Heino Ferch (* 18. August 1963 in Bremerhaven) ist ein deutscher Schauspieler. Neben zahlreichen Rollen im Theater und im Fernsehen wurde er auch durch Kinofilme wie Comedian Harmonists, Der Untergang und Der Baader Meinhof Komplex bekannt.
Leben
Ferch wurde als Sohn des Kapitäns Walter Joachim Ferch und dessen Frau Erika, geb. Morath geboren.[1] Er stand im Alter von fünfzehn Jahren noch während seiner Gymnasialzeit für das Musical Can Can unter der Regie des ehemaligen Solotänzers der Bayerischen Staatsoper Franz Baur-Pantouiler zum ersten Mal für tanzakrobatische Nummern auf der Bühne des Stadttheaters Bremerhaven. Bis 1984 reiste er zugleich im bundesdeutschen Kader im Gerätturnen (2. Bundesliga der Deutschen Turnliga) durch Europa. 1987 beendete er sein Studium am Mozarteum in Salzburg.[2] Neben dem Hauptfach Schauspiel belegte er auch Kurse in Stepptanz, Ballett und Gesang.[3]
Er war von 1990 bis 1999 mit der Schauspielerin Suzanne von Borsody liiert, mit der er in mehreren Filmprojekten gemeinsam auftrat. Aus der darauf folgenden Beziehung mit der Berliner Ärztin Julia von Pufendorf stammt eine Tochter.[4] 2002 lernte Ferch die Vielseitigkeitsreiterin Marie-Jeanette Steinle kennen, die er 2005 heiratete. Sie haben drei Kinder, eine Tochter und zwei Söhne. Die beiden älteren Kindern sind als Spieler und in der Nachwuchsförderung des Polosports aktiv.[5]
Karriere
Theater
Von 1987 bis 1990 hatte Ferch sein erstes Engagement an der Freien Volksbühne Berlin, wo er unter anderem unter Hans Neuenfels zum Ensemble gehörte. Er übernahm in einer Fernsehverfilmung von Der zerbrochne Krug die Rolle des Ruperts unter der Regie von Heinz Schirk. 1990 bis 1994 war er unter Alfred Kirchner und Alexander Lang Ensemblemitglied am Schillertheater (Die Räuber, Mockinpott, Kasimir und Karoline, Wie es Euch gefällt). Er gastierte an der Teatro alla Scala und am Burgtheater (Die Geisel). 1992 spielte er unter der Regie von Peter Zadek im Theater des Westens 120 Vorstellungen in Der blaue Engel. Ende der 1980er-Jahre wechselte Ferch vom Theater zu Film und Fernsehen.
Film und Fernsehen
Sein Spielfilmdebüt hatte Ferch 1988 mit einem Kurzauftritt in Schloß Königswald. 1989 spielte er seine erste Rolle als Klaus Asmus in Wedding. Es folgten 1994 der Polizeiruf 110: Samstags, wenn Krieg ist, 1995 der Mehrteiler Deutschlandlied unter der Regie von Tom Toelle und 1996 der Kinofilm Der Unhold von Volker Schlöndorff, in dem Ferch mit der Rolle des Napola-Kommandanten Raufeisen auf sich aufmerksam machte.
1997 gelang ihm der Durchbruch als Filmschauspieler in Joseph Vilsmaiers Kinofilm Comedian Harmonists mit der Rolle des A-cappella-Baritons Roman Cycowski und mit der Verkörperung des Skilehrers Marco in Tom TykwersWinterschläfer. 1997 sah man Ferch in neun unterschiedlichen Rollen, sieben davon Haupt- oder Co-Hauptrollen.
1998 verkörperte er in Tom Tykwers Lola rennt den Gangster Ronnie. Im Folgejahr übernahm er die Rolle des Johannes in Buddy Giovinazzos englischem Film-Noir-Thriller Jeder stirbt – The Unscarred. 1999 wiederholte er das Thema Amokläufer in der Rolle des Ex-Fremdenlegionärs Volker Bretz, Kampfname: Straight Shooter im gleichnamigen Film. Die damalige Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Schauspieler Bruce Willis zur Zeit des Films The Mercury Puzzle (1998) verschaffte ihm die bis heute von ihm selbst mit persönlicher Distanz wahrgenommene Etikettierung eines „deutschen Bruce Willis“. 2002 spielte er in der Thriller-Satire Nachts im Park.
2001 startete der Fernseh-Zweiteiler Der Tunnel. Ferch wurde für seine Darstellung des Fluchthelfers Harry Melchior mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Im Jahr 2004 kam der Film Der Untergang in die Kinos. Ferch verkörperte in diesem Film den NS-Rüstungsminister und Architekten Albert Speer. Im Jahr 2005 spielte Ferch in dem Fernseh-Zweiteiler Die Luftbrücke – Nur der Himmel war frei die Rolle des US-amerikanischen Generals Philipp Turner.
Positives Presseecho für Ferch bewirkte seine Rolleninterpretation des jüdischen Ghettoleiters Jacob Gens in der Kinoverfilmung des Theaterstückes Ghetto von Jehoschua Sobol. 2006 sah man ihn in der Rolle eines Ost-Berliner Bauarbeiters in Die Mauer – Berlin ’61. Er wurde für die Rolleninterpretation der Figur Hans Kuhlke 2008 mit dem Jupiter ausgezeichnet. Ende 2007 spielte er nach langer Abstinenz im komödiantischen Fach die Rolle des eifersüchtigen Ehemannes Jan in der Kinokomödie Meine schöne Bescherung.
Immer wieder übernimmt Ferch neben historischen Figuren auch Rollen in semidokumentarischen Spielfilmen, die aktuelle Themen erzählen, so zum Beispiel 1991 in Der Tod kam als Freund, 1993 in Gefährliche Verbindung, 2005 in Jagd nach Gerechtigkeit oder 2005 in Mord am Meer. In der kanadischen TV-Großproduktion The Trojan Horse (2008) spielte er Johann Kruse, Repräsentant des Bundesnachrichtendienstes in Kanada. 2008 stand er in der Produktion Der Baader Meinhof Komplex in der Rolle des Assistenten von Horst Herold Dietrich Koch auf der Seite der verfolgenden Justiz.
2008 spielte Ferch in dem Familien- und Kinderfilm Hanni & Nanni. 2009 sah man ihn in dem mehrfach preisgekrönten Roadmovie Vincent will Meer neben Florian David Fitz in der Rolle des entnervten Vaters des Protagonisten Robert Gellner; für diese Rolle erhielt Ferch eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis 2011. Parallel zu den Großproduktionen spielt er regelmäßig in kleineren Produktionen – häufig Thrillern –, von denen einige Filmpreisauszeichnungen erhielten (z.B. Der Anwalt und sein Gast, Das Konto, Hölle im Kopf, Mord am Meer, Jagd nach Gerechtigkeit). Rollen in internationalen Produktionen wie Lucie Aubrac, Julius Caesar, Napoleon, Mávahlátur, Hunt for Justice – The Louise Arbour Story, Die drei Musketiere und H2O Part II: The Trojan Horse förderten den Bekanntheitsgrad des deutschen Schauspielers im internationalen Umfeld.
Als Synchronsprecher lieh er David Morse in Prototype und Woody Harrelson in Palmetto – Dumme sterben nicht aus seine Stimme. 2014 synchronisierte Ferch den Agenten Geheimsache (Benedict Cumberbatch) im Animationsfilm Die Pinguine aus Madagascar und im Jahre 2017 Ernesto de la Cruz (Benjamin Bratt), den Hauptantagonisten im Animationsfilm Coco – Lebendiger als das Leben!
Ferch arbeitete mit zahlreichen renommierten deutschsprachigen Regisseuren wie Volker Schlöndorff, Tom Toelle, Peter Schamoni, Nico Hofmann, Roland Suso Richter, Tom Tykwer, Joseph Vilsmaier, Vivian Naefe, Sherry Hormann, Hartmut Schoen, Uli Edel, Matti Geschonneck, Helmut Dietl, Markus Imboden, Carlo Rola, Margarethe von Trotta und Oliver Hirschbiegel zusammen. Nach frühen Projekten unter dem Autorenfilmregisseur Heiko Schier verband ihn in den 1990er-Jahren wiederholte Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Drehbuchautor Uwe Janson.
Rezeption
Charakteristisch für Ferch ist sein fast unveränderlicher Gesichtsausdruck. Er verzichtet dabei oft auf eine differenzierte Mimik. Dazu schrieb die FAZ: „Seine Kritiker mäkeln, er bestreite mit einem einzigen Gesichtsausdruck ganze Filme und spiele immer nur sich selbst.“[6] In der Tageszeitung Die Welt war zu seiner Rolle des Uli Martens in der Siegfried-Lenz-Verfilmung Der Verlust (2015) hingegen zu lesen: „... Und Uli schon gar nicht, mit dem Heino Ferch konsequent fortführt, was er als forensischer Psychologe Richard Brock in der Serie Spuren des Bösen begonnen hat – die komplette Reduktion des Textes, die Konzentration aufs Verwandeln kleinster mimischer Zeichen in große Geschichten.“[7]
Filmografie
Kino
1988: Schloß Königswald
1989: Wedding
1991: Wer hat Angst vor Rot, Gelb, Blau? (Regie: Heiko Schier)
Emilia Galotti: Rolle: Battista. Regie: Hans Neuenfels
Antonius und Cleopatra: Hauptrolle. Regie: Hans Neuenfels
Kleist-Projekt: Hauptrolle. Regie: Hans Neuenfels
Romeo und Julia: Rolle: Mercutio. Regie: Christof Nel
Erwin-Piscator-Revue: Hoppla, du lebst: Hauptrolle. Regie: Hermann Treusch
Die Braut von Messina: Rolle: Diego. Regie: Ruth Berghaus
Salzburger Festspiele 1990–1994
Un re in Ascolto. Regie: Götz Friedrich
Jedermann. (1985–1987) Regie: Gernot Friedel
Macbeth. Regie: Piero Faggioni
Il ritorno d’Ulisse in patria. (Die Heimkehr des Odysseus) Regie: Michael Hampe
Schillertheater Berlin 1990–1994
Die Räuber: Rolle: Grimm. Regie: Alexander Lang
Mockinpott: Hauptrolle. Regie: Alexander Lang
Kasimir und Karoline: Hauptrolle. Regie: Lore Stefanek
Wie es euch gefällt: Rolle: Silvius. Regie: Katharina Thalbach
Theater des Westens / Schauspielhaus Hamburg 1992
Der Blaue Engel: Rolle: Kapusta. Regie: Peter Zadek / Jérôme Savary
Burgtheater Wien 1995
Die Geisel. Rolle: die englische Geisel Leslie A. Williams. Regie: Alfred Kirchner
Diskografie
Hörspiele
1991: Karl Günther Hufnagel Hommage an unsere alte Lady – Regie: Ulrich Heising (Hörspiel – SFB)
Tondokumente
Ostern – Biblische Texte und festliche Musik. Heino Ferch liest Texte aus dem Alten Testament und die Ostergeschichte. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2003, ISBN 3-438-01826-8.
Rilke-Projekt „Überfließende Himmel“. Heino Ferch liest die Gedichte Das Karussell und Schlaflied. Schönherz & Fleer, München 2005, ISBN 3-89830-695-X.
Auszeichnungen
1998: Bayerischer Filmpreis 1997 (Sonderpreis für seine Darstellung in Comedian Harmonists)
1998: UCI-Filmpreis
2001: Bayerischer Fernsehpreis
2002: Goldene Kamera
2003: Berliner Bär (B.Z.-Kulturpreis)
2003: Bambi
2004: DIVA – Deutscher Entertainment Preis
2006: Gemini-Award Toronto
2008: Jupiter
2009: Nominierung für die Goldene Henne
2010: Nominierung für die Goldene Kamera in der Kategorie Bester deutscher Schauspieler in Entführt
2011: Nominierung für den Deutschen Filmpreis als Bester Nebendarsteller in Vincent will Meer
2011: Bester Schauspieler für Spuren des Bösen auf dem siebten Festival des deutschen Films, Ludwigshafen
2016: Hessischer Fernsehpreis für seine Rolle in Allmen und die Libellen
2017: Askania Award in der Kategorie Bester Schauspieler
2018: Deutscher Fernsehkrimipreis für seine Rolle in dem Drama Ein Kind wird gesucht (ZDF/ARTE)
2019: Goldener Kompass für seine Rolle in dem Drama Ein Kind wird gesucht (Christliche Medieninitiative pro)
Literatur
Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 2: C – F. John Paddy Carstairs – Peter Fitz. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S.648.
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