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Harold Pinter, CH, CBE (* 10. Oktober 1930 in London, England; † 24. Dezember 2008 ebenda) war ein britischer Theaterautor und Regisseur. Er hat für Theater, Hörfunk, Fernsehen und Kinofilme geschrieben. Viele seiner frühen Werke werden zum Absurden Theater gezählt. 2005 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

Harold Pinter während seiner Nobelpreis-Vorlesung im Dezember 2005
Harold Pinter während seiner Nobelpreis-Vorlesung im Dezember 2005
Harold Pinter (1962)
Harold Pinter (1962)

Leben und Werk


Pinter wurde in Hackney im Londoner Eastend geboren. Seine Eltern waren Juden osteuropäischer Herkunft, sein Vater Jack Haim Pinter war Damenschneider, seine Mutter Frances Moskowitz Hausfrau. Pinter war – wahrscheinlich irrtümlich – der Meinung, seine Vorfahren väterlicherseits seien sephardische Juden gewesen und sein Name gehe auf den portugiesischen Namen Pinto zurück. Pinter wuchs im proletarisch geprägten Londoner Eastend auf. Als er 1948 zum Militär einberufen wurde, verweigerte er den Kriegsdienst. Bereits als junger Mann veröffentlichte er Gedichte und spielte Theater. Sein über ein Stipendium finanziertes Studium an der Royal Academy of Dramatic Art in London brach er ab, um mit einer Wanderbühne umherzuziehen, die Shakespeare-Stücke in Irland aufführte.

Sein erstes Theaterstück The Room (Das Zimmer) schrieb er 1957. Im selben Jahr begann er mit der Arbeit an dem Stück The Birthday Party (Die Geburtstagsfeier), das floppte, obwohl es von der Sunday Times gelobt wurde. Seinen Durchbruch hatte er mit dem Stück The Caretaker (Der Hausmeister), das 1960 uraufgeführt wurde. Es folgten drei Jahrzehnte, in denen er einer der meistgespielten und einflussreichsten britischen Dramatiker war. Neben Theaterstücken schrieb er Drehbücher (unter anderem für Regisseure wie Joseph Losey, Elia Kazan, Robert Altman, Volker Schlöndorff und Paul Schrader), Hör- und Fernsehspiele sowie den Roman Die Zwerge, führte Regie und arbeitete als Schauspieler für Film und Theater.

In den 1980er Jahren zeigte Harold Pinter offen politisches Engagement. 1985 reiste er mit dem amerikanischen Dramatiker Arthur Miller in die Türkei, wo sie sich mit Opfern politischer Unterdrückung trafen. Pinters Erfahrungen mit der Unterdrückung der kurdischen Sprache inspirierten ihn zu seinem 1988 veröffentlichten Theaterstück Mountain Language (Berg-Sprache). Seine öffentliche Verteidigung des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević, der vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag des Völkermords und des Verbrechens gegen die Menschlichkeit angeklagt war, sorgte international für Kritik. Ebenso engagierte sich Pinter für Kampagnen gegen den Irakkrieg.

Zeichnung Reginald Grays, erschienen im Nachruf vom New Statesman, 12. Januar 2009
Zeichnung Reginald Grays, erschienen im Nachruf vom New Statesman, 12. Januar 2009

Umstritten ist, ob die Unklarheit und Undurchschaubarkeit der Welt in Pinters frühen Theaterstücken schon Grund genug ist, seine Werke dem Absurden Theater zuzurechnen. Zumindest lässt sich einwenden, dass nicht seine Stücke absurd sind, sondern die Umstände, in denen die Figuren seiner Stücke leben. Gerade die berühmten früheren Arbeiten Pinters sind gesättigt mit Realität, geben Einblick in ärmliche und sozial bedrückende Existenzverhältnisse. Oft wissen die Figuren Pinters selbst nicht, welchen Motiven sie folgen. Die letzten Sätze des alten Davies in Pinters Stück „Der Hausmeister“, der sich in die Geborgenheit eines fremden Zimmers zu drängen versucht, zeigen, wie wenig Selbstgewissheit ihm geblieben ist: „Was soll ich machen? Wo soll ich hin?“

Für sein Werk wurde Pinter vielfach ausgezeichnet, so etwa mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur (1973), dem Laurence Olivier Award (1996) und dem wichtigsten Literaturpreis Englands, dem David-Cohen-Preis (1995). 2001 wurde er mit der Hermann-Kesten-Medaille ausgezeichnet; am 13. Oktober 2005 erhielt er den Nobelpreis für Literatur: „Pinter hat in seinen Dramen den Abgrund unter dem alltäglichen Geschwätz freigelegt und ist in den geschlossenen Raum der Unterdrückung eingebrochen“, hieß es in der Begründung. Da er zur Nobelpreisverleihung in Stockholm nicht persönlich erscheinen konnte, wurde eine am Vortag auf Video aufgezeichnete Dankesrede von ihm gezeigt. Das Video zeigte einen schwer an Krebs erkrankten Pinter, der die Publizität des Anlasses für heftige Vorwürfe gegen den US-Präsidenten und den britischen Premierminister nutzte. Er nannte George W. Bush im Zusammenhang mit dem Irakkrieg einen Massenmörder und Tony Blair einen „armen Irren“ („deluded idiot“). Im Oktober 2005 erhielt er von der Franz-Kafka-Gesellschaft in Prag den alljährlich verliehenen Franz-Kafka-Preis, den sein Freund Václav Havel an seiner Stelle entgegennahm. 2006 erhielt er den Premio Europa per il Teatro. Außerdem war er Mitglied u. a. der Akademie der Künste in (West-)Berlin (1982), der American Academy of Arts and Letters (1984) und der American Academy of Arts and Sciences (1985).

Nach der Zuerkennung des Nobelpreises wurden Pinters Stücke vor allem in Großbritannien wieder in die Spielpläne mehrerer Bühnen aufgenommen, wobei vor allem seine frühen Werke ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entstehung herausragende Inszenierungen erlebten und große Resonanz bei Kritik und Publikum fanden. Pinter selbst stand nach vielen Jahren im Oktober 2006 im Londoner Royal Court Theatre noch einmal als Schauspieler in Samuel Becketts Das letzte Band (Krapp’s Last Tape) auf der Bühne. Alle neun Vorstellungen waren innerhalb weniger Stunden ausverkauft.

Pinter starb am 24. Dezember 2008 an Kehlkopfkrebs.


Arbeit an Filmen


Sein erstes Drehbuch The Servant schrieb Pinter 1963 für den Regisseur Joseph Losey, mit dem er noch mehrfach zusammenarbeiten sollte. Später schrieb er Drehbücher unter anderem für Accident – Zwischenfall in Oxford (1967), Der Mittler (1971), Die Geliebte des französischen Leutnants (1981), Turtle Diary (1985), nach dem Roman von Russell Hoban, Die Geschichte der Dienerin (The Handmaid’s Tale) (1990), Der Prozeß (1993), nach dem Roman Der Prozeß von Franz Kafka. Er veröffentlichte auch ein Drehbuch zu Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, das allerdings nicht verfilmt wurde.

Einige von Pinters Stücken wurden ebenfalls für das Kino adaptiert: Der Hausmeister (1963), The Birthday Party (1968), The Homecoming (1973) und Betrug (1983). Für seine Arbeit an Die Geliebte des französischen Leutnants und Betrug wurde er jeweils für den Oscar in der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch nominiert. Für die Verfilmung seines Theaterstücks Der Hausmeister übernahm er 1963 gemeinsam mit den Darstellern Donald Pleasence, Alan Bates, dem Regisseur Clive Donner und anderen prominenten Geldgebern die Kosten für die Produktion, nachdem andere Geldgeber abgesprungen waren. Er selbst hatte in dem Film einen Kurzauftritt.

Gelegentlich übernahm Pinter auch selbst Filmrollen (unter anderem in The Servant 1963, Accident 1967, Turtle Diary 1985, Mansfield Park 1999 und Der Schneider von Panama 2001). Zuletzt entwickelte Pinter das Drehbuch zu dem Film 1 Mord für 2 auf der Grundlage des Stückes Sleuth (Revanche oder Mord mit kleinen Fehlern) seines Kollegen Anthony Shaffer, welches 2007 von Kenneth Branagh mit Jude Law und Michael Caine neu verfilmt wurde.


Wirkung



Pinter in den Schlagzeilen


1977 geriet Pinter in die Schlagzeilen, nachdem er seine Frau, die Schauspielerin Vivien Merchant, mit der er seit 1956 verheiratet war, für Lady Antonia Fraser, die älteste Tochter des 7. Earls of Longford, verließ. Nach Pinters Scheidung heiratete das Paar 1980. Pinters Stück Betrayal (Betrug) von 1978 wurde in diesem Zusammenhang verschiedentlich als Darstellung dieser Liaison gelesen; es basiert jedoch vielmehr auf einer früheren Affäre, die Pinter sieben Jahre lang mit der Fernsehmoderatorin Joan Bakewell verband.

Später sorgte ein öffentlicher Streit mit dem Theaterregisseur Peter Hall für Furore, der Pinter in seinen 1983 erschienenen Tagebüchern als notorischen Trinker dargestellt hat. Pinter und Hall gelang es jedoch, ihr freundschaftliches Verhältnis wiederherzustellen.

Pinter war ein großer Fan des englischen Nationalsports Cricket. Er war bis zu seinem Tod Vorsitzender des Gaieties Cricket Clubs.


In der Literatur


In der Kurzgeschichte Save the Reaper (1998) von Alice Munro gibt es in fiktionaler Form einen Cameo-Auftritt von Harold Pinter, als während der Szene in einer verkommenen Behausung mit betrunkenen Männern die Reflexionsfähigkeit der Protagonistin Eve dank Literaturlektüre und Bühnenerfahrung geschildert wird, wo es heißt: „dachte sie darüber nach, wie sie das alles beschreiben würde – sie würde sagen, es war als sei sie unversehens mitten in ein Stück von Pinter geraten. Oder wie ihre schlimmsten Albträume von einem sturen, feindseligen Publikum.“[1] Dem Chef in der Behausung hat Munro den Vornamen des Dramatikers und Nobelpreiskollegen gegeben, Harold.


In der Politik


Pinter hatte zu politischen Fragen eine dezidierte Meinung. Seine Nobelvorlesung „Kunst, Wahrheit und Politik“ bestand zu einem großen Teil aus der Verurteilung des verdeckten völkerrechtswidrigen Krieges der USA gegen die Revolution der Sandinisten in Nicaragua sowie des völkerrechtswidrigen Irak-Kriegs, geführt hauptsächlich von den USA und Großbritannien. Die Invasion des Irak sei ein Banditenakt, ein Akt von unverhohlenem Staatsterrorismus gewesen, der die absolute Verachtung des Prinzips von internationalem Recht demonstriert habe. Die westlichen Medien hätten durch eine Art Hypnose der westlichen Bevölkerung die verbrecherischen Kriege ihrer Regierungen gedeckt. „Die Invasion war ein willkürlicher Militäreinsatz, ausgelöst durch einen ganzen Berg von Lügen und die üble Manipulation der Medien und somit der Öffentlichkeit; ein Akt zur Konsolidierung der militärischen und ökonomischen Kontrolle Amerikas im mittleren Osten unter der Maske der Befreiung, letztes Mittel, nachdem alle anderen Rechtfertigungen sich nicht hatten rechtfertigen lassen. Eine beeindruckende Demonstration einer Militärmacht, die für den Tod und die Verstümmelung abertausender Unschuldiger verantwortlich ist. Wir haben dem irakischen Volk Folter, Splitterbomben, abgereichertes Uran, zahllose willkürliche Mordtaten, Elend, Erniedrigung und Tod gebracht und nennen es ›dem mittleren Osten Freiheit und Demokratie bringen‹. Wie viele Menschen muß man töten, bis man sich die Bezeichnung verdient hat, ein Massenmörder und Kriegsverbrecher zu sein? Einhunderttausend? Mehr als genug, würde ich meinen. Deshalb ist es nur gerecht, daß Bush und Blair vor den Internationalen Strafgerichtshof kommen.“[2]


Theaterstücke


(U = Uraufführung, DSE = deutschsprachige Erstaufführung)


Prosa



Auszeichnungen



Literatur




Wikiquote: Harold Pinter – Zitate (englisch)
Commons: Harold Pinter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Nachrufe


Einzelnachweise


  1. Deutsche Übersetzung von Heidi Zerning. Im englischsprachigen Original heißt es: „she was thinking how she would describe this – she'd say it was like finding yourself in the middle of a Pinter play. Or like all her nightmares of a stolid, silent, hostile audience.“
  2. http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/2005/pinter-lecture-g.html
Personendaten
NAME Pinter, Harold
KURZBESCHREIBUNG britischer Theaterautor und Regisseur, Literaturnobelpreisträger
GEBURTSDATUM 10. Oktober 1930
GEBURTSORT London, England, Vereinigtes Königreich
STERBEDATUM 24. Dezember 2008
STERBEORT London, England, Vereinigtes Königreich

На других языках


- [de] Harold Pinter

[en] Harold Pinter

Harold Pinter CH CBE (/ˈpɪntər/; 10 October 1930 – 24 December 2008) was a British playwright, screenwriter, director and actor. A Nobel Prize winner, Pinter was one of the most influential modern British dramatists with a writing career that spanned more than 50 years. His best-known plays include The Birthday Party (1957), The Homecoming (1964) and Betrayal (1978), each of which he adapted for the screen. His screenplay adaptations of others' works include The Servant (1963), The Go-Between (1971), The French Lieutenant's Woman (1981), The Trial (1993) and Sleuth (2007). He also directed or acted in radio, stage, television and film productions of his own and others' works.

[es] Harold Pinter

Harold Pinter (10 de octubre de 1930-24 de diciembre de 2008), fue un dramaturgo, guionista, poeta, actor, director y activista político inglés, ganador del Premio Nobel de Literatura en 2005. Su carrera como escritor se extendió por más de cincuenta años y fue uno de los más influyentes dramaturgos modernos británicos.

[ru] Пинтер, Гарольд

Га́рольд Пи́нтер (англ. Harold Pinter; 10 октября 1930, Лондон — 24 декабря 2008, там же) — английский драматург, поэт, режиссёр, актёр, общественный деятель. Один из самых влиятельных британских драматургов своего времени.



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