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Alexander Marie Norbert Lernet-Holenia, Pseudonym Clemens Neydisser (* 21. Oktober 1897 in Wien; † 3. Juli 1976 ebenda), war ein österreichischer Schriftsteller. Ein großer Teil seines erzählerischen Werk ist der phantastischen Literatur zuzuordnen, zudem verfasste er auch Dramen und Lyrik.

Alexander Lernet-Holenia, 1947
Alexander Lernet-Holenia, 1947

Leben


Lernets Mutter, verwitwete Sidonie Baronin Boyneburgk-Stettfeld, geb. Holenia, war in zweiter Ehe mit dem Linienschiffleutnant Alexander Lernet verheiratet. Die Ehe, die kurz vor Alexanders Geburt geschlossen worden war, wurde bald nach der Geburt wieder geschieden, was das Gerücht entstehen ließ, ein habsburgischer Erzherzog sei der Vater des Kindes gewesen. Diese unklare Vaterschaft beschäftigte den späteren Schriftsteller bis zum Ende seines Lebens. Nach verschiedenen Stationen (Wien, Klagenfurt, St. Wolfgang) legte er im Juli 1915 in Waidhofen an der Ybbs seine Reifeprüfung ab und begann im gleichen Jahr ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, doch meldete er sich bereits im September desselben Jahres als Kriegsfreiwilliger. Die Jahre 1916 bis 1918 verbrachte er als Soldat im Ersten Weltkrieg und verfasste dabei Gedichte. Eines davon, die Himmelfahrt Henochs, schickte er 1917 an Rainer Maria Rilke, der sich im Späteren sehr für den jungen Lernet-Holenia einsetzte.

1920 wurde er von der wohlhabenden, in Kärnten wohnhaften Familie seiner Mutter adoptiert und trug seitdem den Doppelnamen Lernet-Holenia. 1921 veröffentlichte er, sich als „freier Schriftsteller“ bezeichnend, seinen ersten Gedichtband in der Wiener Literarischen Anstalt (Wila): Pastorale. 1923 konvertierte Lernet-Holenia – ursprünglich evangelischen Bekenntnisses – zur römisch-katholischen Kirche. 1925 veröffentlichte er sein erstes Drama, Demetrius, ein Jahr darauf folgten die Komödien Ollapotrida und Österreichische Komödie, für die er 1926 den renommierten Kleist-Preis erhielt. 1927 folgte der Goethe-Preis der Stadt Bremen. 1928 schrieb er gemeinsam mit Stefan Zweig unter dem Pseudonym Clemens Neydisser das Stück Gelegenheit macht Liebe (oder Quiproquo). In den 30er Jahren erschienen von ihm zahlreiche Werke in verschiedenen Gattungen, Theaterstücke, Erzählungen und Romane, von denen drei verfilmt wurden: Die Abenteuer eines jungen Herrn in Polen (1931), Ich war Jack Mortimer (1935) und Die Standarte (1934). Lernet-Holenia unterhielt zu dieser Zeit freundschaftliche Kontakte unter anderem mit Carl Zuckmayer und Ödön von Horváth, dessen Trauzeuge er 1933 war. Bei der Bücherverbrennung 1933 wurden auch Werke von ihm verbrannt. 1936 erschien die Novelle Der Baron Bagge, die von vielen Zeitgenossen (u. a. Hilde Spiel) für sein reifstes Werk gehalten wurde.

Im Deutschen Reich wurde sein Roman Jo und der Herr zu Pferde als „zersetzend erotisch“ eingestuft und 1935 auf die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums des Propagandaministeriums gesetzt, zwei weitere Werke wurden vom Amt Rosenberg und der SS-Zeitung Das Schwarze Korps ebenfalls als „für ein nationalsozialistisches Publikum untragbar“ kritisiert. Trotz dieser Angriffe von nationalsozialistischer Seite konnte Lernet-Holenia während der NS-Zeit weiterhin publizieren und als Drehbuchautor gute Einkünfte erzielen.[1]

Als er 1939 von einer Amerikareise zurückkehrte, wurde er zum Militärdienst eingezogen, wenig später brach der Zweite Weltkrieg aus. Zwei Tage nach Beginn des Überfalls auf Polen wurde er verwundet und nach Berlin versetzt, wo er zum Chefdramaturgen der Heeresfilmstelle ernannt wurde. Während des Krieges unterhielt er für einige Jahre eine Beziehung zu der Verlagsgesellschafterin Maria Charlotte Sweceny, die als Cuba Pistohlkors in seinen Roman Mars im Widder Eingang fand und der er sein liebstes Werk, die Gedichtsammlung Die Trophae, widmete. In Kitzbühel lernte er die Berlinerin Eva Vollbach, seine spätere Frau, kennen. Für den Zarah-Leander-Film Die große Liebe, dessen Produktion 1941 begann und der zum kommerziell erfolgreichsten Film der NS-Zeit wurde, lieferte Lernet-Holenia die Idee.

Gedenktafel an seinem letzten Wohnort in der Wiener Hofburg
Gedenktafel an seinem letzten Wohnort in der Wiener Hofburg

1941 wurde sein Roman Die blaue Stunde, in dem der Überfall auf Polen beschrieben ist, in der Zeitschrift Die Dame abgedruckt. Die Buchausgabe, unter dem Titel Mars im Widder, wurde jedoch von der Nazi-Zensur noch vor der Auslieferung verboten, da in diesem Werk deutlich wurde, dass dem deutschen Überfall auf Polen keine Provokationen von polnischer Seite vorausgegangen waren, wie die NS-Propaganda behauptete. 15.000 Exemplare wurden in einem Lagerhaus in Leipzig deponiert, dieses aber bei Luftangriffen 1943/44 zerstört. Die Zeit bis 1944 verbrachte er in Berlin, wo er in Kontakt mit Gottfried Benn und Alfred Kubin stand. In Berlin entstand sein Roman Beide Sizilien.

Nach dem Krieg heiratete er Eva Vollbach und zog mit ihr nach St. Wolfgang, wo das Ehepaar bis 1951 lebte und dann nach Wien zog. 1954 scheiterte der damalige Unterrichtsminister Ernst Kolb mit dem Vorschlag, Lernet-Holenia zum Direktor des Burgtheaters zu ernennen. Die öffentlichen Widerstände gegen Lernets Bestellung entzündeten sich unter anderem an Lernets gelegentlichen Veröffentlichungen im kommunistischen Wiener Tagebuch und an damals gegen ihn laufenden (letztlich ergebnislosen) Finanzstrafverfahren.[2]

Bis zu seinem Tode blieb er literarisch produktiv und erhielt zahlreiche Ehrungen, zeigte sich allerdings auch als konfliktfreudige Persönlichkeit. 1969 wurde Lernet-Holenia Präsident des Österreichischen P.E.N.-Clubs, doch trat er aus Protest gegen die Verleihung des Literaturnobelpreises 1972 an Heinrich Böll von seinem Amt zurück. Sein Biograf Roman Rocek weist allerdings darauf hin, dass Lernet-Holenia schon zuvor seit Monaten sein Amt kaum noch ausgeübt und mehrmals mit Rücktritt gedroht hatte, sogar schriftliche Rücktrittserklärungen habe es bereits gegeben. Der Eklat um den Nobelpreis für Böll sei für Lernet lediglich ein willkommener Vorwand gewesen.[3] 1976 starb er in Wien in der Cumberlandstraße 53 an Lungenkrebs und wurde in einem ehrenhalber gewidmeten Grab auf dem Hietzinger Friedhof (Gruppe 30, Nummer 23) beigesetzt.


Rezeption


Grabstätte von Alexander Lernet-Holenia
Grabstätte von Alexander Lernet-Holenia

Zu seinen Lebzeiten war Lernet-Holenia nicht zuletzt aufgrund seines Hanges zu polemischer Zeitkritik heftig umstritten. Gleichwohl wurden seine Werke, nicht zuletzt aufgrund ihres eleganten Stils und der oftmals in ihnen enthaltenen k.u.k.-Nostalgie, viel gelesen. In jüngerer Zeit gelangten auch die Motive und die phantastischen Elemente seiner Werke in den Blick der Literaturwissenschaft. Beispielhaft für die jüngere Rezeptionsgeschichte ist folgende Beurteilung:

„Es wäre wohl nicht verfehlt, Lernet-Holenia […] als den wichtigsten österreichischen Erzähler des Phantastischen, neben Perutz, dessen letzten Roman er herausgab, anzusehen.[4]

Stefan Zweig beschrieb Lernet-Holenia in einem Brief an den Komponisten Richard Strauss als

„…ein[en] geheimnisvolle[n] Mensch[en] als Dichter, ganz groß in seinen Gedichten und einigen seiner dramatischen Szenen, dann wieder unglaublich lässig, wenn er mit der linken Hand und aus Geldverdienerei Komödien oder seichte Romane schreibt, die dann gar keine Tiefe, aber immer noch Grazie haben. Eine Arbeit mit Ihnen, dachte ich mir, könnte ihn zur höchsten Produktivität reizen, denn wenn in ihm das Feurige erwacht, ist er nach meinem Empfinden großartiger als alle andern.[5]


Auszeichnungen



Werke (Auswahl)



Filmografie


Drehbuch
Literarische Vorlage

Literatur




Commons: Alexander Lernet-Holenia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Karin Gradwohl-Schlacher: Literatur in Österreich 1938–1945. Handbuch eines literarischen Systems. Band 4 Wien. Böhlau Verlag, Wien-Köln-Weimar 2018, ISBN 978-3-205-20492-3, S. 478 sowie Roman Rocek: Die neun Leben des Alexander Lernet-Holenia. Eine Biographie. Böhlau Verlag, Wien/ Köln/ Weimar 1997, ISBN 3-205-98713-6, S. 226.
  2. Roman Rocek: Die neun Leben des Alexander Lernet-Holenia. Eine Biographie. Böhlau Verlag, Wien/ Köln/ Weimar 1997, ISBN 3-205-98713-6, S. 322
  3. Roman Rocek: Die neun Leben des Alexander Lernet-Holenia. Eine Biographie. Böhlau Verlag, Wien/ Köln/ Weimar 1997, ISBN 3-205-98713-6, S. 358f.
  4. Rein A. Zondergeld, Holger E. Wiedenstried: Lexikon der phantastischen Literatur. Weibrecht Verlag, Stuttgart u. a. 1998, ISBN 3-522-72175-6, S. 216.
  5. Roman Rocek: Die neun Leben des Alexander Lernet-Holenia. Eine Biographie. Böhlau Verlag, Wien/ Köln/ Weimar 1997, ISBN 3-205-98713-6, S. 184.
  6. Alexander-Lernet-Holenia-Park im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  7. Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums, Stand vom 31. Dezember 1938, S. 84. Leipzig, 1938.
    Berlin.de – Liste der von den Nationalsozialisten verbotenen Literatur (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
  8. Die neue Atlantis.
Personendaten
NAME Lernet-Holenia, Alexander
ALTERNATIVNAMEN Lernet-Holenia, Alexander Marie Norbert (vollständiger Name); Neydisser, Clemens (Pseudonym)
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Schriftsteller
GEBURTSDATUM 21. Oktober 1897
GEBURTSORT Wien
STERBEDATUM 3. Juli 1976
STERBEORT Wien

На других языках


- [de] Alexander Lernet-Holenia

[en] Alexander Lernet-Holenia

Alexander Lernet-Holenia (21 October 1897, in Vienna — 3 July 1976) was an Austrian poet, novelist, dramaturgist and writer of screenplays and historical studies who produced a heterogeneous literary opus that included poetry, psychological novels describing the intrusion of otherworldly or unreal experiences into reality, and recreational films.

[ru] Лернет-Холения, Александр

Александр Лернет-Холения (нем. Alexander Lerner-Holenia, полное имя: Alexander Marie Norbert Lernet — Александр Мария Норберт Лернет; 4 октября 1897, Вена — 3 июля 1976, там же) — выдающийся австрийский писатель, поэт и киносценарист. Автор многочисленных трагедий и комедий, исторического романа «Штандарт» (1934). Участвовал в Первой и Второй Мировых войнах. В Германии после прихода нацистов к власти книги Лернет-Холении были включены в список книг, подлежащих сожжению.



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