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Gisela Emmy Marianne Lindemann, geborene Möller (* 22. April 1938 in Oranienburg; † 24. Juli 1989) war eine deutsche Literaturkritikerin, Literaturwissenschaftlerin und Rundfunkredakteurin, die unter anderem für die Zeit und den NDR tätig war. Sie kam 1989 bei einem Bergunfall in der Schweiz ums Leben.


Leben und Werk


Gisela Möller[1] wurde in Oranienburg bei Berlin[2][3] geboren und wuchs im sächsischen Dölitzsch (Geithaim) auf. Nach dem Besuch der Oberschule studierte sie Germanistik, Geschichte, Philosophie und Pädagogik[3] in Göttingen und Tübingen, wo sie mit einer Arbeit über den Dichter Jean Paul 1968 promoviert wurde.[1]

Ab 1966 arbeitete sie als Redakteurin beim Norddeutschen Rundfunk im Funkhaus Hannover[2] in der Abteilung „Kulturelles Wort“.[1] Lindemann betreute unter anderem die Sendereihen „Journal 3 – Für Kultur und Kritik“, „Autoren lesen im Funkhaus Hannover“,[4] und „Neue Texte“. In den zwei Jahrzehnten ihrer Redaktionszugehörigkeit machte sie mit ihrem Engagement und ihrer Kompetenz das Funkhaus zu einem Bezugs- und Anziehungspunkt für Autoren aus allen deutschsprachigen Ländern.[5][6] Zu den wichtigsten Autoren, die Gisela Lindemann als Rundfunkredakteurin und Literaturwissenschaftlerin betreute, gehörte Jean Améry.[7]

Anfang 1976 gab sie bei Améry ein Radio-Essay für den Norddeutschen Rundfunk in Auftrag mit dem vorläufigen Titel Der ehrbare Antisemitismus. Lindemann konfrontierte Amérys Arbeit mit Erich Frieds israelkritischem Widerruf Ist Antizionismus Antisemitismus?, indem beide Texte trotz redaktioneller Einwände in einer Gegenüberstellung gesendet wurden. Die Kontroverse wiederholte sich 1982, als Lindemann nach Amérys Tod aus dessen Nachlass den Aufsatzband Weiterleben – aber wie? herausgab und darin erneut sowohl Amérys Text Der ehrbare Antisemitismus als auch Frieds Widerruf abdruckte, was später als fragwürdige Editionspraxis gerügt wurde.[8] Zahlreichen Autoren aus der DDR bot Lindemann mit Lesungen, teils aus bisher ungedruckten Werken, ein breites Forum im westlichen Rundfunk. So auch Franz Fühmann, der ihr seine Erzählung Der Traum von Sigmund Freud widmete.[9]

Die bis dahin unbekannte DDR-Schriftstellerin Brigitte Burmeister wurde von Lindemann „entdeckt“.[10] Zur Jurorin für den „Kunstpreis Berlin“, den die Akademie der Künste vergibt, wurde Lindemann zweimal berufen. Den Förderpreis Literatur für das Jahr 1981 vergab sie in Absprache mit ihren Mitjuroren Günter Kunert und Gabriele Wohmann an den Schriftsteller Kurt Bartsch.[11] 1988 erwählte sie zusammen mit Eugen Gomringer und Heiner Müller den österreichischen Schriftsteller Christoph Ransmayr als Preisträger.[12]

Gisela Lindemann kam bei einer Bergwanderung[13] in der Schweiz am 24. Juli 1989 tragisch ums Leben.[10]


Werke


Eigene Werke

Herausgeberschaft (Auswahl)

Artikel (Auswahl)


Literatur





Einzelnachweise


  1. Notizen. In: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Jean Paul (= Edition Text + Kritik. Sonderband). 2. Auflage. Edition Text + Kritik, Richard Boorberg Verlag, München 1974, ISBN 3-415-00349-3, Gisela Lindemann, S. 145.
  2. Zu den Autoren. In: Klaus Wagenbach, Barbara Herzbruch (Hrsg.): Freibeuter. Vierteljahreszeitschrift für Kultur und Politik. Heft 7. Freibeuter Verlag/Verlag Klaus Wagenbach, 1981, ISSN 0171-9289, Gisela Lindemann, S. 173.
  3. Die Verfasser. In: Gisela Lindemann (Hrsg.): Sowjetliteratur heute (= Beck’sche Schwarze Reihe). Band 188. Verlag C. H. Beck, München 1979, ISBN 3-406-06788-3, Gisela Lindemann, S. 272.
  4. Marlis Drevermann (Hrsg.): Literatur in Hannover. Werkstattbericht Literatur. Landeshauptstadt Hannover, Kultur- und Schuldezernat, Hannover 2015, Podien und Lesebühnen, S. 18–39, hier S. 23.
  5. Marja-Leena Piitulainen: Die Textstruktur der finnischen und deutschsprachigen Todesanzeigen. In: Hartmut Schröder (Hrsg.): Fachtextpragmatik (= Forum für Fachsprachen-Forschung. Band 19). Gunter Narr Verlag, Tübingen 1993, ISBN 3-8233-4528-1, Anhang, S. 182 (übernommen aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 1. August 1989).
  6. Marlis Drevermann (Hrsg.): Literatur in Hannover. Werkstattbericht Literatur. Landeshauptstadt Hannover, Kultur- und Schuldezernat, Hannover 2015, Hannover literarisch:Historisch, S. 40–60, hier S. 59.
  7. Hanjo Kesting: Und was heißt schon New York? Begegnungen und Erinnerungen. In: Mathias Mertens (Hrsg.): Peine, Paris, Pattensen. Literarische Erhebungen im flachen Land. Wallstein-Verlag, Göttingen 2006, ISBN 3-8353-0085-7, S. 158–202, hier S. 171–179.
  8. Hanjo Kesting: Augenblicke mit Jean Améry.Essays und Erinnerungen. Wallstein Verlag, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-1555-6, Augenblicke mit Jean Améry. Versuch einer Erinnerung, S. 139–184, hier S. 143.
  9. Franz Fühmann: Der Traum von Sigmund Freud. Für Gisela Lindemann. In: Ingrid Prignitz (Hrsg.): Unter den Paranyas. Traum-Erzählungen und-Notate. 1. Auflage. Hinstorff Verlag, Rostock 1988, ISBN 3-356-00055-1, S. 72–74 (nicht angegeben: Band 9 der Werkausgabe in Einzelbänden).
  10. Fritz J. Raddatz: Spielerisch besessen. Zum Tod von Gisela Lindemann. In: Die Zeit. Nr. 32/1989, 4. August 1989, Feuilleton (zeit.de [abgerufen am 6. März 2020]).
  11. Manfred Schlösser (Hrsg.): „Kunstpreis Berlin [1981]“. Akademie der Künste, Berlin 1981, Förderungspreis Literatur, S. 18.
  12. Karin Kiwus, Franziska Meyer (Hrsg.): Kunstpreis Berlin 1988. Jubiläumsstiftung 1848/1948. Akademie der Künste, Berlin 1988, Förderungspreis Literatur, S. 16.
  13. Sylvia Brandis: Windsbraut. Wie ich lernte, die Sprache der Pferde zu verstehen. Rütten & Loening/Aufbau-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-352-00878-8, Landunter, S. 249.
Personendaten
NAME Lindemann, Gisela
ALTERNATIVNAMEN Möller, Gisela (Geburtsname)
KURZBESCHREIBUNG deutsche Literaturkritikerin, Literaturwissenschaftlerin, Rundfunkredakteurin
GEBURTSDATUM 22. April 1938
GEBURTSORT Oranienburg
STERBEDATUM 24. Juli 1989
STERBEORT Schweiz



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