Willy Haas (* 7. Juni 1891 in Prag, Österreich-Ungarn; † 4. September 1973 in Hamburg) war ein deutscher Publizist, Filmkritiker und Drehbuchautor.
Dieser Artikel befasst sich mit dem Publizisten Willy Haas. Zum Politiker siehe Willi Haas; zu anderen Personen siehe Wilhelm Haas.
Leben
Willy Haas – Sohn eines jüdischen Anwalts – studierte Rechtswissenschaften und war bereits in jungen Jahren mit Franz Werfel, Paul Kornfeld und Johannes Urzidil befreundet und hatte persönlichen Umgang mit Franz Kafka und Max Brod, wodurch sein nachhaltiges Interesse für Literatur geweckt wurde. Zu diesem Kreis, der sich im Prager Café Arco traf, zählte auch Ernst Polak, der Ehemann von Milena Jesenská.
Von 1911 bis 1912 erschien in Prag im Verlag der Johann-Gottfried-Herder-Vereinigung ein Jahrgang der Herder-Blätter, deren Herausgeber Willy Haas und Norbert Eisler waren. An den letzten beiden Heften (Nr. 4 u. 5) hat Otto Pick mitgearbeitet.[1] In den Herder-Blättern haben viele literarische Freunde erstmals veröffentlicht und Willy Haas selbst verfasste Essays für sie.
Nach dem Ersten Weltkrieg ging Haas nach Berlin, wo er neben der redaktionellen Tätigkeit als Drehbuchautor (Die freudlose Gasse) und Filmkritiker (vor allem für den Film-Kurier) arbeitete. Gemeinsam mit Ernst Rowohlt gründete er 1925 die Wochenzeitung Die literarische Welt.[2]
Grab Willy Haas und Herta Haas, Friedhof Ohlsdorf
Als 1933 seine Berliner Wohnung mehrfach durchsucht wurde, emigrierte er nach Prag, wo er als Zeitungsredakteur, unter anderem für die Prager Presse arbeitete. Die von ihm selbst in Prag gegründete literarische Zeitschrift Welt im Wort musste aus finanziellen Gründen ihr Erscheinen bald einstellen. Nach der deutschen Besetzung Prags 1939 ging er zunächst nach Italien und von dort nach Indien, wo er als Drehbuchautor für mindestens zwei indische Filme von Mohan Bhavnani tätig war.[3][4] Ein regelmäßiges Einkommen erwirtschaftete er zudem mit einer Tätigkeit als Zensor für die britische Armee in Indien. Nach Kriegsende übersiedelte er 1948 nach Deutschland und lebte in Hamburg. Dort war er unter anderem für Die Welt und Welt am Sonntag sowie für andere Zeitschriften, Zeitungen und den Rundfunk aktiv. Mit seiner Tätigkeit für Die Welt und die Welt am Sonntag wollte er dazu beitragen, „die Einheit des deutschen Schrifttums wiederherzustellen“.[5] Ab 1998 setzte Die Welt mit der Samstagsbeilage Die literarische Welt die Tradition des literarischen Wochenblatts der Weimarer Republik fort.
Haas war 1919 bis 1921 mit der Übersetzerin Jarmila Ambrozova, von 1924 bis 1936 mit Hanna Waldeck (ein Sohn, * 1925) und ab 1947 mit der promovierten Historikerin, Frauenrechtlerin und Übersetzerin Herta Doctor[6] verheiratet, die später für ihren Kampf gegen FGM bekannt werden sollte.[7][8] Willy Haas und seine Ehefrau Herta wurden auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg, Planquadrat AD 5 (südwestlich Kapelle 8), beigesetzt.[9]
Auszeichnungen
1957: Verdienstkreuz I. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1965: Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1971: Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film.
Nachwirkung
Franz Werfel setzte seinem Jugendfreund Willy Haas in seinem letzten Roman Stern der Ungeborenen mit der Figur des „BH“ ein literarisches Denkmal.
Zu Haas' Gedächtnis verleiht Die Welt seit 1999 den WELT-Literaturpreis.
Beim cinefest – Internationales Festival des deutschen Film-Erbes wird seit 2004 alljährlich durch eine internationale Jury der Willy Haas-Preis für je eine bedeutende Publikation zum deutschsprachigen Film bzw. zum Film in Deutschland in den Kategorien Buch und DVD vergeben.
1930: Der Galgentoni / Erlebnis einer Nacht (Tonka Sibenice)
1933: L'amour qu'il faut aux femmes
1933: Wege zur guten Ehe (nach van de Velde)
1940: Jhoothi Sharm
1940: Prem Nagar
Schriften (Auswahl)
Herder-Blätter, J.G.Herder-Vereinigung zu Prag, 1911. Faksimilie-Ausgabe im Auftrag der Freien Akademie der Künste in Hamburg zum 70. Geburtstag von Willy Haas (7. Juni 1961), 1962
Das Spiel mit dem Feuer. Prosaschriften.Verlag Die Schmiede, Berlin 1923.
Gestalten der Zeit. Kiepenheuer, Berlin 1930.
Die literarische Welt. Erinnerungen. List, München 1957, ungekürzte Ausgabe, als: Die literarische Welt. Lebenserinnerungen (= Fischer-Taschenbücher 5607). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-596-25607-0.
mit Rolf Italiaander: Berliner Cocktail, Beiträge von Hedda Adlon [u.a.]. Zscolnay, Hamburg 1957, 1959, 1965, 1967, 1974, ISBN 3-552-02633-9.
Bert Brecht (= Köpfe des XX. Jahrhunderts. Band 7, ISSN0454-1383). Colloquium Verlag, Berlin 1958; 6. Auflage. ebenda 1989, ISBN 3-7678-0764-5.
Fragmente eines Lebens. Eckhardt, Hommerich u. a. 1960.
Gestalten. Essays zur Literatur und Gesellschaft. Propyläen-Verlag, Berlin u. a. 1962.
Nobelpreisträger der Literatur. Ein Kapitel Weltliteratur des 20. Jahrhunderts (= Forum imaginum. Band 1, ZDB-ID503597-1). Moos, Heidelberg 1962; 2., erweiterte Auflage mit bibliographischem Anhang. Moos, München 1963.
Hugo von Hofmannsthal (= Köpfe des XX. Jahrhunderts. Band 34). Colloquium-Verlag, Berlin 1964.
Über die Fremdlinge-Vier weltliche Erbauungsreden, Freie Akademie der Künste in Hamburg, 1966
Literatur
Rolf Italiaander (Hrsg.), Rosemarie Clausen (Photo): Herder-Blätter. Faksimile-Ausgabe zum 70. Geburtstag von Willy Haas. Freie Akademie der Künste, Hamburg 1962, DNB 451967658 (Nachdruck der Zeitschrift, die von Willy Haas und Norbert Eisler in Prag, April 1911 bis Oktober 1912, herausgegeben wurde, vgl. ZDB-ID281688-x).
HMB: Willy Haas – Filmkritiker, Drehbuchautor. In: Hans-Michael Bock (Hrsg.): CineGraph. Lexikon zum deutschsprachigen Film. Loseblattausgabe, Lieferung 3: G – J, edition text + kritik, München 1985, DNB 840832729.
Luisa Valentini: Willy Haas. Der Zeuge einer Epoche (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur. Band 909). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1986, ISBN 3-8204-9307-7.
Pascale Avenel: Willy Haas et le périodique „Die literarische Welt“ 1925–1933. Presses Universitaires du Septentrion, Villeneuve d'Ascq 1997, ISBN 2-284-00204-8 (Zugleich Dissertation Universität Lille 1995).
Christoph von Ungern-Sternberg: Haas, Willy. In: Kirsten Hiensohn (Hrsg.): Das jüdische Hamburg. Ein historisches Nachschlagewerk. Wallstein, Göttingen 2006, S. 102, ISBN 3-8353-0004-0.
Christoph von Ungern-Sternberg: Willy Haas 1891–1973. „Ein grosser Regisseur der Literatur“. edition text + kritik, München 2007, ISBN 978-3-88377-858-7 (Zugleich Dissertation Humboldt-Universität Berlin 2006).
Christina Prüver: Willy Haas und das Feuilleton der Tageszeitung „Die Welt“ (= Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft, Band 614). Königshausen & Neumann, Würzburg 2007, ISBN 978-3-8260-3680-4 (Zugleich Dissertation Humboldt-Universität Berlin 2007).
Jyoti Sabharwal: Willy Haas: die Begegnung mit Indien als Exilort (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur, Band 2039). PL[10] Academic Research, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-631-64107-1 (Dissertation Jawaharlal Nehru University, Neu-Delhi 2011, 141 Seiten).[11]
Kay Weniger: ‘Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …’. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8, S.225f.
Haas, Willy, in: Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main: S. Fischer, 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 208
Rudolf M. Wlaschek: Juden in Böhmen. Beiträge zur Geschichte des europäischen Judentums im 19. und 20. Jahrhundert. (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum. Bd. 66). 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Oldenbourg, München 1997, ISBN 3-486-56283-5, S. 41.
Zitiert nach Christoph von Ungern-Sternberg: Haas, Willy. In: Kirsten Hiensohn (Hrsg.): Das jüdische Hamburg. 2006, S. 102.
Haas, Herta. In: Ernst Fischer: Verleger, Buchhändler & Antiquare aus Deutschland und Österreich in der Emigration nach 1933: Ein biographisches Handbuch. Elbingen: Verband Deutscher Antiquare, 2011, S. 115
Christoph V. Ungern-sternberg:Aus dem Gedächtnis: Herta Haas zum 100. In: DIE WELT. 11.Oktober 2007 (welt.de[abgerufen am 9.April 2021]).
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