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Mädchen in Uniform ist ein deutscher Spielfilm aus dem Jahre 1931 nach dem Schauspiel Ritter Nérestan (1930, Alternativtitel Gestern und heute, 1931[2]) von Christa Winsloe. Er gilt als der erste Film der Geschichte, der lesbische Liebe thematisiert.


Handlung


Die vierzehnjährige Manuela von Meinhardis, Tochter eines Offiziers, deren Mutter bereits verstorben ist, wird von ihrer Tante in ein Stift für höhere Töchter nach Potsdam geschickt. Obwohl der Film zu Beginn der 1930er Jahre spielt[3], ist der Erziehungsstil in diesem Internat nach wie vor von preußischem Drill und dem Fehlen menschlicher Nähe geprägt. Nach Meinung der Oberin sollen die Soldatentöchter aus guten Familien dort zu Soldatenmüttern erzogen werden. Wenn Schülerinnen sich bei ihren Eltern in Briefen über die schmalen Essensportionen beschweren, werden sie bestraft.

Die Auswirkungen der strengen Erziehung auf die sensible Manuela und auch die anderen Schülerinnen sind verheerend. Manuela hat Schwierigkeiten, sich den Verhältnissen anzupassen, obwohl sie schnell Freundinnen findet. Wärme und Verständnis geht im Lehrpersonal nur von der jungen Lehrerin Fräulein von Bernburg aus, in die Manuela sich glühend verliebt. Als Fräulein von Bernburg ihr als Ersatz für ihre zerschlissenen Sachen eines ihrer eigenen Unterhemden schenkt, ist Manuela berauscht. Die Katastrophe bahnt sich an, als Manuela nach einer erfolgreichen Schultheateraufführung von Don Karlos glücklich über ihren Bühnenerfolg und von heimlich gepanschter Bowle betrunken – öffentlich erklärt, wie lieb sie die Lehrerin hat. Die Folgen sind schrecklich, die Oberin sieht Manuela als moralische Gefahr für ihre Schülerinnen und lässt sie in ein Isolierzimmer sperren. Auch will die Oberin Manuela aus dem Stift schmeißen, lässt aber davon ab, als sie herausfindet, dass die einflussreiche Protektorin der Schule, eine Prinzessin, einst mit Manuelas Mutter befreundet war.

Die Oberin untersagt Fräulein von Bernburg, deren im Umgang mit den Schülern freundlicherem Erziehungsstil sie alle Schuld zuschreibt, jeden Kontakt mit Manuela. Trotz des Verbotes holt Fräulein von Bernberg Manuela auf ihr Zimmer und erklärt ihr, dass sie nicht mehr mit ihr Kontakt haben dürfe. Als die Oberin herausfindet, dass Fräulein von Bernberg sich über ihr Verbot hinweggesetzt hat, entlässt sie die Lehrerin. Fräulein von Bernberg erklärt, dass sie in einem solchen Internat sowieso nicht weiter bleiben könne. Unterdessen versucht sich Manuela in ihrer Verzweiflung darüber, dass sie nun offenbar auch von der geliebten Lehrerin im Stich gelassen wird, vom obersten Absatz des Treppenhauses in den Tod zu stürzen. Durch das beherzte Einschreiten aller Mitschülerinnen kann das Unglück im letzten Augenblick verhindert werden. Die Oberin, die nun offen ins Unrecht gesetzt ist, geht durch ihre Schülerschar langsam und nachdenklich die Treppe hinunter.


Produktionsgeschichte


Die Berliner Firma Deutsche Film-Gemeinschaft wurde eigens für diesen Film gegründet und danach wieder aufgelöst. Ungewöhnlich ist die ausschließlich weibliche Besetzung des Films, und für die Zeit ebenso ungewöhnlich auch die Zusammenarbeit von zwei Frauen in den Schlüsselfunktionen Regie und Drehbuch.

Die Hauptdarstellerinnen Hertha Thiele und Dorothea Wieck standen 1933 für Frank Wysbars Film Anna und Elisabeth noch einmal gemeinsam vor der Kamera. Obwohl sie im selben Jahr (1908) geboren wurden, spielen sie im Film Frauen unterschiedlichen Alters. Auch Erika Mann ist in Mädchen in Uniform in einer Nebenrolle als die für das Theaterstück Don Karlos verantwortliche Lehrerin zu sehen und zu hören.

Ein Teil des Films wurde im Großen Militärwaisenhaus in Potsdam gedreht, darunter im Treppenhaus die Szene des Selbstmordversuchs der Manuela.


Rezeption



Zeitgenössische Rezeption


Bei der erstmaligen Zensurvorlage bei der Filmprüfstelle am 1. Oktober 1931 erhielt der Film (2682-m-Version) Jugendverbot. Diese Entscheidung wurde am 8. April 1932 auch für eine auf 2480 m gekürzte Fassung bestätigt.

Der Film wurde international herausgebracht und war sehr erfolgreich, vor allem in Japan und den USA, aber auch in Frankreich, Großbritannien und Mexiko. Bis Anfang 1934 spielte er 6 Millionen Reichsmark ein. Die Produktionskosten hatten nur 55.000 RM betragen. Die 23-jährige Hertha Thiele wurde durch diesen Filmauftritt kurzzeitig zum Star. Dorothea Wieck bekam aufgrund ihrer intensiven Darstellung einen Vertrag mit der US-Produktionsfirma Paramount und drehte zwei Filme, die allerdings wenig erfolgreich waren.

Irving Thalberg, Produktionschef von MGM, war 1933 von der sensiblen Darstellung des Themas so angetan, dass er einer entsprechend subtilen Darstellung weiblicher Zuneigung in der prestigeträchtigen Produktion von Königin Christine, Greta Garbos erstem Streifen nach über anderthalb Jahren, zustimmte. Garbo küsst in dem Film ihre Kammerzofe direkt auf den Mund und macht aus der Art ihrer Beziehung keinerlei Hehl.

Während Mädchen in Uniform wegen seiner künstlerischen Qualität und als Plädoyer der Menschlichkeit in vielen Ländern überschwänglich gefeiert wurde, beanstandete der Filmkritiker Harry Alan Potamkin, dass es im ganzen Film kein Anzeichen dafür gebe, dass autoritäres Verhalten durch demokratisches zu überwinden wäre. Die einzige Hoffnung auf eine Unterbindung der von der Anstaltsoberin ausgehenden willkürlichen Disziplin richte sich auf die Prinzessin und Wohltäterin der Anstalt, die am Ende des Films erscheint (um die Schultheateraufführung zu besuchen), von den Missständen jedoch nichts bemerkt. Das Autoritätsprinzip bleibe unerschüttert.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Mädchen in Uniform verboten und nur zur Vorführung im Ausland zugelassen. Das lesbische Thema wog bei diesem Verbot vermutlich weniger schwer als die Darstellung preußischer Unbarmherzigkeit und die Kritik an Autorität und Disziplin.


Wiederentdeckung und heutige Rezeption


Bei der FSK-Prüfung am 8. Dezember 1949 wurde der Film (2417-m-Version) uneingeschränkt freigegeben. Nachdem er in der BRD nur inoffiziell beispielsweise als Video verbreitet und in Frauenzentren gezeigt wurde, folgte die öffentliche Wiederaufführung erst 1977, als einige westdeutsche Sendeanstalten sich entschlossen, den Film in ihren Dritten Programmen zu senden.

Die Wiederentdeckung des Filmes geschah auch international beispielsweise bei Filmfestivals, das lesbische Magazin Dyke nannte Mädchen in Uniform beispielsweise die erste lesbische Filmproduktion überhaupt.[4] In der lesbischen Szene besitzt Mädchen in Uniform bis heute den Rang eines Kultfilms.


Spätere Verfilmungen und Vergleich


Im gleichnamigen Remake aus dem Jahr 1958 (Regie: Géza von Radványi; mit Romy Schneider, Lilli Palmer und Therese Giehse), wurde, im Gegensatz zur Erstverfilmung, sowohl die politische Kritik am Preußentum als auch die Liebesgeschichte zwischen den beiden Hauptfiguren abgeschwächt. Auch in diesem Film sieht Manuela (Schneider) in Fräulein von Bernburg (Palmer) einen tröstenden Lichtblick inmitten harscher Internatsregeln, und schwärmt für die freundliche Lehrerin, die ihr jedoch im Vergleich zur Erstverfilmung eher mütterliche Gefühle entgegenzubringen scheint und sich passiver verhält.

In der Verfilmung von 1931 küsst Fräulein von Bernburg Manuela auf den Mund. Nachdem Manuela ihre Arme um Fräulein von Bernburg geschlungen hat, kommt es zu einem längeren Blickkontakt, woraufhin sie Manuela auf den Mund küsst. Das Mädchen sinkt glücklich in ihr Bett zurück, während die Lehrerin wieder Haltung annimmt und weitergeht. Der Film von 1958 belässt es in dieser Szene bei einem Kuss auf die Stirn und fügt stattdessen an anderer Stelle eine (in der Erstverfilmung nicht vorhandene) Szene ein, in der Manuela und Frl. v. Bernburg alleine in einem Klassenzimmer stehen und das Mädchen der Lehrerin ihren Text als Romeo aufsagt, den sie für eine Schulaufführung von Romeo und Julia gelernt hat. In der Inszenierung ist in dieser Szene ein Kuss vorgesehen, und Manuela küsst ihre zurückhaltende und offensichtlich überraschte Lehrerin auf den Mund.

Wie auch in der Version von 1931 gibt es gegen Ende des Films eine Unterredung zwischen der Oberin und Frl. v. Bernburg, in der die Lehrerin ihre Kündigung einreicht. Jedoch zeigt sich die Oberin des Remakes nach diesem Gespräch einsichtig, hält die Hand des kranken, schlafenden Mädchens und bittet die Lehrerin zu bleiben, was diese jedoch ablehnt mit der Begründung, dass es so besser für Manuela sei.

Eine andere Neuverfilmung entstand bereits einige Jahre zuvor in Mexiko als Muchachas de uniforme (1951) unter Regie von Alfredo B. Crevenna. Der Film Lost and Delirious (Léa Pool, Kanada 2001) greift eine Reihe von Motiven des Films Mädchen in Uniform auf, basiert jedoch auf einer eigenen Textvorlage. Die Handlung findet ebenso in einem Mädcheninternat statt, jedoch verlieben sich in Lost and Delirious zwei Schülerinnen ineinander. Auch der Film Loving Annabelle (Katherine Brooks, 2006) bedient sich des Motivs einer Schülerin, die sich in ihre Lehrerin verliebt. Nach Angaben von Brooks inspirierte sie Mädchen in Uniform zu diesem Film.[5] Der Film war außerdem Grundlage und Inspiration für René Polleschs Theaterstück Mädchen in Uniform – Wege aus der Selbstverwirklichung am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg (2010).[6]


Auszeichnungen



Einzelnachweise und Anmerkungen


  1. Freigabebescheinigung für Mädchen in Uniform. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, März 2008 (PDF; Prüf­nummer: 60 0VD V/DVD/UMD).
  2. So die Datierungen in: Klaus Johann: Grenze und Halt: Der Einzelne im „Haus der Regeln“. Zur deutschsprachigen Internatsliteratur. Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2003. (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte. 201.) S. 492.
  3. Vgl. hierzu Bandmann und Hembus: Klassiker des deutschen Tonfilms, Seite 46/47. Dort heißt es: "…der Film der Leontine Sagan ist als engagiertes Zeitstück ("Zeit: Heute" sagt das Programmheft von 1931) eine Auseinandersetzung mit Disziplin, Unterwerfung, Patriotismus und den aus ihnen wachsenden Frustrationen und zerstörerischen Kräften, produziert und ins Kino gebracht in der Zeit der neuen, unheiligen Allianz aristokratisch-konservativen Preußentums mit dem an die Macht strebenden Nationalsozialismus, einer Allianz, deren Galionsfigur Franz von Papen ist."
  4. Stefan Volk: Lesbischer Kultfilm "Mädchen in Uniform": Als die Schülerin ihre Lehrerin küsste. In: Spiegel Online. 28. August 2018 (spiegel.de [abgerufen am 16. Januar 2019]).
  5. Lydia Marcus: Katherine Brooks on MAEDCHEN & ANNABELLE. In: YouTube. 24. Januar 2012, abgerufen am 29. Oktober 2020 (englisch).
  6. Stefan Grund: Hamburg: Sophie Rois als spätes "Mädchen in Uniform". In: DIE WELT. 28. Februar 2010 (welt.de [abgerufen am 29. Oktober 2020]).

Literatur





На других языках


- [de] Mädchen in Uniform (1931)

[en] Mädchen in Uniform

Mädchen in Uniform ("Girls in Uniform") is a 1931 German romantic drama film based on the play Gestern und heute (Yesterday and Today) by Christa Winsloe and directed by Leontine Sagan with artistic direction from Carl Froelich, who also funded the film. Winsloe also wrote the screenplay and was on the set during filming. The film remains an international cult classic.[1]

[es] Muchachas de uniforme

Muchachas de uniforme (Mädchen in Uniform) es una película alemana de 1931 dirigida por Leontine Sagan y basada en la obra de teatro Gestern und heute (Ayer y Hoy) de Christa Winsloe. Con un reparto totalmente femenino, fue estrenada en diversos países y obtuvo un gran éxito de crítica y público. En 1958 se hizo un remake, con la participación de Romy Schneider.[1][2]

[ru] Девушки в униформе (фильм, 1931)

«Девушки в униформе» (нем. Mädchen in Uniform) — германская психологическая драма 1931 года режиссёра Леонтины Заган, снятая по роману и пьесе Кристы Винслоэ «Вчера и сегодня» («Gestern Und Heute»). Рассматривается как первый фильм о лесбийской любви[1]. Является культовым фильмом среди лесбиянок[2].



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