Lara ist ein Filmdrama von Jan-Ole Gerster, das am 7. November 2019 in die deutschen Kinos kam.
Am Abend ihres sechzigsten Geburtstags soll Laras Sohn das erste Klavierkonzert seiner Karriere uraufführen. Lara lebt einsam in einem Hochhaus, sie ist geschieden, wird von allen gemieden und ist nahe dran, sich an diesem Morgen das Leben zu nehmen. Sie wird durch die Hausdurchsuchung in der Wohnung eines Nachbarn gestört. Dessen Sohn steht im Verdacht, mit Rauschgift zu dealen, und die Polizisten bitten sie, sich als Zeugin zur Verfügung zu stellen. Lara geht zur Bank, hebt Geld ab und kauft die restlichen Karten für das Konzert ihres Sohnes auf. Sie besucht ihr ehemaliges Büro, wo sie als Chefin verhasst war. Sie sagt ihrer Nachfolgerin, sie habe sich einen solchen „Respekt“ verschafft, weil sie ihre Arbeit verachtet habe. An ihre ehemaligen Kolleginnen verteilt sie Konzertkarten. Auch ihren alten Professor an der Hochschule lädt sie mit einer Karte ins Konzert ein. Die restlichen Karten verschenkt sie. Versuche, zu ihrem Sohn telefonisch Kontakt aufzunehmen, schlagen fehl.
Lara selbst hatte als junge Frau eine Ausbildung am Konservatorium als Konzertpianistin begonnen. Diesen Plan verfolgte sie ehrgeizig und verbissen, doch durch die negativen Prognosen ihres Professors, der angeblich u. a. „Probleme mit ihrer linken Hand“ sah, hatten dazu geführt, dass sie ihr Studium abgebrochen hat. Sie ist verbittert, ihren Lebensunterhalt verdient sie als Büroleiterin in einer Behörde. Ihr Ehrgeiz richtet sich jetzt auf die musikalische Ausbildung ihres Sohnes Victor. Dieser Unterricht ist geprägt von Härte und der gleichen zynischen Demotivation, so wie es ihr Professor bei ihr praktiziert hatte. Immer wenn sie ihren Sohn für einen Wettbewerb vorbereitete, demotivierte sie ihn und säte bei ihm Selbstzweifel. Schließlich zog der Sohn zu seiner Großmutter und vermied jeden weiteren Kontakt.
Jetzt vor dem Konzert erreicht sie ihn dort und durchbricht die Abschirmungen, auch aufgerichtet von seinem Vater, ihrem Ex-Mann, der den ungünstigen Einfluss von Lara fürchtet. Und Lara macht genau das: Sie kritisiert, dass Viktor überhaupt komponiert, und kritisiert seine Komposition als zu harmonisch, geradezu „musikantisch“ mit sichtbarem Einfluss auf dessen Selbstbewusstsein – und das kurz vor dem Konzert. Viktor verschiebt so die Vorstellung seiner Komposition am Konzertabend, brilliert zunächst mit Etüden von Chopin, was das tatsächliche Lob Reinhoffers auslöst. Auch aufgebaut durch seinen Vater in der Garderobe, spielt er dann doch noch seine Komposition. Lara hält das nicht aus und verlässt den Konzertsaal – von einem prominenten Platz aus vor aller Augen. Trotz seiner schweren psychischen Belastung spielt sich Viktor frei und erntet frenetischen Beifall. Nachdem der Beifall verklungen ist, bedankt er sich öffentlich bei seiner Mutter anlässlich ihres 60. Geburtstages für seine Ausbildung bei ihr, ohne die er hier jetzt nicht stehen würde. Als Geburtstagsgeschenk überreicht er ihr einen Geschenkkorb mit Delikatessen, lässt sie dann stehen und bricht mit seinen Freunden zu einer Feier auf.
Lara erfährt nach dem Konzert von Reinhoffer, dass sie doch talentiert gewesen sei. Seine demotivierenden Äußerungen gehörten eben zu seiner Methode. Es seien viele talentiert, was gehe das ihn an. In ihrer Wohnung steht Lara wieder vor dem offenen Fenster, schaut in die Tiefe, dann auf die leere Wand, wo einmal das Klavier stand. Sie geht mit einer Sektflasche unter dem Arm zu ihrem Nachbarn, setzt sich ans Klavier und beginnt virtuos und enthemmt zu spielen, aber eben ohne die Harmonie und das Gefühl, zu denen ihr Sohn Viktor in seiner Komposition den Mut hatte.
Es handelt sich bei Lara um Jan-Ole Gersters erste Regiearbeit nach seinem erfolgreichen Debüt Oh Boy, der mit sechs Lolas ausgezeichnet wurde. Das Drehbuch schrieb der slowenische Autor, Fotokünstler und Filmemacher Blaž Kutin, der die Geschichte bereits einige Jahre zuvor geschrieben hatte. Nachdem Gerster diese gelesen hatte, verliebte er sich nach eigenen Aussagen sofort: „Es fühlte sich wie etwas Vertrautes an, das ich gerne selbst geschrieben hätte.“[2] Wie Oh Boy spielt auch Lara an einem Tag in Berlin.[3][4] Zu den Veränderungen gegenüber Kutins ursprünglichem Drehbuch bemerkte Gerster, die Geschichte habe ursprünglich in Ljubljana gespielt, weil Blaz Slowenier ist und dort noch lebte, als er anfing es zu schreiben. Mit der Übersetzung in eine andere Stadt habe es noch ein paar kleinerer Änderungen bedurft.[5] Produziert wurde Lara abermals von Marcos Kantis für Schiwago Film, in Ko-Produktion mit Studiocanal.[6][7]
Der Film erhielt Produktionsförderungen vom Medienboard Berlin-Brandenburg in Höhe von 600.000 Euro und von der Filmförderungsanstalt in Höhe von 350.000 Euro, zudem eine Projektfilmförderung vom Deutschen Filmförderfonds von 478.000 Euro und eine Nachwuchsförderung der Mitteldeutschen Medienförderung in Höhe von 250.000 Euro.
Corinna Harfouch ist in der Titelrolle von Lara Jenkins zu sehen, Tom Schilling spielt ihren Sohn Victor. Rainer Bock spielt Laras Ex-Ehemann, Gudrun Ritter ihre Mutter, Volkmar Kleinert ihren alten Klavierlehrer.[8] Weitere Rollen wurden mit Hildegard Schroedter, Susanne Bredehöft, André Jung und Mala Emde besetzt.
Die Dreharbeiten fanden von Mitte Oktober 2017 bis 24. Februar 2018 in Berlin[9], Leipzig[10] und Weimar statt. Als Kameramann fungierte Frank Griebe.
Die Filmmusik sowie das Klavierkonzert komponierte Arash Safaian. Der Regisseur erklärt im Gespräch mit epd Film, er habe die Idee gehabt, das von Tom Schilling beim Konzert vorgestellte Stück so zu komponieren, dass es der Schauspieler den Anfang selbst spielen könnte: „Wir fanden es auch passend, dass es gar nicht so virtuos beginnt, dass es etwas anderes ist als die Perfektion, die seine Mutter ihm jahrelang eingehämmert hat. Es sollte durchaus etwas kindlich Naives haben, was mit der Idee korrespondiert, dass das Stück im weitesten Sinne auch von der Beziehung zu seiner Mutter handelt.“ Für Gerster habe das auch etwas mit dem Akt der Abnabelung von seiner Mutter zu tun.[5] Der Soundtrack wurde von der deutsch-japanischen Pianistin Alice Sara Ott und dem Deutschen Kammerorchester Berlin eingespielt.[6] Die Toccata in C-Dur, Op. 7 von Robert Schumann spielt Sviatoslav Richter. Der Soundtrack, der insgesamt 14 Musikstücke umfasst, wurde Ende Oktober 2019 von der Deutschen Grammophon als Download veröffentlicht.[11]
Das Lied Il jouait du piano debout (stehend spielte er Klavier) der französischen Sängerin France Gall ist ein wiederkehrendes Motiv im Film, welches einen Kontrast zur klassischen Musik des Films setzt. Dazu erklärte Jan-Ole Gerster: "France Galls Song Il jouait du piano debout" handelt passenderweise auch von einem Pianisten, der rebelliert. Das Sehnsuchtsvolle des Songs ist für mich auch eine Art Metakommentar zu Lara, die sich insgeheim nach einem Neuanfang sehnt."[12]
Ende Juni und Anfang Juli 2019 wurde der Film beim Karlovy Vary International Film Festival im offiziellen Wettbewerb gezeigt und feierte hier seine Weltpremiere.[13] Anfang der ersten Juliwoche 2019 feierte Lara beim Filmfest München seine Deutschlandpremiere, wo der Film in der Sektion Neues Deutsches Kino gezeigt wird.[6][14] Ende August 2019 wird er beim Festival des deutschen Films vorgestellt.[15] Anfang Oktober 2019 soll er beim London Film Festival vorgestellt werden.[16] Den Weltvertrieb hat Beta Cinema übernommen.[6] Am 7. November 2019 kam er in die deutschen Kinos[17], nachdem er im September 2019 im Rahmen der Filmkunstmesse Leipzig vorgestellt wurde.[18] Ende August 2020 wurde der Film beim Molodist International Film Festival, das in einer Hybridversion stattfand, vorgestellt.[19]
Peter Debruge von Variety schreibt, Regisseur Jan-Ole Gerster zeige, obwohl er seine Titelfigur in der Eröffnungssequenz ein Fenster ihrer Wohnung öffnen und sich sprungbereit auf einen Stuhl stellen lässt, im weiteren Verlauf des Films, dass er nicht schockieren, sondern sich mit dieser konfliktreichen Figur identifizieren wollte, um ein Porträt von bemerkenswerter Tiefe zu schaffen über die Zeitspanne eines Tages. Lara sei der sadomasochistischen Figur, die in Michael Hanekes Die Klavierspielerin einer Schülerin scharfkantige Glassplitter in die Manteltasche steckt und von Isabelle Huppert gespielt wird, nicht unähnlich. Doch sei der Schaden, den Lara hier zufügt, rein psychologischer Natur, und Gersters Herangehensweise sei bei weitem nicht so verbittert; daher wirke Corinna Harfouch in dieser Rolle weniger als Huppert wie eine deutsche Version von Mary Kay Place.[8]
Auch Marta Balaga vom Online-Kinomagazin Cineuropa beschreibt Lara nicht als ein Monster. Lara sei mehr als nur ein Film über die Ambitionen von Müttern, sondern auch ein Kommentar darüber, wie Frauen dazu erzogen werden, immer zu anderen aufzublicken, sich nach Akzeptanz zu sehnen und zu bestätigen, dass sie diesen Spitzenplatz oder all diese Aufmerksamkeit wirklich verdienen.[7]
Rüdiger Suchsland schreibt in seiner Kritik für den Filmdienst, Lara sei ein ganz außergewöhnliches Werk über Kunst, über die Familie und über Einsamkeit und ein Film über den Versuch, ein verlorenes Leben zurückzuerobern. Der Schnitt von Isabel Meier ordne diese facettenreichen Eindrücke sensibel zu prägnanten Empfindungsmomenten, und die Kamera von Frank Griebe lasse ein vergessenes, neben den Postkarteneindrücken dahinsimmerndes altes West-Berlin zwischen Kantstraße und Stuttgarter Platz, Hansaviertel und Ku’damm sichtbar werden, das vor allem dem Erfahrungshorizont der Hauptfigur entspricht, also einem beschränkten, so Suchsland weiter.[20]
Martin Schwickert bewertet in der Rheinischen Post den Film mit „sehr gut“ und meint: „Lara ist einer der besten deutschen Filme dieses Kinojahres, gerade auch weil Gerster die Angelegenheit trotz machtvoller Hauptdarstellerin nie zur One-Woman-Show verkommen lässt. Jede noch so kleine Nebenfigur wird mit großer Sorgfalt besetzt und zum stimmigen Charakter ausgebaut.“[21]
Von der Deutschen Film- und Medienbewertung wurde Lara mit dem Prädikat Besonders wertvoll versehen. In der Begründung heißt es, Corinna Harfouch spiele hier eine ihrer wichtigsten, wenn nicht die bisher größte Rolle ihres Lebens: „Sie ist in jeder Einstellung des Films zu sehen und spielt sämtliche Sequenzen mit einer grandiosen Energie und Intensität. Man glaubt ihr, dass Lara, so wie sie sie verkörpert, mit einem einzigen Wort das Selbstbewusstsein ihres Sohnes so erschüttern kann, dass dieser sich kaum traut, die Chance seines Lebens, nämlich die Uraufführung einer seiner Kompositionen, wahrzunehmen. Diese Frau scheint alles durchschauen zu können, während ihr eigenes Leben sich für sie als ein riesiger blinder Fleck erweist, und genau dieses Dilemma bildet den tragischen Kern des Films.“ Obwohl seine Protagonistin nie um die Sympathie des Publikums buhle, komme man ihr im Laufe des Films sehr nah und verstehe, wie groß ihr Schmerz sein müsse, wenn man mit ihr erkenne, warum sie solch ein falsches Leben gelebt habe, so weiter in der Begründung.[22]
In Deutschland startete Lara mit 33.242 Zuschauern nach dem ersten Wochenende und erreichte damit Platz 2 der Arthouse-Kinocharts.[23] In den folgenden beiden Wochen belegte der Film den ersten Platz der Arthouse-Kinocharts.[24] Insgesamt verzeichnet der Film in Deutschland 194.652 Besucher.[25]
Bayerischer Filmpreis 2020
Chicago International Film Festival 2019
Deutscher Filmpreis 2020
Filmfest München 2019
Gilde-Filmpreis 2019
Haifa International Film Festival 2019
Hamptons International Film Festival 2019
Karlovy Vary International Film Festival 2019
Miami Film Festival 2020
Palm Springs International Film Festival 2020
Preis der deutschen Filmkritik 2019
Zurich Film Festival 2019
Lara wurde zudem von den Produzenten für die Auswahl des deutschen Beitrags für die Oscarverleihung 2020 eingereicht,[37] von der Jury jedoch nicht berücksichtigt.