sprache forderte Liessmann gemeinsam mit anderen eine „Rückkehr zur sprachlichen Normalität“. Derzeit zwinge ein „minimaler Prozentsatz kämpferischer Sprachfeministinnen der nahezu 90-prozentigen Mehrheit ihren Willen auf“.[21] Liessmann fordert, auf „Unsitten des Genderns“, vom Binnen-I bis zu Schräg- und Unterstrichen zu verzichten. Binnen-I und Co führe zu einer verquälten und unlesbaren Sprache ohne Stilbewusstsein. Das Gendern erreiche im akademischen Milieu fragwürdige Ausmaße.[22]

Liessmann ist ein Kritiker der Leichten Sprache, die sich durch einen Katalog von Verboten charakterisiere. Leichte Sprache sei ein reines Kunstprodukt und der Versuch einer radikalen Reduktion, Verflachung und Vereinfachung. „Leichte Sprache ist seichte Sprache.“[23] Auch Anglizismen sieht Liessmann kritisch.[24]


Audio



Ausgewählte Publikationen



Buchveröffentlichungen



Hörfunkreihe



Herausgeberschaften



Ehrungen und Auszeichnungen


Zu seinem 60. Geburtstag wurde 2013 für Liessmann eine Festschrift verfasst, die sich auf Liessmanns berufliche Tätigkeit bezieht. Darin finden sich u. a. Beträge von Robert Pfaller, Martin Seel, Klaus Albrecht Schröder, Lambert Wiesing, Volker Gerhard, Andreas Gruschka, Franz Schuh und Barbara Schneider-Taylor.


Literatur




Wikiquote: Konrad Paul Liessmann – Zitate
Commons: Konrad Paul Liessmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Presseartikel



Einzelnachweise


  1. Gymnasium Villach - Peraustraße: Schüler und Lehrer als Wissenschaftler. Abgerufen am 19. November 2018.
  2. Generation Harry Potter trifft Karl May. In: DiePresse.com. 24. September 2015, abgerufen am 14. Januar 2018.
  3. Biographie Liessmanns
  4. Klaus Nüchtern (Interview): „Eine Vorlesung ist eine Vorlesung“. Konrad Paul Liessmann geht in Pension. Ein Gespräch über das Lesen, die Politik, Political Correctness und Gernot Blümel. In: Der Falter 38/2018.
  5. Konrad Paul Liessmann: Das Undenkbare Denken. Philosophie des letzten Zeitalters. Günther Anders zum achtzigsten Geburtstag. Extrablatt, Wien 1982, S. 5052.
  6. Konrad Paul Liessmann: Müder Mythos? Kolumnen-Beitrag in der Neuen Zürcher Zeitung, Online-Version vom 30. März 2016. Weiters: Konrad Paul Liessmann: Kleine Kinder: Politik und die Logik des Sandkastens Kolumnen-Beitrag in der Neuen Zürcher Zeitung, Online-Version vom 22. September 2020.
  7. Konrad Paul Liessmann: Die Verampelung der Welt Beitrag unter dem Kolumnentitel Liessmann in der Wiener Zeitung, Online-Version vom 23. Oktober 2020, S. 22. Weiters: Konrad Paul Liessmann: Die Ohnmacht der Regierungen Beitrag unter dem Kolumnentitel Liessmann in der Wiener Zeitung vom 12. März 2021, S. 18.
  8. Konrad Paul Liessmann: Der gute Mensch von Österreich (Sonderzahl-Verlag, Wien 1995), S. 170.
  9. Konrad Paul Liessmann: Der gute Mensch von Österreich (Sonderzahl-Verlag, Wien 1995), S. 171.
  10. Konrad Paul Liessmann: Das Universum der Dinge (Zsolnay, Wien 2010), S. 148.
  11. Konrad Paul Liessmann: Der gute Mensch von Österreich (Sonderzahl-Verlag, Wien 1995), S. 171.
  12. Konrad Paul Liessmann: Von der Apokalypse-Angst zur Euphorie. Nach Hiroshima und Tschernobyl stand Großtechnologie unter Verdacht. Seit Wundermaschinen wie Handys und PCs immer kleiner wurden, hat sich das radikal geändert. Plötzlich erscheinen wir als souveräne Technik-Nutzer, die alles in der Hand haben. In: Der Tagesspiegel. Nr. 17.331, 24. Februar 2001, Essay, S. 27.
  13. 'Liessmann greift Bildungsexperten an', Die Presse (Wien), 25. September 2014.
  14. Feine Fakten nzz.ch, abgerufen am 9. September 2018.
  15. «Solidarität ist kein politisches Konzept». Interview in der NZZ vom 7. April 2017.
  16. Populäre Populisten nzz.ch, abgerufen am 9. September 2018.
  17. Petra Paterno: „Kunst lässt Unerträgliches genießen“. In: Wiener Zeitung Online. Abgerufen am 3. August 2016.
  18. Was Reagan, Bush und Trump verbindet. Artikel in der Berner Zeitung vom 18. April 2016.
  19. STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H.: Österreich in hundert Jahren: Eine Verlustanzeige. In: derStandard.at. (derstandard.at [abgerufen am 16. Mai 2018]).
  20. Konrad Paul Liessmann: Biedere Barbaren | NZZ. 6. Februar 2018, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 18. Februar 2019]).
  21. Brief gegen Binnen-I: Ministerin sieht „falsches Zeichen“. Abgerufen am 3. August 2016.
  22. Konrad Paul Liessmann: Ich gehe nur zu weiblichen Ärzten profil.at, abgerufen am 9. September 2018.
  23. Schöne neue Sprachwelt nzz.ch, abgerufen am 9. September 2018.
  24. Konrad Paul Liessmann: „Ich gehe nur zu weiblichen Ärzten“ | PROFIL.at. 28. Juli 2014, abgerufen am 6. September 2016.
  25. Sortimenter-Brief 6/10, Fachinformationen zu Buchmarkt, -verkauf und -werbung in Österreich, 1. Juni, Hrsg. vom Verlagsbüro Schwarzer Wien, S. 9.
  26. Der XII. VIZE 97 Preis geht an österreichischen Philosophen und Essayisten (Memento vom 3. April 2016 im Internet Archive)
  27. derStandard.at – Watzlawick-Ehrenring für Konrad Paul Liessmann. Artikel vom 3. März 2016, abgerufen am 3. März 2016.
  28. Montfortorden in Gold für Konrad Paul Liessmann. Artikel vom 23. September 2022, abgerufen am 26. September 2022.
Personendaten
NAME Liessmann, Konrad Paul
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Philosoph, Essayist, Kritiker und Kulturpublizist
GEBURTSDATUM 13. April 1953
GEBURTSORT Villach



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