Leonie Ossowski, Pseudonym für Jolanthe von Brandenstein (* 15. August 1925 in Röhrsdorf, Kreis Fraustadt, Grenzmark Posen-Westpreußen[1]; † 4. Februar 2019 in Berlin[2]), war eine deutsche Schriftstellerin.[3] Sie schrieb auch unter dem Pseudonym Jo Tiedemann.[4]
Leben
Jolanthe von Brandenstein wurde 1925 als eine von vier Töchtern des Gutsbesitzers Lothar von Brandenstein (1893–1953) und der Schriftstellerin Ruth von Ostau (1899–1966) geboren. Ihre ältere Schwester war die Schauspielerin Yvonne Merin (1921–2012).
Bei Kriegsende flüchtete Ossowski aus ihrer Heimat im heutigen Polen über Bad Salzungen nach Hessen; später folgte ein Umzug nach Oberschwaben.[5] Sie arbeitete in einer Fabrik, in einem Fotolabor und als Sprechstundenhilfe. 1958 zog sie mit ihrer Familie nach Mannheim. In den 1970er Jahren arbeitete sie als Sozialarbeiterin, betreute Jugendliche im Gefängnis und richtete eine Wohngemeinschaft für haftentlassene Jugendliche ein. 1980 zog sie nach Berlin (West). Sie lebte von 1978 bis 1993 mit ihrem dritten Mann zusammen, ließ sich dann scheiden und lebte seitdem allein. Sie hatte sieben Kinder, darunter den Theologen Louis-Ferdinand von Zobeltitz.
Pseudonym
Anfang der 1950er Jahre begann sie unter dem Pseudonym Leonie Ossowski Kurzgeschichten zu schreiben. Ossowski bedeutet sinngemäß „von Osowa“ bzw. „aus Osowa stammend“; Osowa Sień ist der polnische Name ihres Geburtsortes.
Werk
Bei einem Besuch in der DDR bekam sie 1953 von der DEFA den Auftrag für ein Drehbuch. Daraus entstand der von Frank Beyer gedrehte Spielfilm Zwei Mütter,[6] der am 28. Juni 1957 uraufgeführt wurde. 1958 veröffentlichte sie in der DDR den Roman Stern ohne Himmel. Im Jahr 1968 erschien ihr erster Roman in der Bundesrepublik. Seither veröffentlichte sie neben Erzählungen auch Sachbücher und schrieb Drehbücher und Bühnenstücke.
1980 wurde in ihrem Geburtsort der Film Weichselkirschen nach einem Drehbuch von Ossowski unter Mitwirkung zahlreicher polnischer Schauspieler gedreht.[7]
2005 wurde ihr Roman Die schöne Gegenwart von Christine Kabisch nach einem Drehbuch von Gabriela Zerhau für das Fernsehen unter dem Titel Neue Freunde, neues Glück verfilmt.[8]
2013 brachte Lih Janowitz das filmische Porträt Leonie Ossowski zur Uraufführung.[9]
Ossowski war Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.
Alle ihre Romane und Jugendbücher machen auf soziale und gesellschaftspolitische Themen aufmerksam, wobei Vergangenheit und Gegenwart verbunden werden.
Auszeichnungen
1973: Ehrende Anerkennung beim Adolf-Grimme-Preis für Treffpunkt 72: Die Kippe – Zur Bewährung ausgesetzt
1977: Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis für Die große Flatter
1978: Buxtehuder Bulle für Stern ohne Himmel
1980: Adolf-Grimme-Preis mit Silber für das Drehbuch zum Film Die große Flatter (zusammen mit Marianne Lüdcke)
1981: Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen für Weichselkirschen
1982: Bundesverdienstkreuz am Bande
1982: Schillerpreis der Stadt Mannheim für ihr Gesamtwerk
1985: Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlin mit dem GRIPS-Theater Berlin für das Stück Voll auf der Rolle
2021: Die Stadt Mannheim benennt eine Promenade nach Leonie Ossowski[11]
Werke
Romane und Erzählungen
Stern ohne Himmel, 1958 (verfilmt 1980)
Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?, Roman, 1968
Mannheimer Erzählungen, 1974
Weichselkirschen, Roman, 1976 (1. Teil der Schlesien-Trilogie)
Die große Flatter, Roman, 1977 (verfilmt 1979)
Blumen für Magritte, Erzählungen, 1978
Liebe ist kein Argument, Roman, 1981 (verfilmt 1984)
Wilhelm Meisters Abschied, Roman, 1982
Littel fasst einen Entschluss und andere Erzählungen, 1983
Neben der Zärtlichkeit, Roman, 1984
Wolfsbeeren, Roman, 1987 (2. Teil der Schlesien-Trilogie)
Das Zinnparadies, 1988
Weckels Angst, 1991
Holunderzeit, Roman, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1991 (3. Teil der Schlesien-Trilogie)
Von Gewalt keine Rede. Zwei Erzählungen, 1992
Die Maklerin, Roman, 1994
Herrn Rudolfs Vermächtnis, Roman, Hoffmann & Campe, Hamburg 1997 als Heyne Taschenbuch, München 1998, ISBN 3-453-13756-6.
Das Dienerzimmer, Roman, 1999
Die schöne Gegenwart, Roman, 2001
Espenlaub, Roman, 2003
Der einarmige Engel, Roman, 2004
Drehbücher
1957: Zwei Mütter
1971: Tatort: Auf offener Straße
1979: Weichselkirschen
1979: Die große Flatter
1980: Stern ohne Himmel
1985: Voll auf der Rolle
1991: Von Gewalt keine Rede
Sachbücher
Zur Bewährung ausgesetzt. Bericht über Versuche kollektiver Bewährungshilfe. Piper, München 1972
Der Löwe im Zinnparadies. Eine Wiederbegegnung. Piper, München 2003 (über ein Wiedersehen mit Niederschlesien und Erinnerungen an Flucht und Vertreibung)
Literatur
Rolf Esser: Literatur-Kartei zum Jugendbuch von Leonie Ossowski ‚Die große Flatter‘.[12]
Ekkehart Mittelberg und Herbert Fuchs: Interpretation und Stundenausarbeitungen zu Leonie Ossowski: Die grosse Flatter. Hirschgraben-Verlag, Frankfurt am Main 1984. ISBN 3-454-50101-6.
Paweł Zimniak: Die verlorene Zeit im verlorenen Reich. Christine Brückners Familiensaga und Leonie Ossowskis Familienchronik. Wydawnictwo Wyższej Szkoły Pedagogicznej, Zielona Góra 1996. ISBN 83-86832-13-4.
Elwira Pachura: Polen – die verlorene Heimat. Zur Heimatproblematik bei Horst Bienek, Leonie Ossowski, Christa Wolf, Christine Brückner. Ibidem-Verlag, Stuttgart 2002. ISBN 3-89821-205-X.
Kerstin Dötsch: Leonie Ossowski. In: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Kindlers Literatur Lexikon, Bd. 12, 3. Aufl. Metzler, Stuttgart/Weimar 2009, ISBN 978-3-476-04000-8, S. 398–400.
Marcin Wiatr: Leonie Ossowski (Jolanthe von Brandenstein, 1925–2019). In: Joachim Bahlcke (Hrsg.): Schlesische Lebensbilder. Band XIII. Stiftung Kulturwerk Schlesien, Würzburg 2021, ISBN 978-3-929817-11-9, S. 445–456.
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