Im Westen nichts Neues (Originaltitel All Quiet on the Western Front) ist ein Kriegsdrama von Edward Berger, das im September 2022 beim Toronto International Film Festival seine Premiere feierte, Ende September 2022 in die deutschen Kinos kam und im Oktober 2022 in das Programm von Netflix aufgenommen werden soll. Es handelt sich um eine Verfilmung von Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues aus dem Jahr 1929. Die Rolle von Paul Bäumer wurde in dem Film mit dem österreichischen Schauspieler Felix Kammerer besetzt. Im Westen nichts Neues wurde als deutscher Kandidat für die Oscars 2023 ausgewählt.
Während des Ersten Weltkrieges kommt es auf dem Schlachtfeld zum tragischen Tod eines Soldaten. Er ist in die Schusslinie französischer Maschinengewehre geraten und findet in einem Massengrab seine letzte Ruhe. Seine Uniform und seine Stiefel werden ihm vorher ausgezogen, von Schneiderinnen notdürftig geflickt und nach Hause geschickt, damit ein anderer Soldat sie tragen kann. Der junge Soldat, der diese Klamotten erhält, heißt Paul Bäumer.
Nach den patriotischen Reden ihres Lehrers haben sich der 17-jährige Paul Bäumer und seine Freunde Albert und Müller freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Paul hat hierfür bei seinem Alter gelogen. Bei ihrem Dienst für das deutsche Kaiserreich werden die jungen Männer an die Westfront geschickt. Sie werden ins nordfranzösische La Malmaison geschickt, und schnell wird ihr Patriotismus auf die Probe gestellt, als sie die Schrecken dieses Krieges erleben.
Dass dies alles kein Spiel ist, müssen Paul und die anderen Soldaten schnell feststellen. In einem der Schützengräben freunden sich die Jungen mit Stanislaus Katczinsky an, der ein bisschen klüger zu sein scheint als der Rest der Truppe. Er nimmt Paul unter seine Fittiche und wird für ihn zum Vorbild. Ein anderer, ebenfalls kampferfahrener Kamerad namens Tjaden warnt sie vor einem unmittelbar bevorstehenden Angriff der Franzosen. Als dieser kommt, findet sich Paul bald unter Trümmern begraben. Als er wieder zu sich kommt, muss er seinen getöteten Kameraden ihre Kennmarken abnehmen. Unter den gefallenen Soldaten findet sich auch sein Freund Ludwig. Paul ist am Boden zerstört.
Unterdessen bemühen sich deutsche Diplomaten einen Friedensvertrag mit den Alliierten auszuhandeln. Der liberale Politiker Matthias Erzberger sieht sich bei den Verhandlungen jedoch französischen Generälen gegenüber, die keine Kompromisse machen wollen. Erzberger versucht General von Winterfeldt zum Einlenken zu bewegen, der ein Verfechter des Wahlspruchs „Für Kaiser, Gott und Vaterland“ ist. Daher will der General unbedingt bis zum Ende durchhalten und niemals aufgeben, weil er dies als Verrat erachtet. Erzberger steht dabei unter extremem Druck, denn er hat nur noch 72 Stunden Zeit, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen.[2][3][4]
„In Deutschland, vielleicht anders als in anderen Ländern, gehen wir viel kritischer mit unserer eigenen Geschichte um. Wir betrachten unsere Geschichte zu Recht kritisch und versuchen sie irgendwie zu verstehen, zu verarbeiten. Wir stehen dem Militär sehr kritisch gegenüber. Das bereitet gerade dem Krieg in der Ukraine Probleme, denn Waffen in ein anderes Land zu schicken oder überhaupt in einen Krieg einzugreifen, ist in Deutschland höchst umstritten. Es wäre für mich entsetzlich, wenn irgendein Land diesen Film als Entschuldigung für das Vorgehen deutscher Soldaten im Krieg sehen würde.“
Der Film, eine Produktion des Studios Amusement Park für Netflix, basiert auf dem Roman Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque aus dem Jahr 1929.[6][7] Dieser wurde von den Nazis verboten und wegen seiner „verräterischen“ und entschieden unheroischen Darstellung des Krieges verbrannt.[5] Zu diesem Zeitpunkt war der deutsche Schriftsteller bereits in die Schweiz ausgewandert.[8]
Nachdem die Geschichte von Remarque 1928 in der deutschen Vossischen Zeitung erschienen war, wurde sie im Januar 1929 als Buch veröffentlicht und avancierte schnell zum Bestseller. Im März 1929 wurde es ins Englische übersetzt und im folgenden Jahr in einen Oscar-prämierten Hollywood-Film adaptiert. Bei der deutschen NSDAP fand die Empathie des Romans für einen vermeintlichen Feind jedoch keinen Anklang[9], während es Kritiker weltweit als „pazifistische Kriegsanklage“ feierten.[8] So dramatisch Remarque die Kriegswirren schilderte, kämpfte er selbst nur kurz an der Front. Als Schüler wurde er 1916 in den Krieg eingezogen, aber bald darauf verwundet und in ein Lazarett verlegt. Dort hörte er sich die Geschichten der anderen schwerverletzten Soldaten an und machte sich Notizen, die später in seinem weltberühmten Roman verarbeitet wurden. Um den Umsatz anzukurbeln, behauptete Remarque, alle Ereignisse selbst erlebt zu haben.[8]
Regie führte Edward Berger.[10] Gemeinsam mit Lesley Paterson und Ian Stokell adaptierte er auch Remarques Roman für den Film.[2] Es handelt sich um die dritte Verfilmung des Stoffes nach Im Westen nichts Neues von Lewis Milestone aus dem Jahre 1930 und einer Verfilmung aus dem Jahr 1979.[11] Berger war es wichtig, die deutsche Perspektive einzunehmen: „Unser Blick auf den Krieg ist geprägt von Gram und Scham, von Verwüstung und Schuld. Da bleibt nichts Positives, kein Funken Heldenhaftigkeit zurück. Unsere Geschichte, unseren Hintergrund und unsere Einstellung zum Krieg zur Triebfeder eines Films zu machen, empfand ich als eine große Herausforderung.“[12] Berger war es wichtig, diese singuläre deutsche Perspektive der Zerstörung zu zeigen und welche Narben das hinterlassen hat in den Menschen und in der Welt.[13]
Die Deutschen seien mit dem Horror und dem Verlust aufgewachsen, und Berger hatte keinen Bezug zu heldenhaften Soldaten.[14] „Anders als bei amerikanischen oder britischen Werken kann es bei einem deutschen Kriegsfilm das Gefühl der Glorifizierung nicht geben“, so Berger. „Bei uns dürfen wir keine Heldengeschichte erzählen, es geht immer um Trauer, Scham, Schuld und Terror. Und natürlich gibt es nichts, worauf man stolz sein kann in diesen Kriegen.“[13]
Der österreichische Schauspieler Felix Kammerer spielt Paul Bäumer. Die Frau eines der Produzenten des Films, die am Burgtheater in Wien arbeitet, kannte Kammerer und schickte Berger ein Foto von ihm. Nach einem monatelangen Casting, zu dem man auch Kammerer einlud, entschied sich der Regisseur letztlich für die Besetzung mit ihm, dessen altmodisches und unschuldiges Gesicht ihm in Erinnerung geblieben war.[5] Die deutschen Schauspieler Aaron Hilmer und Moritz Klaus sind in den Rollen von Bäumers Freunden Albert Kropp und Frantz Müller zu sehen. Während sich der Roman und frühere Adaptionen ausschließlich auf die Schützengräben und auf den Krieg an der Front konzentrierten, fügte Berger in seinen Film eine zweite Erzählung ein, die der deutschen Diplomaten, die versuchen, einen Friedensvertrag mit den Alliierten auszuhandeln. Angeführt werden diese von Matthias Erzberger, der von Daniel Brühl gespielt wird. Der Franzose Thibault de Montalembert spielt General Ferdinand Foch.[4] Albrecht Schuch spielt Paul Bäumers Kameraden in den Schützengräben Stanislaus Katczinsky.[5][4] In weiteren Rollen sind Edin Hasanović als der für Deutschland kämpfende Soldat Tjaden Stackfleet, Devid Striesow als General Friedrich, Andreas Döhler, Michael Stange, Adrian Grünewald und Sebastian Hülk zu sehen.[2]
Die Dreharbeiten fanden an 52 Drehtagen von 9. März bis 24. Mai 2021 statt. Größtenteils drehte man in Tschechien,[15][16], wo die riesigen Filmsets mit ausufernden Schützengräben und Barackensiedlungen gebaut wurden.[17] In Prag drehte man in den Barrandov Studios und anderswo in der Stadt.[18][19] Weitere Aufnahmen entstanden an verschiedenen Orten im umliegenden Böhmen, so in Milovice, Králův Dvůr, auf der Burg Točník, in Libušín, Vinařice, Benátky nad Jizerou, Lišany, Chotýšany, Luštěnice und den Schlössern Liběchov und Hořín. Im nahe gelegenen Ústí nad Labem fanden die Dreharbeiten in Žatec, Roudnice nad Labem, Buškovice, Postoloprty, Černochov und im Schloss Brody statt. Aufnahmen entstanden auch auf der Burg Sychrov bei Liberec und im Kloster Chotěšov in der Region Plzeň.[18] Weitere Aufnahmen entstanden in Deutschland und Belgien. Als Kameramann fungierte James Friend, mit dem Berger bereits für die Fernsehserien Patrick Melrose und Your Honor zusammenarbeitete. Der Regisseur arbeitete mit dem Filmeditor Sven Budelmann zusammen, der zuletzt für Schachnovelle von Philipp Stölzl tätig war.
Für den Ton zeichneten verantwortlich der mehrfach für den Deutschen Filmpreis nominierte Lars Ginzel, Frank Kruse, der mit Ginzel zuletzt für Tides zusammenarbeitete, und Viktor Prášil.
Die Filmmusik komponierte Volker Bertelmann, der mit Berger ebenfalls zuletzt für Patrick Melrose und Your Honor zusammenarbeitete.[2]
Der erste Trailer wurde Anfang September 2022 vorgestellt.[20] Die Premiere erfolgte am 12. September 2022 beim Toronto International Film Festival.[21][3] In Europa wurde Bergers Regiearbeit erstmals Ende September 2022 als Galapremiere auf dem Zurich Film Festival gezeigt.[22][23] Die Deutschlandpremiere erfolgte am 27. September 2022 im Berliner Kino International.[24] Ab 29. September 2022 kam der Film in ausgewählte deutsche Kinos und soll am 14. Oktober 2022 in Großbritannien und in den USA und am 28. Oktober 2022 in das Programm von Netflix aufgenommen werden.[5][12]
In Deutschland wurde der Film von der FSK ab 16 Jahren freigegeben. In der Freigabebegründung heißt es, der Film lasse sich Zeit, um die Hauptfiguren vorzustellen, und schildere dann in geradliniger, überwiegend ruhiger Erzählweise die apokalyptischen Schrecken und die Hoffnungslosigkeit des Kriegsalltags. In diesem beklemmenden Kontext stelle die Drastik einiger Bilder für junge Zuschauende eine Herausforderung dar. Da die Handlung nie effekthascherisch oder spekulativ sei, während die pazifistische Aussage des Films unmissverständlich klar werde und die Darstellung von Freundschaft emotionalen Halt biete, könnten 16-Jährige den Film ohne Beeinträchtigungen verarbeiten.[25]
Vom British Board of Film Classification wurde er ab 15 Jahren freigegeben.[26] In den USA erhielt der Film von der MPAA ein R-Rating, was einer Freigabe ab 17 Jahren entspricht[27] Sarah Milner bemerkt hierzu in ihrer Kritik, Edward Bergers Film zeige viel, viel mehr Gewalt, als frühere Verfilmungen des Romans und sei nichts für schwache Nerven: „Allein das Anschauen des intensiven Blutvergießens und Leidens auf der großen Leinwand reicht aus, um jedem Alpträume zu bereiten. Noch bedrückender ist jedoch, sich daran zu erinnern, wie viele Menschen das tatsächlich durchgemacht haben.“[28]
Der Film wurde von allen bei Rotten Tomatoes erfassten Kritikern positiv bewertet mit durchschnittlich 8 der möglichen 10 Punkte.[29] Auf Metacritic erhielt der Film einen Metascore von 78 von 100 möglichen Punkten.[30]
Pete Hammond von Deadline.com bemerkt in seiner Kritik, der Film sehe, insbesondere wegen seiner Kampfszenen, viel teurer aus als die tatsächlichen Produktionskosten nahelegen. Die Geschichte von dem jungen deutschen Soldaten namens Paul während des Ersten Weltkriegs bleibe in der Inszenierung Edward Bergers so kraftvoll wie eh und je und gewinne sogar in dieser Zeit, in der in der Ukraine ein weiterer Krieg in Europa geführt wird. Der Film zeige, dass Krieg kein Videospiel ist, und das mache er sehr gut. Es sei immer schwierig, einen Klassiker neu zu verfilmen, so Hammond, doch Regisseur Berger und den Drehbuchautoren Lesley Paterson und Ian Stokell sowie seinem erstklassigen Team könne zu diesem Versuch gratuliert werden: „Warum nicht mal diese sehr deutsche Geschichte aus deutscher Sicht erzählen? Es ist überraschend, dass dies noch nie zuvor gemacht wurde, aber es wurde jetzt mit einem Film gemacht, der dank der feinen Kinematografie von James Friend, dem Produktionsdesign von Christian M. Goldbeck und einer großartigen Filmmusik von Volker Bertelmann sehr ausgefeilt aussieht.“ Auch der Filmschnitt von Sven Budelmann sei hervorragend. Ebenso spiele Felix Kammerer in der Hauptrolle Paul Bäumer sehr gut. Auch Albrecht Schuch habe seine Momente, und Daniel Brühl, Thibault de Montalembert und Devid Striesow seien ebenfalls stark.[4]
Thomas Schultze von Blickpunkt:Film schreibt, Im Westen nichts Neues sei ein besonders intensives Seherlebnis, besser Seh- und Hörerlebnis oder gleich „ein besonders immersives Filmerlebnis“ geworden, weil man diesen Kriegsfilm sieht, aber genauso hört und spürt, im Bauch und im ganzen Körper. Es sei unmöglich, nicht von diesen gewaltigen und doch so nüchternen Bildern mitten ins Zentrum getroffen zu werden, mit denen Krieg im Allgemeinen in all seiner Grausamkeit und Erbärmlichkeit zeigen und den Ersten Weltkrieg im Besonderen als einzige Knochenmühle, die nur verbrannte Erde hinter sich lässt. Felix Kammerer sei eine Entdeckung. Mit ihm gehe man durch den Film, genieße die kurzen Momente der Ruhe und Kameradschaft und erlebt den nackten Horror mit, die brutale Entmenschlichung, bis das ganze Gesicht mit Dreck verklumpt ist und nur noch die durchdringenden Augen als identifizierbares Merkmal übrig bleiben. An einer Stelle weiche der Film, als etwa zur Hälfte die Panzer auftauchen und Flammenwerfer die Welt in einem flammenden Inferno versinken lassen, deutlich von der Vorlage ab, was jedoch die Gesamtsituation noch verzweifelter und aussichtsloser mache. Im Westen nichts Neues verlange dem Zuschauer Einiges ab, und doch könne man die Augen nicht wenden von der Leinwand, weil man auch immer wisse, dass hier Film auf höchstem Niveau gemacht wurde und deutsches Kino, wie man es sich heute ersehnt, aber viel zu selten bekommt.[31]
Andreas Kilb von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung meint, der zweieinhalbstündige visuelle Dauerbeschuss wirke wie eine aufgepumpte Miniserie. Bergers Remarque-Adaption sei im Vergleich mit Kriegsfilmen großer Regisseure der Kinogeschichte, von John Ford über Stanley Kubrick bis Steven Spielberg und Terrence Malick nicht mehr als eine Fußnote. In Deutschland, scheine es, erkenne man auch nach hundert Jahren noch nicht den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Kriegsfilm oder wolle ihn nicht sehen.[32]
Von der Deutschen Film- und Medienbewertung wurde Im Westen nichts Neues mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet. Dort wird das eindrucksvoll von Edward Berger und seinem Kameramann James Friend etablierte Setting des Schützengrabens hervorgehoben. Die Aufnahmen von Friend seien so präzise und exakt komponiert, dass sie fast schön wirkten inmitten all dieser Grausamkeit, und auf der Soundebene erzeuge eine wiederkehrende basslastige Melodie eine gruselige vorahnende Angststimmung. Bei den Schauspielern seien es vor allem die Nachwuchsdarsteller, die als junge Soldaten überzeugten, wobei Felix Kammerer in der Rolle von Paul Bäumer heraussteche.[33]
Das Onlineportal kinofenster.de empfiehlt den Film ab der 11. Klasse für die Unterrichtsfächer Deutsch, Ethik, Geschichte, Politik und Kunst und bietet Materialien zum Film für den Unterricht. Dort schreibt Philipp Bühler, der Film wirke geradezu bereinigt von jeglichen Zeitumständen, mit denen sich ein jugendliches Publikum heute nicht mehr identifizieren kann. Zudem thematisiere er die traumatische, für Remarque zentrale Wirkung der Fronterfahrung auf die Psyche der Weimarer Republik, und auch die zum Verständnis einer elementaren Szene, in der Paul in einem von ihm getöteten Franzosen sein eigenes Schicksal erkennt, fehle nicht. So sei Im Westen nichts Neues ein entschiedener Antikriegsfilm, der Remarques zeitlos aktuelle Anklage von Nationalismus, Militarismus und Krieg letztlich beeindruckend umsetze.[34]
Im August 2022 wurde Im Westen nichts Neues von einer Jury von german films als deutscher Beitrag für die Kategorie Bester Internationaler Film der Oscarverleihung 2023 ausgewählt.[35] Es hatte sich gegen acht andere Filme aus Deutschland durchgesetzt.[36] Der Film befindet sich zudem in einer Vorauswahl für den Europäischen Filmpreis 2022.[37]
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